Als Marion Daube zwölf Jahre alt ist, hört sie mit dem Fussball auf, weil sie mit ihren Schulkollegen im Verein zwar trainieren darf, aber nicht spielen. Erst im Studium entdeckt sie den Sport wieder, untersucht das Potenzial des Mädchen- und Frauenfussballs und organisiert daraufhin Camps in ganz Deutschland. 20 Jahre später holt sie die EM 2025 in die Schweiz und soll nun als Direktorin beim SFV den Frauenfussball voranbringen.
Marion Daube, Sie wünschen sich für die Frauen-EM 2025 ein Fest wie bei der Männer-EM 2008. Waren Sie damals dabei?
Marion Daube: Ja, ich war in Bern und habe das orangene Meer der Holland-Fans gesehen. Die Stimmung war beeindruckend. Es hat einen gepackt, ob man wollte oder nicht. Dieses positive Erlebnis und diese Aufmerksamkeit sind für den Frauenfussball wichtig.
Auch die Euphorie an der Frauen-EM in England vergangenes Jahr war riesig. Wie schafft man es, dass es hier auch so wird?
Jede Stadt wird ihr eigenes Organisationskomitee haben. Dieses weiss am besten, welche Orte gut besucht werden, touristisch attraktiv sind. Und natürlich ist es das Ziel, die Stadien vollzukriegen. Der Vorteil ist, dass wir mitten in Europa liegen. Gerade was den Frauenfussball anbelangt, sind Nachbarländer wie Deutschland, Frankreich oder Italien sehr weit fortgeschritten. Wir gehen davon aus, dass das Interesse von ausländischen Gästen sehr gross ist. Aber wir wollen vor allem auch die eigenen Fans mitreissen.
Viele Spielerinnen des Nationalteams sind in den besten Ligen der Welt unter Vertrag – England, Spanien, Deutschland, Frankreich. Die eigene Women’s Super League hinkt bei der Attraktivität hinterher. Wo müssen Sie ansetzen?
Puh, ich weiss nicht, ob die Zeit hier reicht (lacht). Es gibt so viele Bereiche. Wir müssen schon beim Kinderfussball schauen, dass die Mädchen Zugang haben. Bei den Jungs herrscht oft ein Aufnahmestopp, wie sollen die Mädchen dann überhaupt Platz in den Klubs finden? Wir müssen die Thematik strategisch langfristig angehen. Mit der EM im eigenen Land erhoffen wir uns mehr Sensibilisierung bei allen und noch mehr Mitarbeit der Städte und Kantone. Das schaffe ich nicht alleine. Aber wir haben beim SFV viele Spezialisten, gerade in der Entwicklung des Kinderfussballs.
Was wäre denn ein Weg, dass mehr Mädchen in die Klubs kommen?
Ich bin kein Fan von immer nur Quote. Aber theoretisch könnte man sagen: Für die neue Saison haben gleich viele Mädchen wie Jungen Zugang zu diesen Klubs. Das erhöht vielleicht hier die Warteliste und da die Zugangschancen. Zudem haben wir bei den Fussballcamps gemerkt, dass sich Mädchen untereinander wohler fühlen, gerade für den Einstieg. Es gibt aber auch jene, die Leistung und einfach mit den Besten spielen wollen, ob Jungs oder Mädchen. Da muss man Rücksicht drauf nehmen.
Und schafft man neue Infrastrukturen, gibts auch mehr Platz für alle.
Ja, und das betrifft nicht nur den Nachwuchs, sondern auch den Breitenfussball. Wenn nun mit so einem Turnier ein Boom kommt, sagen vielleicht auch die Städte und Regionen, die das immer aufgeschoben oder andere Prioritäten gesetzt haben: Okay, wir bauen diese zweite Garderobe oder noch einen Kunstrasenplatz. Das Ziel ist zudem, mehr Trainerinnen und Trainer auszubilden.
Und was ist an der Spitze zu tun?
