Ruth Metzler erklimmt neue Höhen

Mit einer Hand greift sie kurz nach dem Anhänger an ihrer Halskette: Das goldene Matterhorn hat Ruth Metzler (60) von ihrem Mann Stephan Zimmermann (68) bekommen. «Es war immer mein Traum, einmal auf dem Matterhorn zu stehen», sagt sie. Vor vier Jahren hat sie den Gipfel des «Horu» erklommen. «Es war ein fantastisches Erlebnis, und ich bin stolz darauf, dass ich es geschafft habe.»

Nun steht Ruth Metzler erneut vor einer Herausforderung – diesmal in der Kletterhalle St. Gallen, vor einer über 17 Meter hohen, steilen Wand. Sie blickt nach oben, sagt: «Mal schauen, ob ich das jetzt auch schaffe.» Sie setzt an, und legt los!

Wenn sie ein Ziel vor Augen hat, möchte die ehemalige Bundesrätin dieses auch erreichen. Nun will Ruth Metzler die erste Frau an der Spitze des Schweizer Sports werden, genauer gesagt Präsidentin von Swiss Olympic. Zum Dachverband des Schweizer Sports und dem Olympischen Komitee der Schweiz gehören vom Bogenschützenverband bis zum Fussballverband und Swiss-Ski 86 Sportverbände. «Es wäre eine wundervolle und spannende Aufgabe, die verschiedenen Verbände zu unterstützen. Denn sie sind der Motor des Schweizer Sports.»

Nach wenigen Minuten jubelt Metzler, sie hat die Kletterwand bezwungen. «Sie hat es für das erste Mal in der Kletterhalle grossartig gemacht», sagt Petra Klingler (32) erfolgreiche Sportkletterin und heute Metzlers Trainerin. Die Boulder-Weltmeisterin ist beeindruckt: «Sie hat keine Angst vor der Höhe und packt einfach an.»

Die schnellste Willisauerin

Sport liegt Ruth Metzler. Als junge Frau war sie Sprinterin und Hürdenläuferin. «Ich halte bis heute den Vereinsrekord über 300 Meter in Willisau», sagt sie und lacht. Ob Reiten, Tauchen, Golf, Nordic Walking, Skifahren oder dreimal New York Marathon – der Sport hat ihr stets geholfen, sich stark und ausgeglichen zu fühlen.

Besonders in schwierigen Zeiten. «Als ich als Bundesrätin nicht wiedergewählt wurde oder als meine erste Ehe zerbrach, war der Sport, vor allem das Joggen, eine grosse Stütze.» Wenn Metzler läuft, laufen ihre Gedanken mit. «Ich bin dann fokussiert und kann alles im Kopf sortieren. Ohne Sport hätte ich vieles nicht geschafft.»

Die Profi-Verwaltungsrätin

Seit dem Ende ihrer Bundesratskarriere 2003 ist es ruhig geworden um Ruth Metzler. Die ehemalige Justizministerin der Mitte äussert sich nur zu ihren beruflichen Engagements – sie ist Präsidentin von verschiedenen Verwaltungs- und Stiftungsräten, etwa von Switzerland Global Enterprise.

Von ihrer zweiten Hochzeit mit dem UBS-Banker Stephan Zimmermann erfuhr die Öffentlichkeit über die amtlichen Zivilstandsnachrichten von Appenzell. Jetzt ist er eine wichtige Stütze für sie. «Ihre Liebe zum Sport begleitet auch unser gemeinsames Leben. Ich finde es wunderbar, dass sie nun ihre Energie und ihre Erfahrung für den Schweizer Sport einsetzen will», sagt er am Rand der «Nacht des Ostschweizer Fussballs» in St. Gallen. «Und dafür begleite ich sie gern auch an Anlässe.» Das Paar lebt in einem renovierten Bauernhaus aus dem 17. Jahrhundert in Appenzell AI.

Bei der Wahl am 22. November tritt Metzler gegen den ehemaligen Swiss-Ski-Direktor Markus Wolf an. Auf einer Seite des Rings die erfahrene Verwaltungsrätin mit besten politischen Beziehungen, auf der anderen der Sportmanager, fest verankert im Wintersport. Fehlt Metzler nicht das Fachwissen? «Ich möchte die Rahmenbedingungen für die Verbände verbessern – da helfen meine Beziehungen zu Wirtschaft und Politik. Das Fachwissen liegt in den Verbänden.» Und wie sieht es mit den Bedürfnissen der Sportlerinnen und Sportler aus? «Ich bin dabei, die Anliegen und Erwartungen der Verbände besser zu verstehen.» In diesen Tagen bleibt die persönliche Fitness auf der Strecke, Metzler stellt sich bei den verschiedenen Verbänden vor.

Die Brückenbauerin

Ein grosses Plus sei ihre Bekanntheit. «Nicht für mein Privatleben, aber für diese Aufgabe. Ich bin eine Brückenbauerin und kann den Schweizer Sport auf eine neue Ebene bringen.»

Metzler möchte Swiss Olympic überall präsent sehen. «Nicht nur da, wo die Fernsehkameras stehen. Schweizer Sport ist weit mehr als Spitzensport. Wenn man bedenkt, wie viele tausend Menschen ehrenamtlich Zeit investieren – das sollten wir mehr würdigen.» Sie lächelt: «Schon als Bundesrätin suchte ich den direkten Kontakt zu den Menschen und der Bevölkerung. Das gehört zu meiner DNA.»

Petra Klingler unterstützt diese Sicht: «Mir als Athletin ist wichtig, dass auch kleinere Sportarten gesehen und gewürdigt werden. Ich erwarte von der Führung, dass sie weiss, was in allen Sportarten passiert.» Vor einem Jahr gab Klingler ihren Rücktritt als Wettkampfkletterin bekannt. «Kaum tritt man zurück, sind Sponsoren und finanzielle Mittel oft plötzlich weg. Das ist sehr schwierig für uns.»

Ruth Metzler schaut sich in der Kletterhalle um und sagt: «Jetzt möchte ich noch eine andere Wand probieren – welche ist schwieriger? Die nehme ich.»