Als besoffener Kapitän steht Stefan Kurt aktuell im Kinofilm «Ich war noch niemals in New York» am Ruder. Der Berner, zweifacher Grimme-Preisträger, wurde 1996 mit «Der Schattenmann» berühmt. Seither spielte er in Erfolgsfilmen wie «Zwingli», «Der Verdingbub», «Akte Grüninger», «Papa Moll», «Pettersson und Findus». Am 22. Oktober wird Kurt nun 60. Zeit, dem in Berlin lebenden Schweizer auf den Zahn zu fühlen.
Stefan Kurt, der schlechteste Film, für den Sie vor der Kamera standen, ist …?
Da fällt mir konkret keiner ein. In Albträumen kommt es aber vor, dass mir Texte entfallen, ich die Bühne nicht finde, kein Drehbuch habe. Je älter ich werde, desto schlimmer scheint es zu werden.
Wenn Sie sich in Filmen sehen …
… würde ich manches anders machen, weil mehr Erfahrung da ist. Beim Filmen war ich anfangs sehr aufgeregt, machte mir vor jeder Einstellung fast in die Hosen.
Jetzt kokettieren Sie.
Nein, wirklich! In einer der ersten Szenen in «Der Schattenmann» sollte ich in einer Tiefgarage hinter einem Auto hervorkommen, mich umgucken – und nichts sagen. Irgendwann fragte mich der Regisseur Dieter Wedel, warum ich ständig die Lippen bewege.
Wann haben Sie zuletzt ein schlechtes Angebot abgelehnt?
A priori gibts kein schlechtes Angebot. Es beweist, dass ich im Kopf von Regisseuren, Produzenten präsent bin, sie mit dem Gedanken spielen, eine Rolle mit mir zu besetzen. Ich entscheide, ob Angebot, Rolle, Drehbuch, Kollegen und Regisseur für mich stimmen.
Gibts eine Rolle, die Sie ablehnten und das bis heute bereuen?
Nach «Der Schattenmann» wurde ich von Angeboten überrollt. Ich fühlte mich überfordert, erinnere mich, dass ein Angebot von Nico Hofmann darunter war. Da hätte ich gern mitgespielt.
«An der Schauspielschule probierte ich, wies ist, betrunken zu spielen»
Sie zählen zu den ganz Grossen und machen privat auch Kunst. Manche Künstler waren nur unter Drogen kreativ …
Nee, für mich geht das nicht zusammen. Ich muss mich kontrollieren können.
Nie mit Drogen experimentiert?
An der Schauspielschule probierte ich, wies ist, betrunken zu spielen. Ganz früher rauchte ich mal Joints. Jugendsünden. Vor Drogen wie Heroin hatte ich immer einen Heidenrespekt – zum Glück. Ich bin ja schon ein Suchtmensch.
Inwiefern?
Lange Zeit rauchte ich Zigaretten – täglich eine Schachtel. Mit 15 fing ich an, hörte 2010 damit auf.
Gabs einen konkreten Anlass?
Ja, als ich in der «Dreigroschenoper» als Mackie Messer auf der Bühne stand, schaffte ich die hohen Töne nicht mehr. Also beschloss ich, mit dem Rauchen aufzuhören. Ich brauchte drei, vier Anläufe, kam mir klein und mickrig vor, weil mein Wille zunächst nicht ausreichte.
Eine Ersatzdroge wie Gummibärchen gefunden?
Nein! Anfangs nahm ich zu, aber das pendelte sich ein. Heute trinke ich abends gern ein Glas Wein.
Rot oder Weiss?
Im Winter Rot-, sonst Weisswein.
Gibt es eine dunkle Seite an Ihnen?
(Überlegt.) Grundsätzlich bin ich ein sonniges Gemüt, meine Schattenseiten sind melancholische bis depressive Phasen. Ich bin harmoniesüchtig bis zur Selbstverleugnung und teilweise entscheidungsschwach.
«Als Schweizer legte ich stets einen Notvorrat an»
Eine Zeitung schrieb mal: «Äusserlich entspricht er dem Typ Buchhalter.» Ärgert Sie das?
Nein! Und wenns stimmt, ich hab die Schauspielerei, wo ich mich in verschiedene Typen verwandle.
Das Thalia-Theater beschrieb Sie als «stillen Star». Stimmt das?
Das trifft es insofern, als ich privat nicht so extrovertiert bin wie manche Schauspielkollegen.
Für den Kieler «Tatort» steht Kurt gerade vor der Kamera. Seit 25 Jahren ist er freiberuflich tätig – spielt Theater, dreht Filme. Und er malt Bilder.
Mussten Sie sich jemals arbeitslos melden?
Kein einziges Mal!
Nie harte Zeiten erlebt?
Hart wäre übertrieben. Sicher war auch mal weniger Geld da. Als ich meine feste Stelle aufgab, sorgte ich mich anfangs, ob genug reinkommen würde. Als Schweizer legte ich stets einen Notvorrat an.
Was für Preise erzielen Sie mit Ihren Bildern?
Ach, ich bin noch günstig. Es geht los bei 500 und geht bis 4000 Euro.
Keine Hemmung, Geld für Ihre Werke zu verlangen?
Hemmungen, für meine Bilder etwas zu nehmen, habe ich nicht. Es macht Spass, die Freude der Leute zu sehen. Geld bedeutet Wertschätzung meiner Arbeit.
Wie bemessen Sie den Preis?
In Kunstkreisen gibts eine einfache Formel. Länge und Breite addieren – und das mit dem «Künstlerfaktor» multiplizieren.
Sie nehmen mich auf den Arm!
Das ist wirklich so! Klar gibts einen Unterschied zwischen Foto und gemaltem Bild. Der Künstlerfaktor ist bei mir noch am Steigen.
Hängen bei Ihnen eigene Bilder?
Ja, eines meiner ersten. Das ist unverkäuflich. Für eine Million geb ichs vielleicht her.
Was sein Privatleben angeht, hält sich Stefan Kurt seit je zurück. Vor 33 Jahren packte er seine Sachen, zog nach Bochum, Hamburg und lebt jetzt seit über 20 Jahren in Berlin. Die Eltern sind verstorben, einer seiner Brüder wohnt in der Schweiz, der andere in Australien.
Sie leben seit 2012 mit Ihrem Partner in eingetragener Partnerschaft.
Ja, wir sind sogar verheiratet – in Deutschland. In der Schweiz ist das ja noch nicht möglich.
Sie stehen in der Öffentlichkeit – ist das daheim ein Thema?
Nein, und wenn ich als Schauspieler an Premierenfeiern allein über den roten Teppich laufe, ist das ein bewusster Entscheid. Beruf ist Beruf, Privates bleibt privat!
Was fühlt sich eher nach Heimkommen an: wenn Sie nach Zürich reisen oder wenns nach Berlin geht?
Eher, wenn ich in der Schweiz ankomme – vor allem, wenn ich mit dem Zug nach Bern fahre. Vielleicht ziehen wir irgendwann zurück. Ich liebe die Schweiz, die Sprache, Freunde, Jugenderinnerungen. Die Schweiz ist Heimat. Berlin ist Zuhause.