Die Kulisse ist atemberaubend. Auf der 42,195 Kilometer langen Marathonrunde durch Berlin reiht sich eine Sehenswürdigkeit an die andere: Siegessäule, Bundeskanzleramt, Reichstag, Fernsehturm, Kurfürstendamm, Brandenburger Tor. Nur: Dario Cologna macht in der deutschen Hauptstadt keine Hop-on-Hop-off-Rundfahrt im Doppeldecker. Der viermalige Langlauf-Olympiasieger rennt an diesem Tag mit Startnummer 150 entschlossen an den Attraktionen vorbei. Muss er auch! Der 37-jährige Münstertaler verfolgt bei seiner Marathon-Premiere ein ambitioniertes Ziel: eine Zeit unter 2:30 Stunden. Dafür hat er in den vergangenen zehn Wochen in seiner Wohnregion Davos hart trainiert. 80 Kilometer ist er pro Woche gelaufen.
Geschafft! Der erfolgreichste Schweizer Langläufer – er ist vor anderthalb Jahren vom Profisport zurückgetreten – beendet die Ausdauerprüfung in starken 2:28:35 Stunden auf dem 174. Platz von 47 912 Startenden. «Im Ziel kamen Glücksgefühle auf. Der Lauf war ein cooles Erlebnis», schwärmt Cologna. Als er nach 40 Kilometern auf die Prachtstrasse Unter den Linden einbiegt und die Zielgerade am Brandenburger Tor ins Blickfeld rückt, kann der Familienvater den Marathon auch geniessen. «Ich wusste, dass meine Taktik aufgeht, denn ich lief über eine Minute zeitliche Reserve auf meine Tempovorgabe von 3:33 Minuten für einen Kilometer heraus.»
Colognas Lust auf «The Big Six»
Ist der «Hammermann» vorbeigekommen? Cologna lacht und sagt: «Nach 32, 33 Kilometern wurde mir bewusst, dass es bis ins Ziel ein har-tes Stück Arbeit und eine Kopfsache werden würde. Am Anfang liess ich mich von der grossartigen Stimmung am Strassenrand mitreissen und ging das Rennen zu schnell an.» Nach der Halbmarathon-Marke habe er den richtigen Rhythmus gefunden. Cologna wurde vor Ort von Manager Dominik Leu und Bruder Gianluca unterstützt.
Am Abend gönnt sich Cologna ein Wiener Schnitzel mit Pommes frites und ein Bier. Tags darauf meldet die Langlauf-Legende: «Ich habe etwas Schmerzen in der Achillessehne. Aber sonst geht es mir gut. Jetzt ist Regeneration angesagt.»
«Sie motivieren mich!»
Nächstes sportliches Ziel könnte abermals ein Marathon sein. Er ist gerade angetan von «The Big Six», wie die sechs World Marathon Majors in Tokio, Boston, London, Berlin, Chicago und New York heissen. «Sie motivieren mich!»
In Berlin hat auch Tigist Assefa gefinisht. Und wie! Die Äthiopierin läuft in 2:11:52 Stunden einen neuen Fabelweltrekord. Eliud Kipchoge aus Kenia siegt bei den Männern in 2:02:42 Stunden zum fünften Mal in Berlin. Ein kräftiges Ausrufezeichen setzen zwei Schweizer Cracks: Tadesse Abraham und Fabienne Schlumpf verbessern die Landesrekorde. Der 41-jährige Genfer wird in 2:05:10 Stunden Elfter, die 32-jährige Zürcherin in einer Zeit von 2:25:27 Stunden Fünfzehnte.