Kurz bevor Christian Stucki (38) am Seeländischen in Lyss zum dritten Gang antritt, versucht ein Bub aus dem Publikum, seiner Mutter einen Fünfliber für eine Glace abzuläschelen. Sie vertröstet ihn auf später: «Jetzt kommt dann grad der Stucki, dieser Fetzen dort drüben – kennsch, oder? Heute schwingt er zum letzten Mal, vielleicht kannst du noch etwas von ihm lernen.» Ob der Stucki gegen die Glace einen Stich hat? Der Blick des Buben verrät es nicht. Aber gewiss ist: Vom ältesten Schwingerkönig können wir alle noch etwas lernen.
Schier unzählbar, wie oft der Schwinger zwischen Sägemehl und Garderobe für Fotos posiert – zur Freude der Fans.
Kurt ReichenbachAb dem Moment, als Christian Stucki mit seinem E-Bike auf dem Festgelände vorfährt (er wohnt ganz in der Nähe), bis zur abendlichen Rangverkündigung muss er ununterbrochen Autogramme geben und für Selfies hinstehen. Das tut er mit einer Gelassenheit, die ihresgleichen sucht. Selbst als eine Gruppe von Fans mit ihm posiert und plötzlich merkt, dass keiner mehr zum Fotografieren übrig bleibt, lacht Stucki nur und sagt: «Geili Sieche sit dr!»
«Sehr stolz auf Stucki»: alt Bundesrat Samuel Schmid (l.) und Kabarettist Beat Schlatter.
Kurt ReichenbachAngefeuert von fast 5000 Zuschauenden, tritt Christian Stucki im Schlussgang gegen den Emmentaler Chris- tian Gerber (32) an. Höchstens zwölf Minuten bleiben beiden, den jeweils anderen auf den Rücken zu legen – und sie reizen dieses Maximum brutal aus. Erst in der allerletzten Minute bezwingt Stucki seinen Gegner mit einem explosiven Kurz-Angriff. Der Speaker bringts auf den Punkt: «Schöner chasch nid höre.»
Gefühlslagencheck nach jedem Gang: Auch der Presse gibt Stucki bereitwillig Auskunft.
Kurt ReichenbachWenn ein Bär wie Christian Stucki nach seinem Sieg zu weinen beginnt, dann berührt das auch den grössten Mürggu (ausser er liegt bereits verkatert unter der Tribüne).
Fototermin mit Willy. Dass der Siegermuni an Stucki geht, haben sich die (früheren) Besitzer Nicole und Michael Stähli insgeheim gewünscht.
Kurt Reichenbach«Merci viu mau für aues, Schätzeli», dankt Stucki seiner Frau Cécile (42) die ihn seit 13 Jahren unterstützt. Sie ist sichtlich gerührt, das erkennt man trotz grosser, schwarzer Sonnenbrille. Ein herzliches Merci geht auch an «Ma» Daniela (63) und «Pa» Willi (67): «Ohne euch wäre das nicht möglich gewesen, ich wäre gar nicht da.»
Unterstützung an vorderster Stelle: Nach dem vierten Gang macht Stucki bei seiner Frau Cécile einen Müntschi-Halt.
Kurt ReichenbachEmotional durchgeschüttelt, schweissgebadet und im Wissen darum, dass er bald frisch geduscht zur Krönung antreten muss, schüttelt Stucki Hände bis zum Umfallen. Weil er weiss, dass er ohne seine Fans nicht dort stehen würde, wo er heute steht.
Erleichterung nach dem Sieg: Stucki (r.) mit Christian Gerber, gegen den er im vierten Gang die einzige Niederlage des Tages hinnehmen musste.
Kurt ReichenbachFamilie und Freunde, ja alle, die dem Schwinger nahestehen, tragen zu seinem Abschied ein Shirt mit der Aufschrift: «Für immer üse Chönig». Den Titel Schwingerkönig behält Stucki auf Lebzeiten. Aber er bleibt auch unvergessen als Gmüetsmoore und Berner Bär, als nahbar und bodenständig, kurz: als König der Herzen.
Schwingerkönig trifft Sprintkönigin: Mujinga Kambundji (r.) mit Ehe- paar Stucki.
Kurt ReichenbachProminente Unterstützung: mit Matthias Glarner, Schwingerkönig 2016 (l.).
Kurt Reichenbach