Mit einem breiten Lachen schreitet Conradin Cramer über den Basler Münsterplatz und winkt Bekannten aus der Ferne zu. Auf Schritt und Tritt wird der Regierungspräsident der Rheinstadt erkannt und gegrüsst. Sein Sakko trägt er der Hitze wegen leger über dem Arm, während sein Kopf rhythmisch zur Musik der Kopfhörer wippt.
Die Freude und gute Laune des 45-Jährigen kommt nicht von ungefähr: Vor wenigen Tagen hat die SRG entschieden, den Eurovision Song Contest in Basel auszutragen. «Dass unser Dossier begeistern konnte, erfüllt mich mit Stolz. Ich gehe davon aus, dass man wirklich gespürt hat, wie motiviert wir alle sind, daraus ein Fest für die ganze Schweiz, die Region und für alle Gäste aus dem Ausland zu machen», sagt er euphorisch. Seine Begeisterung für den musikalischen Grossanlass sei stetig gewachsen.
«Ich war zuvor nicht ESC-vernarrt, sondern habe den Event stets am Rande mitverfolgt. Als ich aber bei Nemo gemerkt habe, dass die Chancen auf einen Sieg gut stehen, hat es mich gepackt.» Früh habe er deswegen seine Absicht, als Gastgeberstadt anzutreten, in einem Tweet mitgeteilt. Und auch im Grossen Rat Basel-Stadt hat sich kurz darauf grosses Interesse abgezeichnet. «Eine Mehrheit war direkt angetan von der Idee, weshalb viele Grossräte eine Resolution zur Unterstützung unterzeichnet hatten.» Daraufhin habe sich auch ein Unterstützungskomitee mit einigen Berühmtheiten gebildet. Darunter das Architekten-Duo Herzog & de Meuron, Sängerin Anna Rossinelli oder Fussballer Marco Streller.
Grosse Chance für die Schweiz
Entspannt blickt Cramer beim Gang durch «seine Stadt» von der Pfalz herab und sinniert: «Wir sind die Perle im Dreiländereck. Das Münster habe ich im Rücken. Es steht für Kultur, Geschichte und Tradition. Die Roche-Türme habe ich im Blick, die für Innovation und eine starke Wirtschaft sprechen, und gleichzeitig sehe ich den Rhein, der das Tor zur Welt ist. Während des ESC können wir uns als Weltstadt präsentieren, in der alles in Gehdistanz zu erreichen ist. Das ist doch fantastisch!»
Bei der gemütlichen Fahrt mit der Rheinfähre hinüber ans Ufer von Kleinbasel rufen immer wieder Schwim- mer ihrem Präsidenten zu. «Ihnen im Wasser geht es deutlich besser als mir hier im Anzug an der prallen Sonne», scherzt Cramer. Doch die Schweissperlen könnten auch sinnbildlich für die kommenden Monate stehen, denn «Mai ist schon übermorgen. Es warten intensive Monate auf uns.»
Die Vorbereitungen für den grössten Musikwettbewerb der Welt sind in vollem Gange. Während sich der LDP-Politiker parlamentarischen Verpflichtungen widmet, kümmert sich ein ganzes Team um Organisatorisches. Insgesamt sind rund 35 Millionen Franken für die Durchführung des Grossanlasses vorgesehen. «Studien belegen, dass das eine Investition in die Zukunft ist», erklärt Cramer und führt aus: «Wir orientieren uns an diesen Studien und rechnen damit, dass über einen längeren Zeitraum das Dreifache an Wertschöpfung zu erwarten ist.»
In der ganzen Vorbereitung steht ein Thema besonders im Fokus: die Sicherheit. «Angst vor Terror oder Unsicherheit habe ich nicht. Sowohl Basel als auch die ganze Schweiz haben bewiesen, dass wir Veranstaltungen von internationaler Bedeutung auf höchstem Niveau durchführen können.»
Cramer will den Grundgedanken des ESC in Erinnerung rufen. Es sei eine völkerverbindende Veranstaltung und der Spiegel europäischer Diversität. «Während die Weltlage angespannt ist, dürfen wir uns mit der Organisation eines bunten, fröhlichen Events beschäftigen. Auch das ist wichtig.» Deswegen soll das Mega-Projekt ein Anlass für Jung und Alt werden, der über die TV-Show hinausgeht. Dem «Lokalpatrioten» ist wichtig, ein umfangreiches Programm zusammenzustellen, das auch ohne Ticket genossen werden kann. Dafür werden zahlreiche regionale Musikschaffende einbezogen. «Ich hoffe, dass an solchen Nebenschauplätzen Gäste mit Einheimischen in den Dialog treten und unseren speziellen Humor erfahren. Dieser ist spitz, selbstironisch und vor allem liebevoll – so wie man es von den Schnitzelbängg kennt.»
Cramers Sofa ist besetzt
Allen Bemühungen zum Trotz gibt es auch kritische Stimmen. So will die EDU ein Referendum ergreifen und die Finanzierung des Song-Contests stoppen. «Nach den positiven Rückmeldungen aus der Bevölkerung, die klar überwiegen, mache ich mir keine Sorgen. Sollte es wider Erwarten doch durchkommen, schauen wir weiter. Es ist allerdings kein Plan B, auf den wir uns vorbereiten.» Hinzu kommt Kritik wegen der knappen Unterkunftssituation der Stadt. Zur Verfügung stehen rund 95'000 Betten – grösstenteils bereits ausgebucht –, erwartet werden allerdings rund 500'000 Fans. «Was im ersten Moment erschreckend klingen mag, ist nicht allzu schlimm. Wir haben in der Schweiz kurze Wege und hervorragende ÖV-Anbindungen. Nicht nur Basel, sondern die ganze Schweiz soll vom ESC profitieren. Des Weiteren gibt es auch ennet der Grenzen und bei der Bevölkerung Kapazitäten. Mein Sofa haben bereits zahlreiche Freunde ins Auge gefasst. Sie werden eng zusammenrücken müssen», meint Cramer spitzbübisch. «Allgemein hoffe ich, dass nach der Durchführung auch die kritischen Personen freudig auf die ESC-Zeit zurückblicken.»
Und was, wenn der Schweiz im kommenden Jahr ein Heimsieg gelingt? Cramer winkt ab: «Wir bringen erst mal das über die Bühne. Alles andere wird sich zeigen. Ich darf mich nicht zu weit auf die Äste hinauswagen.»