New York City, frühmorgens: Die Wolkenkratzer in Manhattan liegen noch im Dunkeln, als der Privatjet von Roger Federer, 38, auf dem nahe gelegenen Flughafen aufsetzt. Es war die fünfte Nacht in Folge, die das Schweizer Tennis-Ass in den Lüften verbringen musste. Federer steht an diesem Morgen unter Zeitdruck. Kurz duschen, zügig frisch machen und dann ab ins Auto und Richtung Manhattan, um pünktlich in der «Today Show» des US-Fernsehsenders NBC zu erscheinen.
Federer kommt von einer mehrtägigen Südamerika-Reise nach New York. Nach dem Halbfinal-Aus an den ATP-Finals in London macht er sich auf eine Tour durch Lateinamerika, besucht dabei die Länder Argentinien, Chile, Kolumbien, Mexiko und Ecuador. Bei einem seiner vier Exhibition-Spiele stellte er vergangene Woche in einer Stierkampf-Arena in Mexiko City mit 42 517 Fans gar einen Tennis-Zuschauerweltrekord auf.
Nun legt Federer auf der Rückreise in die Schweiz also noch einen Zwischenstopp im Big Apple ein, um seinen Einstieg beim Zürcher Laufschuh-Start-up On als Aushängeschild und Partner zu promoten. Trotz der morgendlichen Hektik gibt sich der Baselbieter gelassen, sagt zur Schweizer Illustrierten: «Komisch, ich bin auch jetzt noch voller Energie. Das Programm in den vergangenen Tagen war aber schon extrem.»
«On will ja, dass ich weiterspiele. Und ich will es auch. Glauben Sie mir: Ich freue mich auf die kommende Saison!»
Roger Federer
Nach dem Interview-Marathon am Morgen geht es für Roger Federer gegen Mittag in den Central Park. Mit roten On-Schuhen und einer farblich dazu passenden Sportjacke joggt der Schweizer für ein Werbevideo mit rund 50 anderen Läufern durch die idyllisch-urbane Grünlandschaft. Zwischen den Drehpausen gibt er sich locker, nimmt sich immer wieder Zeit für begeisterte Fans. Ein Selfie da, ein Witz dort.
Roger Federer in seinem Element. «Wir haben einen tollen Tag erwischt. Das Wetter passt. Es ist wirklich super hier!»
Sein Engagement bei On wurde vergangene Woche bekannt. Es ist keine übliche Partnerschaft zwischen einem Sportler und einer Marke. Der Schweizer hat in das noch junge Unternehmen investiert – von 50 bis 100 Millionen Franken ist die Rede. Federer gehört damit ein Teil der Firma, er will On in Zukunft aktiv mitgestalten. «Es ist ein langfristiges Projekt.» Müssen die Fans jetzt Angst haben, dass ihr Liebling den Tennisschläger bald daheimlässt? «Nein, überhaupt nicht. On will ja, dass ich weiterspiele. Und ich will auch! Klar, mit dem Engagement weiss ich nun, in welche Richtung es nach meiner Tennis-Karriere gehen wird. Aber glauben Sie mir: Ich freue mich auf die kommende Saison.»
«Mein Input bei On wird in die modische Richtung gehen. Da ich bequeme Sneakers liebe»
Roger Federer
Federer und On – das passt auf den ersten Blick nicht ganz zusammen. Der Basler ist ein Fan von Sneakers – Sportschuhen für den Alltag. Er besitzt an die 300 Paare. On hat sich aber primär auf klassische Laufschuhe fokussiert. Doch Federer wird in Zukunft in Sachen Design mitreden. «Da wird in den kommenden Jahren einiges kommen. Mein Input wird sicher in die modische Richtung gehen, da ich bequeme Sneakers liebe.» Die Laufschuhe sollen aber das Herzstück von On bleiben, stellt die Tennis-Legende klar. Dass Federer ein Faible für Mode hat, ist bekannt. Anna Wintour, die Chefredaktorin des US-Modemagazins «Vogue», gehört seit Jahren zum Freundeskreis und zeigt sich während Spielen immer wieder in seiner Box. Das Männermagazin «GQ» zählt ihn zu den bestgekleideten Männern der Welt. «Schuhe und Mode sind zwei Leidenschaften von mir – bei On kann ich die vereinen», sagt Federer.
Mittlerweile ist die Filmcrew um Federer quer durch die Stadt gejoggt. Am berühmten Times Square im Herzen von New York City posiert der 20-fache Grand-Slam-Sieger erneut für die Kameras. Immer wieder rufen ihm Passanten zu. Federer winkt zurück. Dann steuert er einen für die Stadt typischen Verkaufswagen an, genehmigt sich eine Bretzel und einen Kaffee. Nun stehen für ihn die wohlverdienten Ferien an. Wohin es geht, will der Schweizer nicht verraten. «An die Sonne», ist ihm höchstens zu entlocken. Viel wird man vom vierfachen Familienvater in den kommenden Wochen nicht hören. «Ich will abschalten, Bilder von mir am Strand wird es nicht geben. Ich will diese privaten Momente mit der Familie geniessen.» Sagts und düst unmittelbar nach Sonnenuntergang wieder an den Flughafen. Es wird seine sechste Nacht in Folge in der Luft sein – aber für einige Zeit die letzte.
2010 von Olivier Bernhard, David Allemann und Caspar Coppetti gegründet, bietet On den Giganten im Laufschuh-Markt die Stirn. Ein Wirtschaftsmärchen.
Am Anfang steht die Suche des früheren Schweizer Weltklasse-Triathleten Olivier Bernhard, 51, nach dem perfekten Laufschuh: Sein Konzept der u-förmigen Kunststoffpuffer an der Sohle schlägt vor zehn Jahren sofort ein. 2010 gründet er zusammen mit den Kreativ-Managern Caspar Coppetti, 43, und David Allemann, 47, das Unternehmen On. Nach einem Monat gewinnen sie den Innovationspreis der europäischen Sportbranche. Ab da erobert On vom kleinen Eckbüro im Zürcher Seefeld aus die Laufwelt: Mehr als 6000 Fachshops in 50 Ländern verkaufen heute On-Schuhe. Zur Firmenleitung gehören nun auch Martin Hoffmann und Marc Maurer. Zahlen werden nicht kommuniziert, doch geschätzt liegt der Umsatz 2019 bei über einer Viertelmilliarde Franken, das Wachstum ist jährlich zweistellig. 500 Beschäftigte hat On heute, die Hälfte davon in Zürich-West. Hier werden die Produkte – Laufschuhe, Sneakers, Wanderschuhe, Sportbekleidung – entwickelt und in Vietnam gefertigt.