Über Hamsterkäufe, Wuhan, das schwedische Modell, darüber, wie man in den Ellbogen niest und richtig Hände wäscht. Über die Spuren, die Shutdown, Lockdown und Quarantäne bei uns hinterlassen, darüber haben die Kabarettistin Patti Basler, 45, und der Musiker Philippe Kuhn, 45, zu Beginn der Pandemie ein Lied auf Youtube veröffentlicht. Statt aufzutreten, war das Bühnenduo im Studio gedownlockt und hat seine Auftritte ins Internet verlagert. Jetzt, zwei Jahren später, sind die Satiriker wieder auf Tour in der ganzen Schweiz. Im Gespräch mit der Schweizer Illustrierten schauen sie zurück und erzählen, welche Spuren die Pandemie bei ihnen hinterlassen hat.
Wie begrüssen Sie einander?
Patti Basler: Immer gleich.
Philippe Kuhn: Mit einer Umarmung.
Basler: Wir leben sowieso in einer eingetragenen Bühnenpartnerschaft und atmen die gleiche Luft ein und aus.
Was ist Ihr Lieblingswort aus der Coronazeit?
Basler: Systemrelevant.
Kuhn: Virologe gefällt mir gut.
Basler: Oder Immunologe. Oder Pandemieologe. Wenn man diese Wörter nacheinander rappt, hört sich das Double ziemlich cool an.
Was können Sie nicht mehr hören?
Kuhn: Wortschöpfungen wie Covidioten find ich schlimm, weil sie Menschen ausgrenzen.
Basler: Ja, diesen Ausdruck brauche ich nie. Weil ich ihn halt nicht selber erfunden habe. Darum finde ich ihn nicht so cool.
Welches Wort haben Sie erfunden?
Basler: Als es im Januar 2021 so geschneit hat, habe ich Flockdown ins Netz geschrieben – das haben ganz viele nachgemacht.
Und welche Coronagewohnheiten wie den Ellbogengruss können wir uns jetzt wieder abgewöhnen?
Basler: Das Schöne ist, dass gerade auf dem Land gewisse Leute nichts verändern mussten, weil in der Schweiz der erhobene ausgestreckte rechte Arm ja immer noch erlaubt ist. Und Ellbögle und ans Bein Ginggen ist ja im ganzen Land auch recht verbreitet.
Wann geben Sie wieder drei Küsschen zur Begrüssung?
Basler: Wenn eine Person hot ist.
Kuhn: Das hast du jetzt wirklich schön gesagt. Würde ich unterschreiben.
Basler: Oder wenn die Person genug dafür zahlt.
Ist der ÖV mit oder ohne Maske erträglicher?
Basler: Ich finde die Menschen, und da schliesse ich mich natürlich mit ein – dich, Philippe, nicht – immer viel schöner mit Maske.
Kuhn: Vielen tut es gut, sie zu tragen.
Basler: Die Augen sind meistens das Schönste im Gesicht. Wenn man nur die Augen sieht, denkt man eher, die Leute seien schön. Und wenn sie dann die Maske ablegen … Na ja.
Kuhn: Ich habe recht Mühe, die Menschen mit Maske zu erkennen. Ich sass auch schon im Bus und merkte, dass mich jemand anschaut. Da dachte ich: Hm, diese Person müsste ich wohl kennen. Kaum war ich ausgestiegen, kam mir in den Sinn: Ah, das war ja meine Nachbarin.
Basler: Oder deine Mutter.
Kuhn: Nein, die erkenne ich gerade noch. Aber in Südostasien ist es ja gang und gäbe, auf engem Raum eine Maske zu tragen, weil sie schützt. Aus der Maske ein Politikum zu machen, finde ich schwach.
Basler: Man entwickelt neue Fähigkeiten mit der Maske. Ich habe während der Pandemie mehrere Workshops an Schulen gegeben, und normalerweise rühme ich mich, dass ich alle Namen der Kinder nach einer halben Stunde kenne. Erstaunlicherweise klappte das auch gut mit der Maske. Aber dann passierte etwas ganz Seltsames: Als ich nach dem Workshop auf dem Pausenplatz war und die Kids ohne Maske sah, habe ich sie nicht mehr erkannt. Ich musste sie bitten, die Maske anzuziehen! «Ah, du bist es, Diego!» Das ist wirklich erstaunlich.
Haben Sie die Pandemie auch schon als Ausrede vorgeschoben, wenn Sie keine Lust hatten, jemanden zu treffen?
Kuhn: Eigentlich eher, um Menschen zu schützen. Wir wussten zu Beginn ja nicht, wie schlimm es kommen würde.
Basler: Während des Lockdowns haben wir uns aber oft zurückgezogen. Wir haben diese Zeit genutzt, um Videos aufzunehmen. Wir sassen zusammen am Compi, schickten unser Zeug ins Netz raus.
