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Ski-Star Marco Odermatt

Schneller als geplant

An der Weltspitze erwarten ihn die Fachleute in wenigen Jahren ohnehin. Doch nun deutet Marco Odermatt mit dem Riesen­slalom-Triumph in Italien an, dass er früher als gedacht dort ankommen könnte. Das Skiland Schweiz jubelt.

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Swiss Ski Werbewoche. Samsung Hall, Dübendorf Zh, 2019

Reif wie wenige seines Alters: Marco Odermatt sieht seiner weiteren Karriere gelassen entgegen: «Ich weiss ja, was ich kann.»

Christoph Köstlin

«Da haben wir einen künftigen Gesamtweltcup-Sieger gesehen. Der hat ja Potenzial ohne Grenzen!» Rrrumms, das sitzt. Die Sätze gelten Marco Odermatt, 23. Gesagt ins TV-Mikrofon. Gehört in der guten Schweizer Skistube. Aber nicht am vergangenen Montag, als der Nidwaldner aus Buochs im Weltcup-Riesenslalom von Santa Caterina, Italien, siegt. Und auch nicht exakt ein Jahr zuvor, als er im amerikanischen Beaver Creek beim Super-G sein erstes Weltcuprennen gewinnt. Sondern bereits Anfang 2019. Da rast Odermatt bei misslichen Verhältnissen mit hoher Startnummer auf den zehnten Rang. Am heiligsten aller Riesenslalom-Berge, dem Chuenisbärgli in Adelboden BE. Und verleitet den wohl besten Skirennfahrer der Geschichte, Marcel Hirscher, zu dieser Prognose.

05.03.2018; Buochs (NW); Portrait Marco Odermatt; Die Familie Odermatt am Tisch v.l mit Marco, Vater Walti, Mutter Priska und Schwester Alina. © Valeriano Di Domenico

Gut geerdet in Buochs NW: Marco Odermatt mit seinen Eltern Walter und Priska sowie Schwester Alina (v. l.).

Valeriano Di Domenico

In der Schweiz löst das Ösi-Sonderlob zu jenem frühen Zeitpunkt Verwunderung aus. Man argwöhnt: Über-Fahrer Hirscher will einen aufstrebenden Konkurrenten unter Druck setzen und aus dem Tritt bringen. Schliesslich hat der bei der Junioren-WM in Davos GR ein Jahr zuvor mit fünf Goldmedaillen dieses «grenzenlose Potenzial» schon kräftig angedeutet. Doch Marco Odermatt lässt sich weder von bedacht eingesetzten Vorschusslorbeeren beirren, noch von einer Meniskusverletzung vergangenes Frühjahr oder der Corona-Erkrankung diesen November. Mit dem überlegenen Erfolg in Santa Caterina erlöst er die Schweiz fast zehn Jahre nach dem letzten Sieg von Carlo Janka vom quälenden Riesenslalom-Trauma. Riesen-Jubel im besten Wortsinn. Tu felix Austria war einmal. Tu felix Helvetia!, heisst es nun. Glücklich das Land, dessen Skizukunft mit einem Marco Odermatt schon jetzt begonnen hat.

Doch ist es tatsächlich die Zukunft eines Schweizer Gesamtweltcup-Siegers? Das sportliche Zeug dazu hat der Buochser vom Skiclub Hergiswil allemal. Zwei Siege und drei weitere Podestplätze weist sein Palmarès schon zu Beginn der erst dritten vollen Weltcupsaison auf. Und dass er sich nach Super-G und Riesenslalom eher mittel- als langfristig auch in der Abfahrt Richtung Weltspitze orientieren kann, ermöglicht die Corona-bedingt gekürzte Saison: Statt 500 Punkte in der saisonübergreifenden WCSL-Wertung brauchts diesen Winter nur 400, um in allen Disziplinen direkt nach den Spezialisten startberechtigt zu sein. Mit den 240 Punkten aus den drei bisherigen Saisonrennen und dem Übertrag von 2019/2020 hat Odermatt bereits 616 WCSL-Punkte auf dem Konto. So könnte er etwa auch am Lauberhorn schon nach den Top 30 starten. «Ein Sieg in Wengen oder Kitzbühel muss etwas vom Grössten sein», hat er bereits verlauten lassen. Und auch: «Der Traum vom Gesamtweltcup ist verlockender als Medail- len an Meisterschaften. Ich würde auf Rennsiege verzichten, holte ich dafür mit Konstanz die grosse Kristallkugel.»

