Die Residenz des US-Botschafters in Bern liegt eingebettet zwischen Sicherheitszäunen, Gärten und Brunnen. Ed McMullen, 55, nimmt mit drei Metern Abstand auf der Terrasse Platz.
Herr Botschafter, wie erleben Sie den Lockdown?
Ich bin leider allein zu Hause, meine Frau und die Kinder sind in Amerika. Aber es gibt ohnehin sehr viel zu tun.
Was beschäftigt Sie am meisten?
Wir stehen dauernd in Kontakt mit Regierungen und Unternehmen. Wir informieren US-Firmen, wie sie weiterhin in und mit der Schweiz arbeiten können, und wir stehen in engem Kontakt mit Schweizer Herstellern von Schutzanzügen und Masken. Wir pflegen zudem Kontakt zu Pharmaunternehmen, wenn es um die Herstellung von Impfungen, Medikamenten oder Test-Equipment geht. Die Zusammenarbeit läuft fantastisch.
Und wenn Sie einmal frei haben?
Ich wandere durchs Berner Oberland und Emmental. Da gibt es abgelegene Orte, wo momentan niemand hingeht.
In New York werden Corona-Opfer derweil in Massengräbern beerdigt. Was lösen die Bilder bei Ihnen aus?
Todesfälle sind immer schlimm. Die Situation in New York ist aber anders, als es die Medien darstellen. Den Menschen werde schnell und gut geholfen, sagen mir Freunde und Familie.
Sehr viele brauchen Hilfe: Die USA verzeichnen mehr als eine halbe Million Infizierte und mehr als 26'000 Tote. So viele wie niemand sonst.
Wir testen intensiver als andere, das ergibt hohe Infektionszahlen. Wichtiger ist das Verhältnis der Todesfälle zur Gesamtbevölkerung, das ist sehr viel tiefer als in den meisten europäischen Ländern. Hoffen wir, dass das so bleibt!
US-Präsident Donald Trump hat am 16. März Richtlinien zu Social Distancing herausgegeben. Zu spät?
Präsident Trump handelt nach Rat der weltbesten Gesundheitsberater. Die abflachenden Infektionszahlen zeigen, dass seine Massnahmen greifen.
Sie würden wohl noch mehr greifen, wenn er sie früher lanciert hätte.
Der Präsident stoppte im Januar als einer der Ersten Einreisen aus China. Egal, wie früh er handelt, er wird dafür kritisiert. Es gibt keinen «perfekten Umgang» mit dem Virus.
16 Millionen Amerikaner verloren ihren Job. Beunruhigt Sie das?
Vor Corona waren die USA und die Schweiz wirtschaftlich gut aufgestellt. Sie werden sich wahrscheinlich schneller erholen als andere. Sobald sich alles normalisiert, finden Amerikaner wieder Jobs. In der Zwischenzeit hilft ein billionenschweres Hilfspaket.
Bereits Ende Januar erklärte die Weltgesundheitsorganisation die «gesundheitliche Notlage». Trotzdem wirft Trump der WHO Vertuschung von Informationen vor – und stellt deswegen Zahlungen an die WHO ein. Sucht er einen Schuldigen für eigene Versäumnisse?
Als der bei Weitem grösste Geldgeber sind die Vereinigten Staaten verpflichtet, die WHO zur Rechenschaft zu ziehen für ihr Versäumnis, Informationen weiterzugeben, die weltweit hätten Leben retten können.
Lange machte der Präsident den Eindruck, die Krise nicht ernst zu nehmen. Im Februar sagte er, das Virus verschwinde hoffentlich, wenn es wärmer wird – ohne Evidenzen dafür zu haben!
Der Präsident gab die damaligen Einschätzungen medizinischer Experten wieder, und noch immer argumentieren einige Forscher, das Virus verschwinde im Laufe des Sommers.
… oder dass er Einschränkungen schon an Ostern lockern möchte – zu früh, sagen Experten!
Eine Pandemie verwirrt, Informationen ändern sich laufend. Der Präsident hat ja dann die Massnahmen über Ostern hinaus verlängert. Was zählt, sind Resultate wie eine niedrige Sterberate.
Wie erleben Sie die Schweiz in der Corona-Krise?
Sie handelt vorbildlich, der Bundesrat kommuniziert transparent. Zudem begeistert mich das Schweizer Spitalwesen, es ist eins der besten.
Stimmt es, dass Sie Ende Jahr den Botschafter-Posten abgeben?
Da geschah wohl ein Übersetzungsfehler. Wir wissen es noch nicht. Meine Familie und ich lieben die Zeit in der Schweiz, wir arbeiten noch an Projekten.