Was bleibt, ist Dankbarkeit. «Eine riesige Dankbarkeit dafür, was ich mit Robin hatte.» Jeannine Gmelin (32) gibt ihren Rücktritt vom Spitzensport. «Es war nicht einfach, da ich das Rudern über alles geliebt habe», sagt die Skiff-Weltmeisterin von 2017 in ihrem Kraftraum in Kägiswil OW.
Sechs Wochen sind vergangen seit jenem 16. Dezember, der Gmelins Leben verändert hat. Sie befindet sich im Skiff beim Training auf dem Sarnersee, ihr Trainer und Partner Robin Dowell (40) begleitet sie im Motorboot. Was dann passiert, warum der Brite ins kalte Wasser fällt, ist bis heute nicht klar. Dowell war Epileptiker, aber fit. Medizinisch wurde bei der Untersuchung nach seinem Tod nichts gefunden, offiziell heisst es «natürliches inneres Geschehen», die Todesursache Ertrinken. «Das klingt jetzt vielleicht paradox», sagt Gmelin, «aber ich bin froh, dass ich dabei war. Es wäre wohl schlimmer gewesen, einfach eine Mitteilung zu erhalten.»
Die Zürcherin spricht offen und gefasst über die vergangenen sechs Wochen, doch manchmal nimmt die Trauer überhand. «Es ist immer noch surreal. Ab und zu denke ich, dass sicher gleich ein Whatsapp von ihm kommt.»
Gmelin und Dowell waren sportlich wie privat ein verschworenes Team. 2017 kommt der Brite als Nationaltrainer in die Schweiz. Gmelin, 2016 bereits Olympia-Fünfte, macht unter ihm nochmals einen grossen Schritt, wird Weltmeisterin, gewinnt Weltcup um Weltcup. Als der Verband Swiss Rowing die Zusammenarbeit mit Dowell nach Unstimmigkeiten beendet, macht Gmelin mit ihm in einem Privatteam weiter – eine Zeit, die die Athletin viel Energie kostet, die beiden aber noch enger zusammenschweisst. «Wir waren Teammates for life», sagt sie zu ihrer speziellen Bindung. «Er war Partner, Trainer, Inspiration, Vorbild, bester Freund, Seelenverwandter. Alles basierte bei uns auf dem grössten Respekt, den man für eine Person haben kann.» Mit Zustimmung von Dowells Familie darf Gmelin die Abschiedsfeier in Sarnen veranstalten, dem gemeinsamen Lebensmittelpunkt seit mehreren Jahren. Am See war Gmelin bereits mehrmals. «Der Ort an sich hat nichts Negatives für mich», sagt sie. Doch als sie einmal ins Boot steigt, fühlt sich dies leer an, «fertig, tot».
Gmelins Bauchgefühl weist bereits nach der Tragödie in Richtung Rücktritt. Doch sie diskutiert mit ihrem Umfeld über die Zukunft – schliesslich stehen 2024 Olympische Spiele an. Selbst von der internationalen Konkurrenz erhält sie Angebote, in deren Trainingsteams zu kommen. Für Gmelin fühlt sich das Argument «Jetzt erst recht – Robin hätte gewollt, dass du weitermachst» aber nicht richtig an. «Dass ich das mache, was ich will, ist das Einzige, was Robin möchte», ist sie überzeugt. «Er steht weiterhin hinter mir.» Und sie spürt: Sich persönlich als Mensch weiterentwickeln kann sie nur ausserhalb ihres Athletinnen-Daseins.
Gmelin war für ihre Konsequenz berüchtigt – und nun wäre sie nicht mehr zu 100 Prozent mit dem Herzen dabei. Für sie stimmt der Schlussstrich, auch wenn sie noch nicht weiss, was nun kommt. «Manche Entscheidungen brechen einem das Herz, doch sie bringen der Seele Frieden.»