Roger Schawinski ist wohl das, was man einen Querkopf nennt. Der Journalist hat in der Schweizer Medienlandschaft so viel erreicht, wie nur wenige und sucht seinesgleichen, wenn es darum geht, zu polarisieren.
Neun Jahre lang sass der 74-Jährige wöchentlich ausgesuchten Gästen gegenüber und stach mit seinen Fragen auch mal dahin, wo es richtig weh tut. Unvergessen der Eklat mit dem Politsatiriker Andreas Thiel, 49. Das TV-Gespräch der beiden lief 2014 so sehr dem Ruder, dass sich das SRF zu einer öffentlichen Entschuldigung genötigt sah und eine Rüge vom Ombudsmann kassierte.
Gestern Montag ging die Ära «Schawinski» zu Ende. Die Talkshow fiel dem Sparprogramm des SRF zum Opfer.
Vergleichsweise zahm war Schawi aber bei seiner letzten Sendung. «Heute erwartet mich eine komplett neue Situation, ich habe keine Ahnung, wer meine Gäste sein werden», kündigte ein sichtlich aufgeregter Schawinski zu Beginn an.
Überraschend und gar versöhnlich wurde es dann schon zum Anfang. Als erster Gesprächspartner betrat alt-Bundesrat Moritz Leuenberger das Studio, der während seiner Amtszeit als Medienminister auch immer wieder mit Roger Schawinski aneinander geriet. Corona-konform durch eine Glasscheibe getrennt, begruben die beiden symbolisch das Kriegsbeil. «Danke, dass du hier warst, Moritz», verabschiedete Schawi seinen Gast nach einer angeregten Diskussion über vergangene Zeiten und die aktuelle Coronakrise. «Ich muss dir sagen, du bist heute ein viel netterer Mensch als früher.» Der ehemalige Politiker antwortete schlagfertig: «Das ist nur, weil du jetzt so freundlich bist.»
Als nächste Überraschungskandidatin betrat Katja Stauber das Studio. Die «Tagesschau»-Legende stammt aus der Moderatoren-Schmiede Schawinskis. Stauber begann 1984 ihre Laufbahn als Journalistin bei «Radio 24», das der Medienmogul 1979 gründete. «Ich habe immer noch einen Albtraum von dir», erzählte die 57-Jährige. «Ich bin im Radiostudio. So wie wir es damals in den 80ern hatten, muss eine Livesendung moderieren, habe keine Platten mehr und muss die ganze Zeit reden. Ich bin völlig nervös, weil du hinter der Scheibe stehst und dich wahnsinnig aufregst, weil ich die Schallplatten verhühnert habe.»
Als letzter Gast sass Schawinski der ehemalige CEO von ProSiebenSat1 Media Urs Rohner, 60, gegenüber. Er holte den Schweizer 2003 als Geschäftsführer nach Deutschland zu Sat. 1, wo Schawi bis 2006 als Geschäftsführer amtete.
Ganze neun Jahre, also seit es «Schawinski» gibt, versuchte der Talkmaster seinen ehemaligen Chef in die Sendung zu holen. Dieser fand dann auch sehr lobende Worte für den Medienpionier: «Du hast den Sender, der in einer schwierigen Lage war, wieder herauf gewirtschaftet.»
Nach rund 45 Minuten ging die Ära Schawinski beim SRF zu Ende. Der sonst so bissige Moderator wurde plötzlich ganz emotional. Mit glänzenden Augen bedankte er sich bei seinem Team, bei seinen Gästen und beim Publikum und sagte zum Abschied: «Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, eine gute Woche und ein gutes, weiteres Leben, auch in diesen ganz schwierigen Zeiten.»