Schon wenn man zur Tür hereinkommt, merkt man es: Hier wohnt eine Schauspielerin. Lara Wolf (30) hat im Foyer ihrer Zweizimmerwohnung in Brooklyn nämlich ein Heimstudio eingerichtet. «Während der Pandemie habe ich die Wand blau angemalt und grosse Scheinwerferlichter installiert, damit ich zu Hause Castingvideos aufnehmen kann», erklärt sie stolz. Um sich für ein Casting vorzubereiten, betreibt die Winterthurerin viel Aufwand. Den Text lernt sie beim Spazieren durch ihre Park Slope Neighborhood, eine beliebte Wohngegend für Prominente wie den ehemaligen New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio oder das Schauspielerpaar Peter Sarsgaard und Maggie Gyllenhaal.
«Bewegung hilft mir beim Lernen», sagt sie. Das Quartier ist gemütlich und familienfreundlich. «Es gibt viele Cafés, in denen ich auch ungestört schreiben kann. Hier kann ich mich zurückziehen und habe meine Ruhe, während Manhattan schnell mal stressig werden kann.»
Momentan läuft auch gerade viel bei Lara Wolf, die ihr Alter wie viele Kolleginnen geheim hält, um für eine Rollenbandbreite von 20 bis 40 Jahren aufgeboten zu werden – wie Königin Berenike in der Amazon-Prime-Serie «Those About to Die». Dank der historisch verbürgten Figur in der römischen Sandalenserie aus der Küche von Regisseur Roland Emmerich startet ihre Karriere derzeit richtig durch. Die judäische Geliebte von Titus ist ein Dorn im Auge von dessen Vater, gespielt von Anthony Hopkins (86).
Hopkins drehte nur eine Woche und hauptsächlich mit seinen Filmsöhnen – ausgerechnet, als Lara Wolf mit Covid im Hotelzimmer bleiben musste: «Das war schon traurig, dass ich ihn deswegen nicht treffen konnte, aber es war schön, ihn wenigstens vor der Kamera immer wieder von Königin Berenike sprechen zu hören.»
Künstlerin zwischen zwei Kulturen
Lara Wolf wurde in Teheran als Tochter einer Iranerin und eines Schweizers geboren und ist in Winterthur zweisprachig aufgewachsen. Die Eltern hatten sich in der Schweiz durch gemeinsame Freunde kennengelernt, als die Mutter auf der Durchreise zu ihrem Bruder in die USA war. «Aber dann kam mein Vater daher und kochte anscheinend superfeine Spaghetti», erzählt die Zürcherin lachend. Zu Hause lief viel Musik. Sie lernte Gitarre spielen und nahm Gesangsunterricht. Lara war talentiert und hatte etwas gefunden, das sie so richtig glücklich machte. Schon das Schultheater hatte ihr eigentlich Spass gemacht, obwohl sie das Rampenlicht nicht suchte: «Auch jetzt bin ich in einem Kreis von Schauspielerinnen vermutlich die stillste. Ich beobachte lieber andere, als dass ich von mir erzähle.»
Ein kreativer Beruf erscheint damals weit weg. Sie studiert Psychologie, aber ihre Gesangslehrerin meint, sie würde so oder so einmal etwas anderes machen. «Dieser so nebenbei gesagte Satz blieb bei mir hängen. Etwas Künstlerisches war also doch auch möglich.»
Vom Psychologie- zum Filmstudium
Lara Wolf studiert dann Film im Nebenfach und tritt als Jazzsängerin auf. Nach dem Bachelor geht sie nach New York in die Lee-Strasberg-Schule und landet eine Rolle im Krimi «Quantico». Nebenbei gibt sie Deutschstunden, um Geld zu verdienen, denn als Kellnerin ist ihr die Konkurrenz zu gross.
Nicht über ihre Agentin, sondern aus heiterem Himmel bekommt sie eine Castingeinladung aus Italien für «Those About to Die». «Offenbar haben sie eine Liste von Schauspielerinnen mit nahöstlichen Wurzeln abgesucht», so Lara Wolf. «Das Universum hatte wirklich eine helfende Hand im Spiel, dass ich die Rolle bekam.»
Gleichzeitig hatte sie nämlich auch eine Offerte für den Film «Reading Lolita in Tehran», der auf den Memoiren der Schriftstellerin Azar Nafisi basiert. Beide Projekte wurden in Rom gedreht. Nach einer kleinen Anpassung im Terminkalender kann sie schliesslich beide Rollen übernehmen.
«In einem Kreis von Schauspielerinnen bin ich vermutlich die stillste»
Lara Wolf
Während ihre iranischen Wurzeln für beide Jobs von Vorteil sind, weiss sie auch, dass es gerade jetzt besser ist, sich politisch nicht aus dem Fenster zu lehnen: «Wenn man langsam ins Rampenlicht rückt, muss man schon etwas aufpassen, was man sagt. Aber natürlich verfolge ich, was im Nahen Osten passiert.»
Vor Kurzem drehte sie mit Jeremy Piven («The Performance»), und ein Projekt mit Liam Neeson folgt. Wenn sie länger weg ist, vermietet sie die Wohnung in Brooklyn. Die Single-Frau weiss gern, dass daheim jemand nach dem Rechten schaut. Derzeit sucht sie aber keine Beziehung, und von Dating-Apps hält sie nichts. «Ich werde jemanden finden wie im Film. Filme basieren ja auch auf wahren Begebenheiten», sagt sie mit einem Augenzwinkern. «Es müsste halt jemand sein, der meinen Beruf versteht und ihn tolerieren kann.» Wenn es sein soll, wird das Universum es schon richten.