Wenn irgendwo eine Kamera klickt, ist Trevor nicht weit. Der knapp zehnjährige Mops von Philipp Fankhauser (59) liebt Aufmerksamkeit und posiert wie ein Profi. Wenn er mal nicht mit auf ein Bild soll, muss er mit einem Leckerli abgelenkt werden. Philipp holt eines aus einer Küchenschublade und muss sich beim Aufrichten abstützen. «Hie und da verschlägts mir schon noch den Schnauf, oder mir wird schwindlig», sagt er. «Aber kein Vergleich zu vorher. Meine Werte steigen täglich.»
Die Werte geben die Anzahl der lebenswichtigen roten Blutkörperchen in Fankhausers Blut an. Seine eigenen Stammzellen waren wegen der Krankheit namens Myelofibrose nicht in der Lage, diese herzustellen – was auf die Dauer einem Todesurteil gleichkommt. Vergangenen Juli wurde deshalb sein krankes Erbgut durch das eines Stammzellspenders ersetzt. Dass die Blutwerte in Philipps Körper steigen, bedeutet, dass die Transplantation erfolgreich war und der Körper des Musikers wieder selbst rote Blutkörperchen herstellen kann. «Dank Jack!», sagt Fankhauser mit einem feinen Lächeln.
Zwei Blutgruppen im Körper
«Jack» nennt Philipp den Stammzellspender, einen jungen Mann Mitte 20. Viel mehr weiss er nicht über ihn. Nur, dass ein Grossteil von dessen DNA mit seiner eigenen kompatibel ist. Die Blutgruppe hingegen ist nicht die gleiche. «Ich habe jetzt zwei Blutgruppen. Seine, A, und meine eigene, Null.» Ausserdem hege er den Verdacht, Jack könnte Vegetarier sein, scherzt Fankhauser. Denn: «Seit er bei mir ist, habe ich kaum mehr Lust auf Fleisch.»
Lachen und scherzen – danach war Philipp lange nicht zumute. Denn seit seiner Kindheit schränken die Folgen eines Morbus Bechterew, einer rheumatischen Erkrankung, seine Beweglichkeit ein. Dazu kommen Sauerstoffmangel und ständige Müdigkeit, schliesslich die Diagnose der Myelofibrose und die Ansage, dass er ohne Behandlung noch gut zwei Jahre zu leben habe. Gepaart mit der sprichwörtlichen Schwere eines Blues-Musikers geht ihm durch den Kopf: «Vielleicht nehm ich diese zwei Jahre. So muss ich wenigstens nicht erleben, wenn Trevor stirbt.» Denn der Mops, so Philipp, ist sein Ein und Alles.
Der Gedanke bleibt ein Anflug von Schwermut. Vergangenen Sommer unterzieht sich Philipp Fankhauser der Behandlung, verbringt fünf Wochen in Isolation im Zürcher Unispital, worüber er unter anderem in seiner Kolumne «Fankhausers Blues» in der Schweizer Illustrierten schreibt. Danach die wochenlange Quarantäne zu Hause. Er verlässt seine Wohnung nur für den wöchentlichen Arztbesuch, bis vor Kurzem erhält er jede Woche Bluttransfusionen. Seit vier Monaten gehts ohne. Das Erbgut seines Spenders hat seinen Körper angenommen. «Ich muss noch vier, fünf Pillen pro Tag schlucken, das ist alles.» Kürzlich war er erstmals wieder für eine Stunde in einer Bar. «Danach war ich fix und fertig. Es gibt noch Luft nach oben.»
«Ich zähle aufsAdrenalin, daszuschlägt, sobald ichdie Bühne betrete»
Philipp Fankhauser über sein Comeback
Alle Impfungen noch mal
Ob ihm da die Aussicht, wieder regelmässig gut zwei Stunden lang auf der Bühne zu performen, keine Sorgen bereitet? «Überhaupt nicht», winkt Fankhauser ab. «Ich zähle aufs Adrenalin, das zuschlägt, sobald ich die Bühne betrete. Zur Not habe ich einen Barhocker, auf den ich mich setzen kann. Zudem muss ich ja irgendwann wieder arbeiten, zu Hause war ich jetzt lange genug.» Am 21. Februar, dem Tag nach seinem Geburtstag, steht er bei einer «Soirée Fankhauser» in der Mühle Hunziken erstmals wieder auf der Bühne. Am 1. März startet seine «Three Times Twenty»-Tour. Der Titel ist eine Anspielung auf sein Alter.
Besonders toll findet er den Gedanken daran, 60 zu werden, nicht. «Jung ist man definitiv nicht mehr.» Dabei ist er gerade so gesund wie noch nie im Leben. Denn der Austausch seines Erbguts bedeutet auch, dass er vom Morbus Bechterew geheilt ist. «Dessen Folgen, die Versteifung der Gelenke, sind zwar noch da. Aber die chronische Entzündung ist weg.» Ebenfalls weg ist allerdings auch der Schutz aller Impfungen, die Philipp je erhalten hat. «Ich muss alle wiederholen. Ausgerechnet ich Spritzenphobiker!» Um dem Ganzen noch mehr Positives abzugewinnen, habe er beschlossen, seinen Geburtstag fortan im Juli zu feiern, eben dann, als «Jack» zu ihm stiess. «Das macht mich wesentlich jünger. Ich hoffe, meinen Zwanzigsten noch zu erleben», flachst Philipp.
Ein Sündenbock auf Lebzeiten«Aber im Ernst: Mir wurde ein zweites Leben geschenkt. Ich bin mir bewusst, dass ich diesem etwas schulde.» Nicht, dass er sich fortan von grünen Smoothies ernähren (auch wenn er im letzten Jahr tatsächlich 20 Kilo abgenommen hat) oder sich keine Zigarette nach dem Konzert mehr gönnen würde. «Jacks DNA in Ehren – ich bin immer noch ich.» Aber die Freude über dieses zweite Leben, die Lust darauf, es zu geniessen, die ist da.
Projekte gibts einige. Zum einen ist sein «Philipp Fankhauser’s Big Easy»-Eistee wieder online erhältlich. Zum anderen gibts in Zusammenarbeit mit der Ostschweizer Firma Kauf bald Herrenhemden von ihm. «Am allermeisten aber freue ich mich darauf, live zu spielen.» Und da hat er künftig einen Joker: «Wenn ich mal einen Ton nicht treffe, wars Jack! Was für ein grossartiger Typ. Er hat nicht nur mein Leben gerettet, er hält auch für den Rest meiner Tage als Sündenbock her. Was will ich mehr?»