Dodo, dreieinhalb Monate hast du auf den Schweizer Pässen verbracht. Ein Abenteuer?
Ja eines meiner grössten! Nur schon, dass ich als Städter irgendwo bin, wo nicht mein Habitat ist. Klar ich hatte meinen Container dabei und war nicht auf dem Mond, aber ich musste mich dort zuerst zurechtfinden.
Was war abenteuerlich?
Ende September erlebte ich meinen persönlichen Lockdown auf der Furka. Meinem Produzenten Big J und mir wurde gesagt, dass am nächsten Tag ein Schneesturm kommt – doch er kam früher. Wir konnten nicht mehr Vorrat kaufen und mussten deshalb einteilen. Wir haben alle Süssgetränkflaschen und unser Leergut mit Wasser gefüllt, weil wir nicht gewusst haben, wie lange es dauert. Wir wussten, niemand kommt rauf und wir können nicht raus. Das war schon eindrücklich.
Ihr wart eingeschneit?
Für sechs Tage. Der Wind wehte so stark, wie im Flugzeug, wenn es Turbulenzen gibt – einfach die ganze Nacht hindurch. Da dachte ich mir: Was, wenn eine Lawine kommt? In jener Nacht habe ich kein Auge zugemacht.
Du hast wirklich in deinem Container übernachtet?
Ja. Aber wir hatten noch einen Militärbunker, wo sich eine Küche befand. Das war super cool! Und das Übernachten im Container ist richtig gemütlich – wenn draussen nicht gerade ein riesiger Schneesturm tobt.
Du bist Abenteuer gewohnt. Inwiefern hast du in den Bergen den Städter in dir bemerkt?
An die karge Landschaft musste ich mich gewöhnen und daran, dass einfach nichts da ist – nur die frische und vor allem dünne Luft. Aber ich habs lieben gelernt, Ich habe mich in die Berglandschaft verliebt.. Die karge Landschaft über der Baumgrenze macht demütig und dankbar.
Was waren die schönen Momente?
Genau diese sechs Tage im Lockdown. Die Unsicherheit ist immer schön für mich, denn das ist ein richtiges Abenteuer. Danach bin ich fast ein bisschen süchtig.
Dann herrscht aktuell voll deine Zeit!?
Eigentlich wollte ich ja mit einem Rheinschiff von Basel aus nach Rotterdam und dann mit einem grossen Dampfer nach Afrika. Corona hat mir aber vor meiner Abreise einen dicken, fetten Strich durch die Rechnung gemacht. Ich musste schnell entscheiden wie und ob ich meine Reise machen will. Wir haben uns dann entschieden, anstatt ins Meer hinaus ins Wolkenmeer hinauf zu fahren. Ich habe aus einer Scheiss-Situation das Beste gemacht und eines meiner grössten Abenteuer erlebt. Noch nie war ich solange in den Bergen, noch nie stand ich auf einem Gletscher, noch nie sah ich das Matterhorn. Ja – so will ich ans Leben herangehen.
«An die karge Landschaft musste ich mich gewöhnen und daran, dass einfach nichts da ist – nur die frische und vor allem dünne Luft»
Macht das Quellwasser jung?
Die Kälte bestimmt – die macht jung, vital und gesund!
Hast du oft gefroren?
Ja, jeden Tag ging ich einmal kalt baden. Ich bin in die Gletscherseen reingesprungen, unter meinen Füssen hatte es Eisschollen.
Auf was warst du nicht vorbereitet?
Die Solaranlage in den Griff zu bekommen. Ohne Storm ist es einfach schwierig, ein Album zu produzieren, und es dauerte echt ein bisschen, bis ich die Anlage kapierte. Auf den Pässen wird ja Strom aus Wasser gemacht – so war ich immer von sauberem Strom versorgt, ob aus Solar- oder Wasserkraft.
Was war eure Haupternährung?
Im Wallis haben wir mehrmals Fondue gegessen und feinen Rotwein getrunken! Und Kafi, mein Lieblingsgetränk, und ganz viel Wasser.
Mit dabei war auch Big J. Gabs Lagerkoller?
Voll! Ich bin froh, dass wir jetzt wieder getrennte Wohnungen haben (lacht). Du lernst nicht nur dich kennen, sondern auch die andere Person. Du lernst, wie du wirkst, wie sie wirkt. Aber diese Zeit in den Bergen hat uns noch mehr zusammengeschweisst.
«Provoziert euer Glück! Und versucht, euer Leben immer etwas schöner zu gestalten, der Aufwand lohnt sich»
Was hast du über dich selbst gelernt?
Die Reise war wie nochmals eine Bestätigung, dass du dein Leben immer ein bisschen schöner machen kannst, als es ist, auch in den widrigsten Umständen. Mein Container-Studio «Ministry of Good Vibes» war vor drei Jahren eine Idee in meinem Kopf und ganz viele Leute sagten, dass ich es nicht schaffe – aber ich habe daran geglaubt. Corona sorgte für einen Umweg. Diesen Umweg machten wir zum Ziel und haben anstatt einer Afrikareise abzusagen eine Schweizer Pass-Reise auf die Beine gestellt.
Eine Vision war auch, viele Songs zu schreiben. Wars genügend inspirierend?
Unbedingt! Die Natur war sehr inspirierend. Ich habe etwa 70 Lieder geschrieben, davon bringe ich dann elf auf meinem Album «Pass» heraus.
Die neue Single «Curling Girlie» hört sich nicht nach Natur an.
Stimmt, aber das Natureis-Curlingfeld in Obergoms, wohin wir von der Furka evakuiert wurden, hat mich zu diesem Song inspiriert. Dieser Song passt jetzt, weil wir gerade etwas brauchen, das einen wieder hochzieht, das macht «Curling Girlie». Das Lied ist wie eine Gondel - es bringt dich aus dem Nebel hoch in die Sonne.
Kam auch mal Besuch vorbei?
Familie und Freunde kamen hoch. Aber auch Fans sind von weit her angereist, um uns zu besuchen. Auf der Grimsel hatte es viele Wanderer, auf der Furka mehr Strahler, die Mineralien suchten. Das war noch spannend. In Obergoms kam dann auch noch meine Band in mein mobiles Studio vorbei.
Was hast du zurück daheim als erstes gemacht?
Meine Kleider gewaschen und ein Bad genommen. Die letzten drei Wochen habe ich nicht mehr gewaschen, sondern aus dem Rucksack gelebt und im Volg Unterwäsche gekauft.
Dein Fazit zum Schluss?
Provoziert euer Glück! Man ist, was man denkt. Und versucht, euer Leben immer etwas schöner zu gestalten, der Aufwand lohnt sich.