Io senza te, cosa farei?» Peter Reber (73) der auf der «Sing meinen Song»-Couch sitzt, hört atemlos zu, als Baschi vergangenen Mittwochabend in dem TV-Knüller seine Version des Schweizer ESC-Hits von 1981 singt. Und als Reber später über seine grosse Liebe Livia (64) spricht und sich dabei eine Träne aus dem Augenwinkel wischt, bekommt mancher Fan vor dem Bildschirm wohl ebenfalls feuchte Augen.
«Io senza te, cosa farei?» Was würde ich nur ohne dich tun? Dieser Text zu Rebers Komposition stammt zwar nicht von ihm (geschrieben hat ihn Nella Martinetti). Die Antwort schreibt er aber ein paar Jahre später in seinem ersten Mundart-Hit: «I wär ja so verlore, was würdi ächt us mir, e Vogel ohni Flügel, e Fisch, wo nümm meh schwümmt, es Schiff ohni Sägel.» Seit 47 Jahren segelt Livia an Peters Seite durchs Leben – mit dem und gegen den Wind. Auch beim Dreh auf Gran Canaria ist sie hinter den Kulissen dabei. Denn wochenlang ohne seine Frau zu sein, kann sich der Musiker nicht vorstellen. «So lange gehe ich nirgends ohne sie hin. Sonst hab ich ‹längi Zyt›.»
Reisepläne beim ersten Date
Das Kennenlernen des Traumpaars ist fast schon legendär: Er knallt ihr vor einem Auftritt mit Peter, Sue & Marc beim Vorbeihasten einen Koffer an den Kopf, lädt sie als Entschuldigung zum Essen ein. Spätestens bei diesem ist es um ihn geschehen: «Ich wusste sofort, sie ist die Frau meines Lebens.» Die Baslerin Livia, zarte 17 Jahre alt, ist anfangs skeptischer. Nicht wegen des Altersunterschieds. Aber: «Ein Musiker und Hobbysegler. Der hat doch in jedem Hafen eine, dachte ich.» Sie schiesst die Bedenken in den Wind. Nicht zuletzt, weil Peter ihr bereits bei diesem ersten Rendez-vous im Restaurant Spalenberg in Basel sagt: «Wir beide werden einmal eine grosse Reise machen.» Ohne selbst zu ahnen, wie riesig sie tatsächlich werden würde.
Zuerst schliesst Livia aber ihre Lehre als Pharmaassistentin ab. Dann zieht sie zu Peter nach Bern. Gemeinsam mit seinem Vater renovieren sie ein altes Bauernhaus. «Unser erstes gemeinsames Projekt», sagt er. Wenn es ein Geheimnis gibt, das hinter ihrer langen Beziehung steckt, dann ist es, abgesehen von der Liebe, wohl dieses: «Wir haben immer alles gemeinsam gemacht.» Ist er mit dem Trio Peter, Sue & Marc unterwegs, ist Livia oft dabei. Mit dem Segen seiner Bandkollegen: «Susle und Märcu fanden, ich sei mit Livia viel erträglicher», meint Peter schmunzelnd. Als Anhängsel ihres berühmten Partners sieht sich Livia nie: «Pesche hat mir nie dieses Gefühl gegeben. Das ist ja auch eine Frage des Selbstbewusstseins.»
Keine Zeit zum Streiten
Dass die grosse gemeinsame Reise, von der sie seit dem ersten Date sprechen, kein Traum bleibt, ist für beide klar. Sie machen dieselben nautischen Ausbildungen. Nach dem Ende von Peter, Sue & Marc bauen sie zusammen das Segelboot «Cindy» aus – und geben einander das Jawort. «Das hatte zum einen romantische, zum anderen aber auch praktische Gründe. In manchen Ländern wäre es kompliziert gewesen, nicht verheiratet zu sein», sagt Peter. Zwei Jahre soll der Segeltörn auf dem Atlantik dauern. Dann will das Paar zurückkehren und eine Familie gründen. «Oder wir hätten die Übung irgendwann abgebrochen und nie wieder miteinander geredet. Das Risiko sind wir bewusst eingegangen», sagt Livia in der ihr eigenen pragmatischen Art.
