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«Mr. Robot» Roland Siegwart

«Ich mache mutige Drohnen»

Der ETH-Professor Roland Siegwart erschafft seit Jahrzehnten neue Roboter. Warum er nun versucht, den Drohnen ihre Scheu zu nehmen und in welchen Situationen der Mensch unersetzlich bleibt.

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Roland Siegwart Roboter und Drohnentechnik Digi Tal ETH Zuerich 2022

«Durch meine Arbeit ist mein Respekt vor der Natur und vor dem Menschen immens gestiegen»: Roland Siegwart in seinem Institut an der ETH.

Geri Born

Im Stockwerk J der ETH in Zürich fühlt man sich wie im Verkehrshaus in Luzern. Doch die Flugobjekte, die hier an der Decke hängen, sind viel kleiner als jene in Luzern. Es ist das Reich von Roland Siegwart, dem «Mr. Robot» der Schweiz. Mit seinem Autonomous Systems Lab arbeitet der 63-jährige Schwyzer an immer neueren Robotern, die fliegen, messen, zeichnen und bohren können – und am Schluss möglichst heil wieder auf dem Boden landen sollen. Angefangen hat alles im Garten der Familie Siegwart.

Waren Sie als Kind ein Tüftler?
Ja, ich bastelte viel. Habe draussen Staudämme gebaut oder versucht, eine Gondel von einem Baum zum anderen zu bringen. 

Gondel und Staudamm funktionieren ja noch ganz mechanisch – jetzt arbeiten Sie mit Robotern und Drohnen …
… aber die Kreativität ist dieselbe! 

Also gibts keinen Unterschied zwischen analog und digital? 
Natürlich bietet die Digitalisierung ganz neue Möglichkeiten. Aber das Ziel bleibt: etwas Neues zu erschaffen, das hoffentlich für die Gesellschaft nützlich ist. Deshalb wurde ich Ingenieur. 

Wie war Ihre Zeit als Student an der ETH?
Im ersten Jahr arbeitete ich mit Lochkarten, das kennt heute niemand mehr. Ende des Studiums kamen die ersten Personal Computer, die PCs, auf den Markt. 

Und woran arbeiten Sie jetzt? 
Wir entwickeln hier Flugroboter – also Drohnen–, die «in Kontakt» fliegen können.

Was heisst das? 
Dass sie zum Beispiel an ein Haus heranfliegen, dort andocken und eine Messung machen oder ein Loch bohren.

Sie sind also weniger scheu als bisherige Drohnen, die allem ausweichen?
Genau. Ich mache mutige Drohnen.

Und wo sollen sie andocken? 
Überall dort, wos für Menschen schwierig oder gefährlich wird. Zum Beispiel bei Brücken, Hochspannungsleitungen oder bei den Rotorblättern von Windturbinen.

Aber jede Drohne ersetzt doch einen Menschen, dessen Job das war? 
Ja, gewisse Jobs wird es aufgrund des technischen Fortschritts nicht mehr geben. Aber ich hoffe, dass die meisten davon Jobs sind, die kein Mensch machen sollte. Ein Beispiel ist die Autoproduktion. 

Was meinen Sie? 
Ein Auto mit Farbe zu bespritzen, ist für Menschen extrem ungesund. Da sind wir doch froh, wenn das vollautomatische Roboter übernehmen. Roboter sollten genau dort zum Einsatz kommen, wo der Mensch nicht arbeiten sollte, weil es ihm schadet. 

Roland Siegwart Roboter und Drohnentechnik Digi Tal ETH Zuerich 2022

Roland Siegwart mit einer seiner kontaktfreudigen Drohnen: «Ein Werkzeug wie jedes andere auch.»

Geri Born

Warum werden Robotern manchmal Augen aufgemalt?
Weil das bei Robotern, die mit Menschen kommunizieren müssen, Sinn macht. «Schaut» so ein Roboter uns an, erhöht er damit seine Chancen, dass wir ihm zuhören und er seine Aufgabe erfüllen kann. 

Aber Ihre Drohnen haben keine Augen.
Wir konzentrieren uns hier auf sogenannte «funktionale Roboter». Das heisst, eine Maschine wird für eine ganz bestimmte Aufgabe gebaut. Sie ist ein Werkzeug wie ein Hammer auch. 

