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Wenn der Musiker richtig klotzt

Sänger Kunz zersägt seinen Preis

Stück für Stück hat Kunz seine Musikkarriere erschaffen und dafür zuerst eine Maurerlehre absolviert. Zwei Betonklötze sind die aktuelle Krönung. Wobei der Sänger einen der Swiss Music Awards rasch zerteilt – und verteilt!

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Marco Kunz, Swiss Music Award Gewinner

«Ich habe mega Freude!» Nach mehreren Nominierungen kann Musiker Kunz nun gleich zwei Swiss Music Awards in den Händen halten.

Kurt Reichenbach

Eine kleine Reise in die Vergangenheit: Mundart-Musiker Kunz, 36, betritt das Gelände seiner ehemaligen Lehrfirma in Schenkon LU. Hier hat der gelernte Maurer vor rund 20 Jahren seine Stifti begonnen. Im Rucksack schleppt er heute zwei Betonklötze mit sich. Sein ehemaliger Lehrmeister Franz Huber, 58, ist stolz, denn die Steine haben es in sich! Sein einstiger Schützling hat gerade zwei Swiss Music Awards gewonnen als «Best Male Act» und für das «Best Album». «Von uns hätte niemand je gedacht, dass es für dich irgendwann mit deiner Musikkarriere aufgeht», sagt Huber. «Wir haben dich oft belächelt, gell?» – «Ja, aber das war ein Ansporn», so Kunz. «Und seien wir ehrlich: Ihr wusstet auch alle, dass ich ‹ned gern chome go schaffe›.» Unter Aufsicht seines früheren Lehrmeisters will Kunz – auch ausgebildeter Baupolier – den Preis für das «Best Album» mit der Fräse in sechs Stücke schneiden, damit der Stein unter den Bandmitgliedern fair aufgeteilt werden kann.

Marco Kunz, Swiss Music Award Gewinner

Der ehemalige Lehrmeister Franz Huber ist stolz, das sein einstiger Stift nichts verlernt hat.

Kurt Reichenbach

2001 beginnt Marco Kunz bei der Firma H. Estermann Bau AG seine Ausbildung zum Maurer. Sein Entscheid ist strategisch: «Ich wusste schon als 13-Jähriger, dass ich Sänger werden will, aber für die Musik Geld brauche.» Ein Studium kommt für den Sekundarschüler nicht infrage, genauso wenig ein Bürojob. «Ich wollte in der Natur sein.» Marco schnuppert als Bäcker, Koch, Zimmermann, Maurer – und entscheidet sich für den gleichen Beruf wie sein Vater inklusive Berufsmatur. «Ich wusste, dass ich mich als Maurer hinaufarbeiten, weiterbilden und gutes Geld verdienen kann.» – «Du kanntest früh dein Ziel», so Huber. «Unseres war es, dich durch die Stifti zu bringen, unser Versprechen an deinen Vater.»

Marco Kunz, Swiss Music Award Gewinner

Gesagt, getan: Der gelernte Baupolier fräst den Swiss Music Award für das «Best Album» persönlich in mehrere Stücke.

Kurt Reichenbach

«Die Lehre hat mir gezeigt, dass man hart arbeiten muss. Das war nun bei der Musik genauso»

Kunz

Die Steinfräse ist lautstark am Laufen. Mit ruhiger Hand zerteilt Kunz seinen Award. Franz Huber und er sind überrascht, wie gut der Betonklotz hält und wie schön das Resultat ist. Obwohl Kunz seinerzeit nicht mit Herzblut Mauern errichtete, sieht er heute nur Positives in der rauen Dekade auf dem Bau. «Eine abgeschlossene Lehre ist ein Erfolg», sagt er. «Sie hat mir gezeigt, dass man hart arbeiten und ab und an durchbeissen muss. Das war nun bei der Musik genauso.»

Zwei Swiss Music Awards, vier Top-1- Alben (zwei erreichten Gold- und zwei Platinstatus), eine treue Fangemeinde. «Ich bin extrem glücklich, wie es läuft. Die Leute kommen an unsere Konzerte, ich kann davon leben. Und als Crew, als Kunz-Familie, haben wir eine gute Zeit.» Der Weg zum besten Musiker des Jahres dauerte elf Jahre.

Marco Kunz, Swiss Music Award Gewinner

«Das ist wohl der erste Award, der zerschnitten wurde.» Musiker Kunz ist happy mit seiner Arbeit.

Kurt Reichenbach

2011 gibt Kunz sein 40-Prozent-Pensum auf dem Bau auf. «Etwa drei Jahre lebte ich hauptsächlich von meinem Ersparten, musste mich mit kleinen oder keinen Gagen über Wasser halten.» Schliesslich erhält er einen Plattenvertrag, veröffentlicht 2014 sein Debütalbum «Eifach so». «Ab da kams gut. Und ich konnte wieder etwas Geld auf die Seite legen.»

