Pepe Lienhards emotionale Hommage an Udo Jürgens

Neugierig neigt Giraffendame Paula ihren langen Hals hinab zum unerwarteten Besuch im Stall: Pepe Lienhard (78) und seine Frau Christine (54). Der Geruch des feinen Waffelbrots, das diese ihr entgegenstrecken, macht sie gluschtig. Pepe strahlt übers ganze Gesicht. Der Besuch im Berliner Zoo ist für ihn ein Must – Weltpremiere hin oder her! «Das mache ich in jeder grösseren Stadt», sagt der Bandleader aus Frauenfeld TG: «Ich freue mich, hier in Berlin alte Freunde zu treffen und Neues über die Tiere zu erfahren. Das entspannt und öffnet eine ganz neue Welt.»

Der Schweizer Musiker, der mit seinen Ensembles mehr als ein halbes Jahrhundert die ganze Welt bereist hat, nimmt den Tourstress heute gelassen. Denn einerseits haben er und seine langjährigen Musiker über die Jahre eine so hohe Professionalität entwickelt, dass Abläufe automatisiert sind und es vor den Aufführungen kaum noch Probearbeit braucht. Andererseits hat Pepe nun auch oft seine geliebte Frau dabei. «Christine schaut gut zu mir und nimmt mir viel organisatorischen Kram ab.»

So gönnt Pepe sich mit ihr am Vorabend der Weltpremiere einen Abendbummel durchs nächtliche Berlin. Beim Verveine-Tee im trendigen Café Einstein am Kurfürstendamm erzählt Pepe, warum diese Stadt für ihn eine besondere Bedeutung hat: «Die Idee, ein Alphorn in mein Sextett einzubauen, entstand Anfang der 1970er-Jahre an der Funkausstellung in Berlin. Vor uns spielte ein Alphornist mit etwas beschränktem Talent. Da fragte Mostafa, unser damaliger Trompeter und Posaunist, ob er es mal probieren dürfe. Er blies das Alphorn so gut und speziell, dass alle überzeugt waren: Das Alphorn bauen wir ab sofort in unsere Show ein! Ein paar Jahre später entstand dann der Song ‹Swiss Lady›.»

Dieses Jahr hat Berlin für Pepe Lienhard aber nochmals eine ganz andere Bedeutung. Denn hier in der deutschen Hauptstadt feiert der Schweizer Musiker die Premiere der neuen Show «Da Capo Udo Jürgens», die ihn auf der Bühne wieder mit jenem Musiker vereint, mit dem er die grössten Erfolge gefeiert hat, dem er viel verdankt und mit dem ihn zuletzt eine innige Freundschaft verband: Udo Jürgens (†80).

Zehn Jahre nach seinem plötzlichen Tod in Münsterlingen TG ist der legendäre deutsche Entertainer wieder zu sehen, wie er seine grossen Hits singt: «Ein ehrenwertes Haus», «Immer wieder geht die Sonne auf», «Mit 66 Jahren» und viele andere mehr. Auf dieser Tour allerdings von einem überdimensionalen LED-Screen – in einem clever und aufwendig produzierten Zusammenschnitt seiner besten Livekonzert-Szenen. Pepe und sein 24-köpfiges Orchester begleiten ihn. Das Ganze wirkt täuschend echt – als stünde Udo live auf der Bühne!

Udo Jürgens' grosses Erbe

Udo Jürgens singt nicht nur, er macht auch kurze, witzige oder nachdenkliche Ansagen, wie er das auch bei seinen Auftritten zu tun pflegte – eine technische und künstlerische Meisterleistung. «Ich habe sofort Ja gesagt, als mich der deutsche Veranstalter Dieter Semmelmann vor drei Jahren für dieses Projekt anfragte», sagt Pepe. «Kurz nach Udos Tod hätte ich das nicht gekonnt. Ich hätte Angst gehabt, dass meine Emotionen zu gross gewesen wären. Aber nun ist es Zeit, Udos musikalisches Erbe weiterzugeben. Das ist eine grosse Aufgabe, an die wir mit viel Respekt herangehen. Udo war ein Perfektionist. Nichts anderes wollen wir mit dieser Show bieten. Das sind wir Udo und seinem grossen Publikum schuldig.»

Die Umsetzung dieses neuen Formats ist selbst für einen erfahrenen Profi wie Pepe Lienhard alles andere als einfach. Jeder Musiker in seiner Band hat einen kleinen elektronischen Taktgeber im Ohr. «Damit können alle synchron mit den Videoaufnahmen spielen», erzählt er. «Den Takt haben wir anhand der Originalvideos einprogrammiert.» Ergänzt wird der musikalische Teil von einem «Master of Ceremonies». Dieser führt durch den Abend und übernimmt auch Sing-parts – in Abwechslung mit der grandiosen Sängerin Dorothea Lorene, ebenfalls eine langjährige Bühnenpartnerin von Udo Jürgens.

Der Aufwand hat sich gelohnt: Als Pepe Lienhard mit seinem Orchester und Udo auf dem grossen Screen «Griechischer Wein» anstimmt, verwandelt sich die Uber-Arena in Berlin in ein Meer von Handylichtern. 17'000 Fans singen mit, Tränen fliessen. Udo lebt!

Entspannen an der Spree

Am nächsten Morgen sind die Zeitungen und Onlineportale voll des Lobes für «Da Capo Udo Jürgens» – und für Pepe Lienhard. John Jürgens (60) Udos Sohn, der mit seiner Schwester Jenny (57) bei der Premiere dabei gewesen ist, sagt in der «Bild»: «Papa wäre stolz, wenn er diese Show sehen würde.»

An der Backstage-Party nach dem Konzert bedankte er sich bei der Crew. «Pepe ist der professionellste Musiker und Bandleader, den ich kenne – und er ist ein zauberhafter Mensch, ein wunderbarer Charakter und ein enger Freund der Familie.» Pepe Lienhard freuts. Noch mehr Freude hat er aber, in der Herbstsonne mit seiner Christine in einem Café an der Spree einen Tee zu trinken. Dort planen sie die nächste Tour-Etappe. Der Besuch im Zoo wird auch dort dazugehören.