Dank Instagram auf dem Erfolgstrip

Ein paar kleine Änderungen nimmt Moira Musio, 30, noch an ihrem neusten abstrakten Werk vor. Dann wird der Kombination aus Spray- und Acryl- Kunst ein Finish mit einem Glitzerspray verpasst. «Zeigen, wie es entstanden ist, kann ich euch leider nicht», meint sie mit einem frechen Grinsen. Denn «gemalt» hat sie es mit ihrem nackten Körper, bevor die Verfeinerungen dazukamen, von Hand. «Ich male selten mit Pinsel. Ich besitze nur vier oder fünf davon», sagt die Künstlerin.

Nicht nur in Moiras Atelier in Glattbrugg ZH geht es gerade ziemlich bunt zu und her, sondern auch in ihrem Leben. Einer Kollaboration mit dem Juwelier Bucherer mit Vernissage in Paris folgen Ausstellungen in Dubai, München («Ich stelle am Oktoberfest aus!»), auf dem Zürcher Uetlibergturm, sowie ein Pop-up in Genf. Und in die mittlerweile beachtliche Liste von nationalen und internationalen Bekanntheiten, die ihre Kunst kaufen, hat sich gerade ein Idol aus Moiras Kindheit eingereiht. «Ich möchte nicht mit diesen Namen plagieren», sagt die Zürcherin mit italienischen Wurzeln. Nur so viel: «Es ist ein Musiker. Und ich werde ihn vielleicht sogar treffen. Ist das nicht aufregend?», sagt sie mit einem entwaffnenden Kleine-Mädchen- Strahlen.

Für Moira Musio fühlt er sich an wie ein Traum, der Weg vom «komischen Kind» zur gefragten Künstlerin. Ihre Schulnoten sind bescheiden, ausser im Zeichnen. «Schade, hat man damals nur meine Defizite gesehen, statt meine Talente zu fördern», sagt sie. Freundinnen hat sie wenige. «Ich erinnere mich sogar an eine meiner Geburtstagspartys, an der alle Gäste im Wohnzimmer feierten, während ich in meinem Zimmer malte.» Hund Bricco, den ihr die Eltern zum zehnten Geburtstag schenken, wird Moiras bester Freund. «Ich habe ihm alles anvertraut, was mich beschäftigte.» Ansonsten verläuft Moiras Leben normal: Lehre im Detailhandel, danach ein Job im Marketing. Mit dem Zeichnen hört sie im Teenageralter auf. Warum, weiss sie nicht genau.

Dann, vor vier Jahren, stirbt Bricco. Der Tod ihres tierischen Wegbegleiters erschüttert Moiras Welt. Sie kündigt ihren Job und ihre Wohnung, zieht zu ihren Eltern nach Bülach ZH, wo sie aufgewachsen ist. Und fängt wieder an zu zeichnen. Das erste Bild, ein Micky-Maus-Kopf mit Farbverlauf, stellt sie auf Instagram. Und wird prompt gefragt, ob es zu haben ist. So verkauft sie drei, vier Bilder. Schliesslich meldet sich der Zürcher Klub Vior bei Moira mit dem Angebot einer Ausstellung. Sie ist unsicher. «Kommt da überhaupt jemand? Mache ich mich lächerlich?» Sie schaut auf ihr Handy, es ist 9.42 Uhr. Im Science-Fiction-Klassiker «Per Anhalter durch die Galaxis» ist 42 die Antwort auf alles. Die Antwort ist: «Warum eigentlich nicht?»

15 Bilder stellt Moira Musio im «Vior» aus. Und verkauft alle. Mit dem verdienten Geld macht sie sich selbstständig. Ohne Businessplan. «Überhaupt ohne Plan», sagt sie grinsend. Es folgt eine zweite Ausstellung in einem Zermatter Hotel, dann in der Zürcher Fame Gallery. Schliesslich werden bekannte Marken auf die Zürcherin aufmerk- sam, sie arbeitet mit klingenden Namen wie Rolex, Panerai, Bulgari, Mont-blanc oder Porsche, stellt in deren Räumlichkeiten aus, malt an Veranstaltungen oder auf Auftrag. Dabei entwickelt sie sich auch künstlerisch weiter, geht immer mehr ins Abstrakte, auch weil sie weiss, dass sie sich mit dem Zeichnen der geschützten Disney-Figuren in einer Grauzone bewegt. Obwohl sie sagt: «Kunst darf eigentlich alles.»

Wie sich Moira ihren Erfolg erklärt? «Ich habe keine Ahnung.» Für ihre Kunden hat ihre Persönlichkeit genauso viel damit zu tun wie ihre Kunst. «Moira trifft den Puls der Zeit», sagt Nicolas Kunz, Marketing-Leiter von Porsche bei Amag First Zürich. «Aber sie ist auch einfach eine aufgestellte, offene Person.» Für Moira ist klar: Das Wichtigste ist, sie selbst zu sein. «Ich habe keine Vorstellung davon, was wann passieren muss im Leben.» Auch wenn sie gern irgendwann eine eigene Familie hätte. «Wenn der Zeitpunkt passt, wirds passieren. Wenn nicht, kommt irgendetwas anderes.»