SMA Kunz mit Band

An den Swiss Music Awards kündigt Kunz an, den Stein mit seiner Band zu teilen.

Filip Stropek

Kunz tritt in die Pedalen seines Velos, das er von seinem Vater übernommen hat. Sein Ziel: das erste Stück seines zerlegten Klotzes will er Bandmitglied Chris Pfändler, 29, überbringen. In seiner Heimat ist der Luzerner Sänger stets mit dem Velo unterwegs. Nachhaltigkeit ist für den zweifachen Familienvater nicht nur Thema, sondern Lebensstil. «Meine erste Freundin war Vegetarierin. Da war ich 16 und bekam ein Bewusstsein für faire Ernährung, später auch für die Umwelt. Ich will, dass meine Kinder eine gute Zukunft haben.» Als Familie verzichten er und Gattin Jenny, 33, auf ein Auto, essen höchstens einmal pro Woche Fleisch, kaufen lokal, saisonal und bio ein, verreisen mit Emil, 2, und der halbjährigen Helena mit dem Zug in die Ferien. «Und ich trage wohl seit einer Ewigkeit die gleichen Kleider.»

Marco Kunz, Swiss Music Award Gewinner

In Luzern ist Kunz mit dem früheren Velo seines Vaters unterwegs, national und international reist er mit dem Zug.

Kurt Reichenbach

Wenn Kunz ab 21. Oktober auf Akustik-Tour geht, gibts für seine Crew rein vegetarisches Essen. «Ich muss gestehen, dass ich bezüglich Nachhaltigkeit schon ein bisschen missioniere. Ich will kein Politiker sein, aber mit meiner Musik unterhaltend zum Nachdenken animieren.» An seinen «Kunzerten» ruft er schon mal: «Mir gönd ufe, ufe mit de Händ! Mir gönd abe, abe mit em CO2!»

Kunz klingelt an der Wohnungstür von Chris Pfändler. Die zwei lebten hier für drei Jahre in einer WG, der Hackbrettspieler ist seit dem ersten Album mit von der Partie. «Anfangs spielten wir in Altersheimen. Und dann wurde Kunz von Album zu Album stetig grösser», sagt Pfändler. «Dass Marco uns mit einem Stück am Preis beteiligt, zeigt, dass er uns schätzt.» Überhaupt habe sich Kunz mit steigendem Erfolg kaum verändert. «Marco ist reifer und reflektierter geworden, zelebriert die Nachhaltigkeit noch mehr. Aber sonst habe ich das Gefühl, dass du der Gleiche bist.»

«Ich muss gestehen, dass ich bezüglich Nachhaltigkeit schon ein bisschen missioniere»

Kunz

«Lüüt so wie mer» heisst sein bisher grösster Hit. Wie sind Leute wie er? «Ich versuche, die Augen offen zu haben, schaue, dass es allen gut geht und keine Ungerechtigkeit herrscht. Leute wie ich ergreifen auch mal das Wort, wenn etwas nicht gut ist, haben es gern gesellig und sind inklusiv.» Und er sei in gewissen Dingen bünzlig, brauche Regeln – «meine Frau ist da anders und lockt mich aus der Reserve. Aber es gibt Dinge, die müssen wir gemeinsam durchziehen, weil ichs wichtig finde.» So gilt in der Familie Kunz: nicht mit den Schuhen ins Haus, nicht mit den Kleidern ins Bett, «weil ich füdliblutt schlafe, fände ich es grusig». Nuggi gibts für die Kids erst zum Schlafen. Und nicht nachgeben, wenn sie was wollen. «Es ist völlig okay, auch mal länger auf etwas warten zu müssen», sagt Kunz. «Ich finde, man kauft Dinge erst, wenn man das Geld dazu hat, da bin ich konservativ.» Kinderbetreuung und Haushalt hingegen übernimmt das Paar zu gleichen Teilen.

Marco Kunz, Swiss Music Award Gewinner

Hackbrettspieler Chris Pfändler erhält das erste Teilstück. Die beiden lebten hier in Luzern drei Jahre in einer WG.

Kurt Reichenbach

Noch sind Emil und Helena zu klein, um all das zu verstehen. «Wichtig ist, die gemeinsame Zeit zu geniessen», sagt Kunz. «Ich hoffe einfach, dass auch sie irgendwann eine Passion finden, für die sie alles geben wollen, und lernen, durchzubeissen.» Wer könnte ihnen das besser erklären als Kunz – denn schliesslich hat er sich so seine Musikkarriere aufgebaut. Stein für Stein.

Von Aurelia Robles am 4. Juni 2022 - 08:06 Uhr