Sie sind Vater von drei Kindern – und versuchen an der ETH, Ihren Drohnen neue Fähigkeiten beizubringen. Fast dasselbe? 
Der entscheidende Unterschied ist: Meine Roboter können nicht selbst lernen. Das ist ja das Faszinierende an Kindern. Sie lernen einfach von sich aus durch Stimulation und Interaktion. Roboter tun das nicht. Durch meine Arbeit ist mein Respekt vor der Natur und vor dem Menschen immens gestiegen.

Warum? 
Wir sind in so vielem so gut! Roboter hingegen sind gut für ganz spezifische Zwecke und haben kein Problem mit Arbeit, die total repetitiv ist. Noch mal zum Autobau …

… ja? 
Roboter bauen unsere Autos zusammen – aber es gibt auf der ganzen Welt keinen Roboter, der ein Auto reparieren kann. 

Warum nicht? 
Weil es dafür Improvisation und Denken um fünf Ecken braucht. Darin sind wir Menschen schlicht besser. 

Sie haben den technischen Wandel seit Ihrer Studienzeit beschrieben. Wohin wird die Reise noch gehen? 
Die letzten 40 bis 50 Jahre des Fortschritts und der Digitalisierung waren von einem sehr positiven Geist geprägt. Jetzt sind wir schon an einem anderen Punkt: Viele ernste Herausforderungen kommen auf uns zu. 

Was meinen Sie? 
Wir müssen zum Beispiel versuchen, den Klimawandel mittels neuer Technologien einzuschränken. Das ist eine faszinierende Aufgabe, aber sie ist definitiv gefährlicher als viele Spielereien der letzten Jahrzehnte: Wenns schiefgeht, dann gehts richtig schief.

Also ist der Ernst des Lebens in Ihren Tüftlerstock eingezogen? 
Ja. Es gibt jetzt so viele dringende Probleme, dass wir einfach vorwärtskommen müssen.

Wie steht die Schweiz im internationalen Vergleich da? 
Anders als etwa die Amerikaner haben wir weniger Mut zum Risiko. Hier an der ETH entstehen viele Start-ups. Diese dann wirklich auch gross und erfolgreich zu machen, ist in der Schweiz schwierig. 

«Es ist wichtig, dass nicht nur an der ETH getüftelt wird, sondern im ganzen Land.»

Roland Siegwart

Warum engagieren Sie sich als Jurymitglied bei der Suche der Schweizer Illustrierten nach dem «Digi-Tal 2023»? 
Weil mir wichtig ist, dass der aktuelle Wandel durch die Digitalisierung bei der ganzen Bevölkerung ankommt. Ich kann mir vorstellen, dass manche Entwicklungen für die Menschen beängstigend sind. Gleichzeitig passiert gerade in Regionen, die nicht im Zentrum stehen, sehr viel Positives dank der Digitalisierung. 

Aber Sie an der ETH sind doch die Experten?
Es ist eben gerade wichtig, dass nicht nur an der ETH getüftelt wird, sondern im ganzen Land. Und dass die Gesellschaft dann auch reif ist, gewisse Entscheide zu treffen.

Was meinen Sie? 
Es kommen definitiv schwierige Themen auf uns zu. Ein Beispiel: Was kann man in Zukunft in der Medizintechnik alles machen, und was davon wollen wir überhaupt? Wann geht es uns zu weit mit der Digitalisierung? Wir müssen solche Themen verstehen, um auf diese Entscheide vorbereitet zu sein. 

Sind Sie ein Optimist? 
Ja, das würde ich so sagen. Ich mag es ganz gern, wenn plötzlich ein Problem auftaucht. 

Warum? 
Dann habe ich etwas zu tun!

Jetzt mitmachen!

Bewerben Sie sich jetzt und werden Sie mit Ihrer Region zum «Digi-Tal 2023»:
www.digi-tal-schweiz.ch

Lynn Scheurer von Schweizer Illustrierte
Lynn ScheurerMehr erfahren
Von Lynn Scheurer am 9. September 2022 - 17:53 Uhr