Von 40 Jahren Diplomatie sind 70 Fliegen übrig geblieben. «Einige habe ich schon aussortiert», sagt Paul Seger (65). Er braucht 30 Sekunden, um sich eine zu binden – ohne Spiegel! Seine Frau Colette Seger (63) muss sie nur noch ein bisschen richten. «Das ist die Bundesratsfliege», sagt er. Eine rote mit weissen Punkten. «Die habe ich immer getragen, wenn ich Besuch vom Bundesrat hatte.» Alle waren da – ausser Ueli Maurer.
Die vergangenen fünf Jahre war Paul Seger Botschafter in Berlin. Eine herausfordernde Zeit. Die Coronakrise und die bilateralen Beziehungen zur EU haben ihm einiges abverlangt. Und zuletzt vor allem der Krieg in der Ukraine: «Als die Schweiz sich weigerte, Munition für den Gepard-Panzer nach Deutschland zu liefern, ist Kritik auf die Schweiz und auf mich eingeprasselt. Da musste ich viel erklären.»
Es wird der 18. Umzug
Nun hört der Mann mit der Fliege auf. Seit Ende vergangenen Jahres ist er pensioniert und mit seiner Frau und Hund Kari (3) zurück in ihrer Basler Heimat. Momentan lebt das Ehepaar in einer Wohnung in Binningen BL. In den nächsten Tagen ziehen sie in ihre neue Eigentumswohnung in Arlesheim BL. «Unser Hobby ist Zügeln», sagt er. Es wird das 18. Mal sein, dass sie zusammen umziehen. «Wir haben uns überlegt, wo wir den Rest unseres Lebens verbringen wollen, und uns bewusst für Basel entschieden», sagt Seger. «Hier funktioniert einfach alles.»
«Es war definitiv nicht Liebe auf den ersten Blick»
Das Paar lebte bereits im Kongo, in Argentinien, Myanmar oder New York, bevor Paul Seger vor fünf Jahren in die deutsche Hauptstadt berufen wurde. Doch wo ist ihre Heimat wirklich? «Ich glaube, dazu zählen mehrere Orte auf der Welt», sagt Colette Seger. Ihr hat es vor allem in New York gut gefallen, ihm in Myanmar. «Aber unsere Wurzeln sind in Basel. Und Wurzeln sind wichtig.»
Hier hat sich das Paar 1980 kennengelernt – an der Fasnacht! «Es war definitiv nicht Liebe auf den ersten Blick», sagt sie. Beide waren in der gleichen Clique. Er spielte Trommel, sie Piccolo. «Ich fand ihn zu laut und zu politisch.» Später hats trotzdem gefunkt, und sechs Jahre danach haben sie geheiratet. An der Fasnacht! «Nach dem Morgestraich gingen wir um 8.30 Uhr zum Standesamt.» Er als Braut, sie als Bräutigam. Für die Trauung mussten sie ihre Kostüme ausziehen. «Weil heiraten ja so etwas Ernstes ist», sagt Colette und lacht.
Paul und Colette Seger sind ein gut eingespieltes Team. «Und ich muss ihr wirklich ein Kränzchen winden. Ohne meine Frau hätte ich das alles nicht geschafft.» Während er sich auf seine Arbeit in den Botschaften stürzen konnte, hat sie sich um die inzwischen erwachsenen Söhne gekümmert. «Das war nicht immer einfach. Etwa als wir in Argentinien angekommen sind. Er ging zur Arbeit und ich sass in einem grauenhaften Hotel mit zwei kleinen Kindern – ohne ein Wort Spanisch zu sprechen. Aber trotzdem hats mir immer wahnsinnig gut gefallen.»
Das Leben in der Diplomatie ist durchgetaktet. Oft sind die Tage von neun Uhr morgens bis zehn Uhr abends voll mit Terminen im Halbstundenrhythmus. Bis zu 100 Veranstaltungen pro Jahr haben die Segers in Berlin ausgerichtet. «Ich kenne dazu einen guten Witz: Ein Soldat lässt sein Leben für sein Land. Ein Diplomat lässt seine Leber für sein Land», sagt Paul Seger.
Das Geheimnis ihrer glücklichen Ehe
Was das Leben nach der Pension in der alten Heimat bringen wird, wissen Paul und Colette Seger noch nicht. «Aber ich wusste immer: Es gibt auch noch ein Leben nach dem EDA», sagt der Jurist. «Wir haben zum Glück gute Freunde hier und auch einen Teil der Familie», ergänzt sie. «Ich freue mich darauf, Zeit mit Colette zu verbringen und die Schweiz zu entdecken ohne irgendwelche Verpflichtungen.» Das Geheimnis ihrer glücklichen Ehe auf fünf Kontinenten: «Getrennte Bäder und getrennte Schlafzimmer», verrät er und lacht.
Seinen Job habe er immer mit Leib und Seele gemacht, sagt Paul Seger. Aber: «Ich freue mich auch darauf, jetzt ein bisschen undiplomatischer sein zu dürfen.» Seine Frau kann da nur lachen. «Wenn die wüssten, wie du zu Hause bist!»