Was ist angenehmer: Vor einem Bildschirm oder vor Publikum aufzutreten?
Basler: Der Bildschirm motzt nicht, wenn man ihn anspuckt – und steckt sich dann auch nicht an.
Kuhn: Der Bildschirm ist aber extrem schlecht, weil er kein Feedback gibt. Vom Publikum kommt viel Interaktion zurück.
Basler: Auf der Bühne können wir spezifischer auf das Publikum eingehen, das Sprechtempo anpassen. Im Bernbiet brauchen wir mit unserem Programmeine Viertelstunde länger als in der Ostschweiz.
Kuhn: Aber es soll sich jetzt niemand deswegen verletzt fühlen. Wir machen das gern.
Haben Sie in den letzten beiden Jahren nur zertifizierte Menschen getroffen?
Basler: Bei mir mussten alle das Zertifikat zeigen. Nein, Quatsch! Wir haben uns beide Anfang November 2020 – als die Delta-Variante aufkam – mit Corona angesteckt. Wir mussten zwar nicht ins Spital, haben aber beide stark gelitten. Wir lagen ein paar Wochen flach. Danach waren wir recht easy drauf, weil wir dachten, jetzt sind wir eh immun. Was man aber nicht vergessen darf, ist: Long Covid. Ich leide noch immer darunter und habe Probleme mit Gelenken und Muskeln. Manchmal habe ich sogar Kurzzeitgedächtnis-Lücken oder Wortfindungsstörungen. Aber andere hat es viel schlimmer erwischt, ich will nicht jammern.
Kuhn: Auch mein Leben hat sich seit der Ansteckung stark verändert. Ich muss viel mehr schlafen und habe gemerkt, dass ich nicht mehr alles in einen Tag reinbringe. Das ist mühsam und schwierig zu akzeptieren.
Homeoffice, Booster, Videocall – warum sind so viele Coronabegriffe englisch?
Kuhn: Also Hamsterkauf ist nicht englisch. Nein, ich glaube, das ist wegen der Anglophilie.
Basler: Ja, ist doch normal.
Kuhn: Wär komischer, wenns Russisch wär.
Basler: Wer weiss, vielleicht bekommt die neue Variante einen russischen Namen.
Kuhn: Was lustig ist: Putsch ist ja Schweizerdeutsch. Das einzige schweizerdeutsche Wort, das international gebraucht wird.
Basler: Nicht das einzige: Es gibt ja auch noch Müsli! Und das Homeoffice können wir ja nicht einfach «Heimarbeit» nennen, das ist schon besetzt. Aus dem 17. Jahrhundert. Das wäre ein bisschen missverständlich.
Kuhn: Was auch lustig ist: Public Viewing. Dieser Ausdruck wird ja wirklich nur in der Schweiz im Zusammenhang mit Fussball gebraucht. Im englischsprachigen Raum heisst das eigentlich, dass eine verstorbene Person aufgebahrt wird.
Basler: Passt ja doch auch zum Schweizer Fussball.
Kuhn: Stimmt!
Basler: Wobei: Seit – wahrscheinlich des Klimawandels wegen – der Sommer hält und hält und hält, kann man sogar wieder Schweizer Fussball schauen. Ausser er findet in Katar statt. Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte.
Abstand zu Ihren Mitmenschen?
Basler: Fast immer! Nein, natürlich nicht, wenn eine Person hot ist. Ich bin tendenziell eher ein übergriffiger Mensch. Ich machs nicht absichtlich, es ist mir aber während der Pandemie aufgefallen, dass ich manchmal zu nah dran war an anderen.
Kuhn: Ich mag Nähe zu den Menschen. Aber ich will aussuchen können, ob ich die Nähe zulasse oder nicht. Wenn ich irgendwo in einem Laden am Regal stehe und etwas suche, und dann greifen dir einer links und einer rechts überkreuz vorne rein, finde ich das inzwischen schon fast obszön.
Welcher Satz von einem Politiker ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?
Kuhn: «Wir können Corona» – mit dem Akzent von Alain Berset. Er verkörpert die Pandemie wie keine andere Person in der Schweiz.
Basler: «Das muss noch in die Vernehmlassung.»
Und jetzt, ist Corona vorbei?
Kuhn: Idealerweise ja.
Basler: Wir hoffen einfach, dass wir uns nach Delta und Omikron nicht noch mit radioaktiven Gammastrahlen beschäftigen müssen.
Kuhn: Das ist jetzt aber sehr zynisch.
Basler: Das ist so. Ich fasse jetzt Holz an: Es wäre schön, wenn diese aktuelle Durchseuchung Immunität bringen würde. Leider zeigen die Zahlen aus der Wissenschaft etwas anderes. Die Hoffnung stirbt erst mit Omega.
Mitarbeit: Lynn Scheurer