Und plötzlich ist es still. Als die 1000 Teilnehmer an der Gedenkfahrt von Wetzikon her auf die offene Rennbahn in Oerlikon einbiegen, hört man nur das Surren der Räder und das Klicken der Gangschaltungen. Im Innenraum spuckt eine Maschine Seifenblasen aus und legt eine Decke der Melancholie über den glühenden Asphalt. Der Pulk der Pedaleure bewegt sich wie automatisch zur «Curva Gino», der Startkurve der Betonbahn, auf der schon grosse Geschichten in diesem Sport geschrieben wurden.
Diesmal ist es eine traurige Geschichte – eine tragische. Zwar hat die Familie des verunfallten Rennfahrers eingeladen, um zu «weinen und zu lachen». Aber nach Fröhlichkeit ist an diesem heissen Frühsommertag niemandem zumute. Die Grossen der Schweizer Szene, Fabian Cancellara, Stefan Küng, Marc Hirschi, befestigen Trikots auf der Piste, die sie an den Verunfallten erinnern. Verloren steht hier das blütenweisse Rennrad, das Gino Mäder an seiner Tour-de-France-Premiere hätte benutzen sollen. Es wird keinen einzigen Meter rollen.
Der frühere Radrennfahrer Christian Rocha, ein enger Freund der Familie und langjähriger Weggefährte von Gino, sagt ins Mikrofon, was alle denken: «Eigentlich wollen wir nicht hier sein – und schon gar nicht aus diesem tragischen Grund.» Und dennoch ist es eine würdige und respektvolle Andacht. Freundin Meret lässt einen persönlichen Brief vorlesen: «Gino, dein Koffer steht noch unausgepackt in der Wohnung. Ich warte jeden Moment, dass ich das Quietschen der Bremsen und das Klappern der Veloschuhe höre – wenn du vom Training nach Hause kommst.
Den Zuhörern stockt der Atem, unter den Sonnenbrillen fliessen Tränen. Und spätestens dann denkt jede und jeder im Oval: Weshalb trifft es immer die Falschen? Eine Antwort gibt es nicht.