Der Kopfsprung in den türkisblau schimmernden Hallwilersee fühlt sich für Jeremy Loops, 38, an, als würde er in eine andere Welt eintauchen. Sonne, See und keine Termine. Wenn auch nur einen Tag lang. Am folgenden Abend steht der Musiker bereits wieder in Österreich auf der Bühne.
Wann immer er kann, besucht Jeremy während seiner Europatour seine Familie, die in Aarau lebt. «Durchschnaufen, bekannte Gesichter um mich, in einem gewohnten Bett schlafen», sagt er. Denn der Trubel um ihn ist gerade gigantisch. Sein drittes Album «Heard You Got Love» katapultierte Jeremy Loops weltweit auf die Playlists von Streamingdiensten und Radiosendern, nicht zuletzt wegen seiner Zusammenarbeit mit Megastar Ed Sheeran. Seine Konzerte sind ausverkauft, es kommen immer neue Anfragen dazu. «Ich komme gerade kaum zum Denken. Umso schöner, dass ich hier immer wieder zu meiner Familie zurückkehren und loslassen kann.»
Aber fangen wir von vorne an: bei Jeremys Mutter Brigitte Riederer, 62, aus Beinwil am Hallwilersee. Als junge Frau geht sie nach Südafrika, um Englisch zu lernen, trifft dort ihre grosse Liebe und bleibt. Ihre drei Kinder ziehen Brigitte und Michael Hewitt in Kommetjie im Süden Kapstadts auf. «Eine Art Hippie-Dorf», erzählt Jeremy lachend.
Es hat den Musiker und Umweltaktivisten geprägt. So ist er unter anderem Mitbegründer der Umweltorganisation Greenpop, welche 177 000 Bäume gepflanzt hat. «Auch, um das viele Reisen auszugleichen.» Jeremy ernährt sich hauptsächlich vegetarisch, Ausnahmen macht er für selbst gefangenen Fisch oder Tintenfisch. Zu seiner Kindheit gehören Rösti und Spätzli. «Und geraffelter Rüeblisalat. Das fanden meine Freunde immer seltsam.»
Besuche bei Mamas Schwestern Lisette, 60, und Dorothee, 58, und deren Familien stehen regelmässig an. Deutsch spricht Brigitte zwar nicht mit ihren Kindern («Sie wollte richtig Englisch lernen, als wir klein waren»), Jeremy kann einer Konversation aber folgen und nimmt sein Handy mit einem herzhaften «Hoi!» ab. Und er hat einen Schweizer Pass.
An seinem Wirtschaftsstudium beisst Jeremy sich die Zähne aus. Als Ausgleich zum Stress kauft er sich eine Gitarre, bringt sich das Spielen mit Youtube-Tutorials selbst bei. Online entdeckt er auch die Loop Station, ein Gerät, mit dem man Tonspuren aufzeichnen und in Endlosschleife abspielen kann. Er beginnt, eigene Songs zu schreiben.
Das Studium beendet Jeremy schliesslich mit Auszeichnung, danach segelt er zwei Jahre lang als Skipper durch die Welt, um Geld zu verdienen. Zurück in Kapstadt, gibt er sich ein Jahr Zeit, um es mit der Musik zu versuchen.
So wird aus Jeremy Hewitt Jeremy Loops, der mit seiner Gitarre und seinem Loop Pedal durch Kapstadt zieht. Seine Konzerte sind bald stadtbekannt, nach einiger Zeit füllt er die grössten Event-Locations seiner Heimatstadt – ohne ein Album gemacht oder einen Song am Radio gehabt zu haben. Das Debütalbum «Trading Change» erreicht direkt die Spitze der Charts und wird Südafrikas «Album des Jahres».
Das zweite Album, «Critical as Water», und der Song «This Town» mit den vierfachen Grammy-Gewinnern Ladysmith Black Mambazo machen Jeremy in Südafrika endgültig zum Star.
In einem öffentlichen Gym trainieren, mit Freunden am Strand hängen oder mit Freundin Tilda, einer Ärztin, in Kapstadt auswärts essen? «Schwierig. Ausser ich möchte ständig angestarrt und um Selfies gebeten werden.» Umso mehr geniesst er seine Freiheiten in seiner zweiten Heimat. Selbst wenn er auch hierzulande bereits erkannt und um Fotos gebeten wird.
Das dritte Album erschien Anfang Juli. Bereits im Vorfeld sorgte der Song «Better Together», den Jeremy mit Ed Sheeran schrieb, für Furore. Die beiden lernen sich an einer Musiktagung in Kapstadt kennen. Es ist Sheeran, der Jeremy Loops um die Zusammenarbeit bittet. «Umgekehrt hätte ich mich niemals getraut!»
Natürlich freut ihn sein Erfolg in Europa. Unvergessen das erste ausverkaufte Konzert im Volkshaus Zürich mit der ganzen Familie im Publikum. «Mein Grossvater staunte, dass so viele Leute wegen mir kamen», erzählt Jeremy lachend. Cousin Loic Köferli, 33, bezeichnet es als «surreal, aber irgendwie auch normal, ihn vor so grossem Publikum zu sehen». Schliesslich weiss die hiesige Familie schon lange, wie berühmt «ihr» Jeremy in Südafrika ist. «Für mich wärs super, wenns genauso bleiben würde», meint Jeremy und lässt seinen Blick über den Hallwilersee schweifen. «Aber so oder so: Mein Schweizer Zuhause und meine Familie hier werden immer mein Ort zum Krafttanken bleiben.»