Switzerland's Marco Odermatt celebrates as he arrives at the finish area during the second run of an alpine ski, World Cup men's giant slalom in Santa Caterina Valfurva, Italy, Monday, Dec. 7, 2020. (AP Photo/Alessandro Trovati)

Neundreiviertel Jahre nach Carlo Janka in Kranjska Gora, Slowenien, bejubelt Odermatt in Santa Caterina (I) das Ende der Schweizer Riesen-Sieglosigkeit.

keystone-sda.ch

Nun, das Siegen hat er bereits angefangen. Das andere kommt gemäss Hirscher früher oder später sowieso. Kein Grund also, den Fokus zu verlieren. Marco Odermatt bleibt, wie er ist: bodenständig, bedacht, ruhig, zielgerichtet. Das hat viel mit seinem Umfeld zu tun, weiss Michael Schiendorfer. Der Ostschweizer ist seit 2016 für «Odis» Management zuständig. Und macht sich um seinen Schützling keine Sorgen: «Marco ist unglaublich gefestigt als Person, reif. Er kann extrem gut zuhören, bildet sich dann seine eigene Meinung und vertritt diese konsequent. Dabei ist er stets freundlich und empathisch, hat Menschen gern und geht offen auf sie zu.» Da ist er durch seine Familie geprägt. Zum einen von Vater Walter, früher auch sein sportlicher Wegbereiter, der ihm als Ingenieur wohl denn Sinn für verlässliches Planen in jeder Lebenslage vererbt hat. Aber auch von Mutter Priska, die Logistisches für ihn anpackt.

Das Verhältnis zur jüngeren Schwester Alina, 20, zeigt gut, wie Marco tickt: «Sie fährt ebenfalls Skirennen, und für Marco ist es extrem wichtig, dass seine Eltern Alina die gleiche Zuwendung für die Karriereentwicklung entgegenbringen wie ihm selbst», sagt Schiendorfer. Schon bei der ersten Begegnung mit Marco habe er gespürt, wie weltoffen und geerdet der Sportler und seine Familie seien. «Marco stellte schon damals, mit 19 Jahren, die richtigen, intelligenten Fragen. Und wenn er von Antworten einmal überzeugt ist, schenkt er uneingeschränktes Vertrauen.» Clever ist er sowieso: Eine Verletzungspause 2017 nutzt er, um am Sportgymnasium Engelberg mal kurz Gas zu geben und dann die drittbeste Matura seines Jahrgangs abzulegen.

«Ich würde auf Rennsiege verzichten, holte ich dafür mit Konstanz den Gesamtweltcup»

Marco Odermatt trains in Buochs, Switzerland on July 24, 2018 // Lorenz Richard/Red Bull Content Pool // SI201811050290 // Usage for editorial use only //

Nach zwei schweren Meniskusverletzungen arbeitet sich Odermatt, ohne zu hadern, ins Wettkampfleben zurück.

Lorenz Richard

Und der öffentliche Druck auf Marco Odermatt, den Schlitzohr Hirscher gerne aufgebaut hätte? Kein Thema! «Der Einzige, der mir Druck machen kann, bin ich selbst», sagt er. «Ich weiss ja genau, was ich kann und wohin ich will.» Beim Sieg in Santa Caterina, wo er auch erstmals nach dem ersten Lauf führt, verspürt er einiges von diesem Druck, wie er hinterher bekennt. Aber der erst 23-Jährige steckt ihn so locker weg, als hätte er in seiner jungen Karriere noch nie Rückschläge erfahren. Dabei gehts auch bei ihm nicht stets linear aufwärts. Doch auch da hilft ihm sein Umfeld, nie zu hadern.

Die Freunde sind ihm extrem wichtig, und er scheut sich deshalb auch nicht, mal im Ausgang mit ihnen in einem Engelberger Pub gesehen zu werden. Auf seiner Website (www.marcoodermatt.ch) hat er eine «Wall of Fame» aufgeschaltet, auf der er alle Personen einzeln erklärt, die ihm auf dem Weg an die Spitze wichtig sind. Dass so einer auf einen Fanklub von bereits 625 Mitgliedern zählen kann, verwundert nicht. Und seine regionale Verwurzelung zeigt sich auch an der Treue zu seinem Skiausrüster Stöckli, bei dem er bereits kräftig in die Entwicklung von neuem Material involviert ist.

16.12.2018; Alta Badia; Ski Alpin - Weltcup Alta Badia 2018 - Riesenslalom Maenner;Marco Odermatt (M, SUI) und Marcel Hirscher (AUT)(Sven Thomann/Blick/freshfocus)--------------------------------------------------------------------- ACHTUNG REDAKTIONEN: KEINE ABONNEMENTS, ES GELTEN DIE PREISEMPFEHLUNGEN DES SAB - MANDATORY CREDIT, EDITORIAL USE ONLY, NO SALES, NO ARCHIVES ---------------------------------------------------------------------

Der alte und der neue Weltcup-Herrscher? Odermatt trifft den inzwischen zurückgetretenen Marcel Hirscher (r.) 2018 in Alta Badia (I).

Sven Thomann/Blick/freshfocus

Gemäss Manager-Freund Schiendorfer sind auch Pünktlichkeit und Termintreue charakteristisch für Marco Odermatt. Doch das stimmt vielleicht gar nicht: Den Sprung zuoberst aufs Gesamtweltcup-Podest sagen ihm Fachleute – ohne Hintergedanken – so in zwei, drei Jahren voraus. Nun scheints, als könnte er ihn ganz frech einfach vorverlegen.

Von Iso Niedermann am 12. Dezember 2020 - 07:09 Uhr