Die Klubs attraktiver machen. Ich war selbst 13 Jahre lang beim FC Zürich für die Frauen zuständig und habe schon einen Wandel mitgemacht. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren hat sich sicher noch zu wenig getan. Aber selbst wenn man den Männerfussball in der Schweiz realistisch betrachtet, zieht es die meisten irgendwann ins Ausland. Das werden wir wohl auch bei den Frauen nicht ändern, aber wir müssen kompetitiv bleiben, uns für die Champions League und die grossen Turniere qualifizieren, damit die Mädchen Vorbilder haben. Das haben sie aktuell mit unseren Nati-Spielerinnen. Ob die nun in einem Klub im Ausland spielen oder nicht, ist nicht zwingend von Belang. Es geht darum, dass sie sich identifizieren und sehen, was sie mit dem Sport alles erreichen können.
Ist der FC Zürich der Vorzeigeverein im Frauenfussball?
Er war es sicher lange, aber in den vergangenen Jahren haben andere nachgezogen, etwa Servette, Bern oder GC mit Lara Dickenmann als General-Managerin. Die Strukturen sind sehr unterschiedlich entwickelt. Früher beim FCZ waren wir aufgeteilt, die Profis haben in der Brunau, der Nachwuchs und die Frauen im Heerenschürli trainiert. Die Büros waren in der Stadt. So wars schwierig, sich abzustimmen oder einen Spirit zu schaffen. Durch das neue Gebäude im Heerenschürli sind sie zusammengerückt, und das spürt man. Vom Gefühl her ist das professioneller, nun ist die ganze Familie zusammen, und das macht viel aus.
Wie waren denn die Anfänge?
Ich habe mich ehrenamtlich beim SV Seebach engagiert, den heutigen FCZ Frauen. Ich weiss gar nicht, ob man das heute noch sagen will (lacht): Ich hab schon die Zeiten miterlebt, in denen man in der ersten Mannschaft im Bus an den Match fast noch bezahlen musste, um mitfahren zu dürfen. Sachen, die heute selbstverständlich sind.
Trotz allen Entwicklungen gibts auch heute noch Kritik. Wo haperts?
Was noch ein Manko ist, auch wenn ich es ungern sage: Es engagieren sich zu wenig Frauen nach ihrer Karriere selber in ihrer Sportart. Manchmal kann man diese Unzufriedenheit nur selber ändern, wenn man sich engagiert. Und es sind ganz viele Themen auf ganz wenige Personen abgestützt. Ich war Projektleiterin für die EM-Kandidatur, habe dann die Stelle als Direktorin des SFV übernommen. Viele meiner neuen Aufgaben mussten während der Kandidatur hinten anstehen, das ist schon unbefriedigend. Im Frauenfussball herrschen ein enormer Druck und eine Überbelastung. Das merkt man bei Funktionärinnen und Spielerinnen, die neben dem Sport arbeiten.
Ist es denn realistisch, dass in der Women’s Super League bald mehr Spielerinnen die Möglichkeit haben, Profi zu sein?
Man ist ja sehr schnell nicht mehr Amateurin, vom Reglement her kann man ab 501 Franken Lohn diesen Nicht-Amateur-Vertrag ausfüllen. Aber davon kann man in der Schweiz schlecht leben. Es hat sich einiges getan bei Klubs wie Zürich, GC, Servette, Bern, aber die Spielerinnen können davon immer noch nicht leben. Ich finds allerdings auch nicht zwingend, dass sie nur Fussballprofi sein müssen. Die Frauen wollen meistens auch eine gute Ausbildung absolvieren, in ihrem Job bleiben oder parallel studieren und nicht erst mit 30. Aber eine gewisse Entlastung, dass man noch in Teilpensen arbeiten kann und beides besser kombinierbar ist, das ist zurzeit im Ausland eher möglich als bei uns.
Wo befindet sich denn der Schweizer Frauenfussball nun?
Es könnte viel besser sein, aber ich denke, wir sind auf einem guten Weg. Wir spüren zum Beispiel die Auswirkungen davon, dass wir live im Fernsehen kommen, sei es in der Super League, der Champions League oder bei Länderspielen. Das Interesse steigt, und die Leute melden sich. Zu meiner Zeit im Klub sind wir so sogar zu Sponsoren gekommen, sind etwa im Flugzeug angesprochen worden von jemandem, der beeindruckt war von uns. Wichtig ist, dass wir professioneller und sichtbarer werden. Wir müssen Partner und Sponsoren finden. Es ist wie überall: Mit Geld kann man strukturell aufrüsten, was nötig ist, um Verbesserungen zu bewirken.