«Ein Musiker und Hobbysegler. Der hat doch in jedem Hafen eine, dachte ich»
Livia Reber
Viel Platz, um einander aus dem Weg zu gehen, gibts auf der «Cindy» nicht. Den brauchen Livia und Peter auch nicht. Denn auf See gehts nur so, wie das die beiden ab dem ersten Tag ihres Kennenlernens halten: zusammen. «Wenn du den Elementen ausgeliefert bist, hast du keine Zeit zum Streiten», sagt Livia. Und: «Das geht nur mit viel Respekt und Vertrauen.» Frau muss zum Beispiel sofort das Steuer übernehmen können, wenn Mann mitten im Ozean eine Nierenkolik erleidet.
Rückenwind dank grünen Bananen
Auch wenn die «Cindy» hin und wieder krängt – also in Schieflage gerät –, die Beziehung von Livia und Peter tut das nie. Livias Intuition navigiert ihn zielsicher durch seine Karrierekrise: Sie hindert ihn daran, das kleine Keyboard zu entsorgen, das lange nur Platz raubt auf dem Boot. Reber ist nach 13 Jahren Peter, Sue & Marc musikalisch ausgelaugt. Irgendwann setzt er sich tatsächlich an das Instrument und komponiert: «E Vogel ohni Flügel».
Dem Song folgt ein Album, «Grüeni Banane», das sich in der fernen Schweiz verkauft wie warme Weggli. Das ändert die finanziellen Verhältnisse der Rebers und verleiht ihrem Reiseabenteuer wieder Rückenwind. Statt nach Hause zurückzukehren, setzen sie die Segel erneut und beschippern auch den Pazifik, alles in allem sieben Jahre lang. Und statt daheim eine Familie zu gründen, tun sie dies unterwegs. Sohn Simon verbringt seine ersten zwei Lebensjahre auf der «Cindy», dann lässt sich die Familie auf den Bahamas nieder. Simon soll Kontakt zu anderen Kindern haben. Wegen des Schulsystems – Simon und Schwester Nina hätten von der Karibik aus in ein Internat gemusst – kehren sie nach weiteren sieben Jahren in die Schweiz zurück.
Enges Verhältnis zur Familie
Zwar fragt Nina nach zwei Wochen in der für sie neuen Heimat, ob es hier auch mal hell werde. Aber die Familie lebt sich schnell ein. Livia geniesst den vielen Platz, dekoriert mit Begeisterung das Haus. Die Kinder entdecken das Ski- und Velofahren. Peter Rebers Karriere geht nahtlos weiter. Die Rollenverteilung ist nun eher klassisch, die Familie steuern sie weiterhin gemeinsam. Zumal der Papa es gewohnt ist, Elternpflichten zu übernehmen. «Dass ich die ersten Jahre so nah bei meinen Kindern sein konnte, empfinde ich als grosses Privileg», sagt Peter. Das Verhältnis zu Simon und Nina ist auch heute noch eng. Livia und Peter sind mittlerweile zweifache Grosseltern.
14 Jahre unterwegs. 47 Jahre Liebe. Was für ein Leben! «Eigentlich sind es drei Leben in einem», meint Peter Reber. Um in Ruhe ankern zu können, muss man erst mal die Segel setzen, allen Risiken zum Trotz. «Man sollte sich Träume erfüllen oder es zumindest versuchen. Sonst wird man im Alter verbittert», sagt Peter.
Am meisten Dankbarkeit empfindet er aber nicht für den Tag, an dem sie die Leinen losmachten. Sondern für jenen im Jahr 1976, als er einem jungen Mädchen einen Koffer an den Kopf knallte. Denn für einen Vogel ohne Flügel sind auch erfüllte Träume am Ende nur Schäume.