Nemo, es war längere Zeit ruhig um dich.
Ja, ich hatte eine Findungsphase, wollte Neues entdecken. Also nannte ich mich Not Nemo und dachte: Ich bin jetzt nicht Nemo, sondern mache etwas neues, ganz etwas anderes.
Was war denn passiert?
Es ging alles sehr schnell für mich. Ich hab meine ersten beiden EPs mit einem Label rausgebracht und es hat funktioniert. Ich war aber selber noch am herausfinden was ich machen wollte und wer ich bin, wurde dann aber plötzlich schon in eine Schublade gesteckt. Ich wollte mir den Platz für neues und das Entdecken lassen und so entstand Not Nemo. Irgendwann hab ich aber gemerkt, dass ich das auch mit meiner Haltung gegen innen und Kommunikation gegen aussen machen kann.
Deshalb nennst du dich nun wieder bei deinem Namen?
Ja, ich bin Nemo. Ich glaube, ich habe die Findungsphase etwas durch und bin an einem Punkt, in dem ich mich wohlfühle mit der Person, die ich bin und damit, was ich mache. Jetzt kann es losgehen. Das bin jetzt ich – und nun mache ich englische Musik.
Wer ist Nemo heute?
Ich bin eine mega neugierige, offene Person, die Freude am Entdecken und am Machen hat. Immer wenn ich viel mache, bin ich glücklich – ob ich an meinen Projekten oder für andere Künstler wie Leila, Davey6000, Andrew Tufano schreibe oder sie produziere.
Dein neuster Song heisst «lonely af». Hast du diesen wirklich in 20 Minuten geschrieben?
Ja, als ich meine Schwester Ella in London besuchen ging. Sie hatte ein Shooting und ich habe in einem Café auf sie gewartet. Gerade bei diesem Song ist der Kontrast cool zwischen dem Text, der gar nicht happy ist, und der Melodie.
Kennst du einsame Momente?
Immer wieder, die gehören dazu. Ich habe immer das Glück gehabt, dass ich ein Umfeld habe, das stark für mich da ist. Aber trotzdem gibt es Momente, in denen niemand zu 100 Prozent versteht, was ich genau meine.
Kannst du gut alleine sein?
Ja, das ist eine Stärke von mir. Ich habe keine Angst vor meinen eigenen Gedanken. Ich habe natürlich auch «Coping»-Mechanismen wie alle, um über gewisse Dinge nicht nachdenken zu müssen. Ich müsste definitiv das Handy öfters weglegen, mich hinsetzen und zuhören, was bei mir da oben alles so vor sich geht.
Was für Gedanken kommen in solchen Momenten?
Aktuell sehr viele weltpolitische. Ich stelle mir die Frage, wieso solche Dinge immer wieder passieren. Mich persönlich, macht es sehr traurig, darüber nachzudenken.Da hilft es mir aber auch wieder mit anderen Menschen darüber zu reden. Persönliche Gedanken sind vor allem der Druck, den ich mir mache. Ich denke immer, dass es vorwärts gehen muss – denn ich bin schon 22! Es gibt andere, die haben mit 16 schon so viel erreicht!
«Meine Eltern haben mich so erzogen: Sei so, wie du sein möchtest – es ist okay»
Nemo
Es gibt bestimmt junge Musiker und Musikerinnen, die sich mit dir vergleichen und denken: Nemo hat schon so viel geschafft.
Ja crazy. Ich glaube, wir Menschen sind enorme Vergleichstiere.
Die Menschen deiner Generation beschäftigen sich stark mit der Genderfrage, du auch?
Ja, mega fest. Für mich stellt sich wirklich die Frage, wieso unsere Gesellschaft so stark auf das binäre fixiert ist. Dass anatomische, biologische Unterschiede existieren, stellt niemand in Frage. Aber wieso sind wir als Gesellschaft so fest darauf getrimmt: Okay, du hast einen männlichen Körper, du bist jetzt ein Mann. Wieso spielt es eine Rolle?
Hast du das Gefühl, dass du dich auch definieren musst, oder eben genau nicht, damit es keine Rolle spielt?
Es sind schon die Dinge, worüber ich mir sehr viel Gedanken mache. Aber ich bin nicht an einem Punkt, an dem ich mich definieren will oder weiss auch nicht, ob ich je an diesen Punkt komme. Es wäre wieder eine Schubladisierung. An einem Tag fühle ich mich so, an einem anderen würde ich wieder eine andere Beschreibung finden, wie ich mich fühle. Die Frage ist, wieso geben wir dem so viel Gewicht?
Du trägst Röcke.
Ja, wieso sollte Ich dies nicht? Jeder Mensch sollte das anziehen dürfen, das er oder sie möchte. Ich finde es einfach cool einen Rock zu tragen und will dahinter auch kein politisches Statement wissen. Meine Schwester und ich tauschen oft Kleider. Ich ziehe dann auch mal eine Bluse an. Ganz schlimm finde ich, wenn ich in einem Laden frage, ob ich die Hose anprobieren darf und sie mir sagen: Das ist eine Frauenhose. Das ist doch total egal! Ich zog schon als Kind Leggins an und spielte Geige auf der Strasse. Die Leute fandens komisch, für mich war es ein normales Kleidungsstück. Meine Eltern haben mich so erzogen: Sei so, wie du sein möchtest – es ist okay.
Am Montag ziehst du nach Los Angeles. Wieso?
Die Stadt ist ein Hotspot für Musik. Ich war in den letzten drei Jahren dreimal dort und habe dabei tolle Menschen kennengelernt. Ich gehe zusammen mit Produzent Bonboi (Lars Christen), einer meiner besten Freunde. Gemeinsam arbeiten wir an meiner EP, die im Sommer erscheinen soll. Zudem habe ich amerikanische Wurzeln. Ich muss in Kalifornien unbedingt das Haus besuchen, wo mein Grosi, das heute in der Schweiz lebt, aufgewachsen ist.
Hast du auch den amerikanischen Pass?
Nein, aber mein Vater. Die englische Sprache ist mir durch mein Grosi nah und ich finde es nun spannend musikalisch auf Englisch neues zu entdecken.