Die Enten schlafen auf dem Eis des Türlersees. Die Kälte scheint sie von einem Bad abzuhalten. Dodo schreitet näher ans Ufer, eins, zwei, zehn – eine Ente nach der anderen fliegt zum nicht gefrorenen Teil des Sees. «Jetzt kommen sie alle», sagt der 44-jährige Musiker, bereit, in den vier Grad kalten See bei Aeugst am Albis ZH zu steigen.
Seit zwei Jahren badet oder duscht Dodo täglich kalt. Längst ist die Wim-Hof-Methode zu einer Art Lebenseinstellung geworden. «Seit ich das mache, bin ich nicht mehr krank gewesen», sagt Dodo. Zuvor war der in Kenia geborene und an der Elfenbeinküste aufgewachsene Zürcher ein Sonnenanbeter. «Es musste erst etwas passieren, dass ich in die Kälte ging.»
Vor drei Jahren verlor Dodo sein Studio an der Pfingstweidstrasse in Zürich, in dem er wohnte und Hit-Alben für Lo & Leduc, Nemo und Steff la Cheffe produzierte. Das Gebäude wurde abgerissen, und für einen Moment wusste Dodo nicht, wie es weitergeht.
Doch Dodo, der für Good Vibes wie «Hippie-Bus» bekannt ist, wäre nicht Dodo, wenn er nicht mit Optimismus nach vorne blicken würde. So sagte er sich: «Jetzt musst du eben ins kalte Wasser springen.» Eine Metapher, die er bald wortwörtlich nimmt, denn auf Youtube ploppen bei ihm immer wieder Berichte des Extremsportlers Wim Hof, 61, auf, der die Kälte für sich entdeckte. Dodo ist fasziniert. «Ich reiste für eine Woche nach Polen an seinen Workshop.» Bereits am ersten Tag hiess es: nur in Unterhose und mit Wanderschuhen bekleidet eine Stunde «Silent Walking» in der verschneiten Berglandschaft. «Der Mensch stirbt bei Kälte nicht sofort, wir halten sie aus.» Ende Woche dauerte die Wanderung dann gar drei Stunden – auf den Berg Śnieżka.
Dodo hält sich die Hände vors Gesicht, atmet bewusst ein und aus. «Es ist wichtig, bei sich zu bleiben, denn bei Kälte ist die normale Reaktion unseres Dinosaurier-Hirns: Gefahr, du musst flüchten. Durch das eigene Bewusstsein kann er seine Atmung kontrollieren, Körper und Nervensystem beruhigen sich, und er erreicht einen fast meditativen Zustand, in dem er viel aushalten kann. Eines vorweg: «Es ist kalt, auch für mich. Und jedes Mal eine Mutprobe. Manchmal steige ich auch sofort wieder raus.» Genau das sei das Schöne: «Ich lerne, auf mich und meine Grenzen zu hören», sagt er. «Und ich liebe Unsicherheiten. Denn sie haben für mich viel mit Freiheit zu tun. Ich begebe mich bewusst in Unsicherheiten, damit ich meine Grenzen sprengen, lernen und als Mensch wachsen kann.»
Herausforderungen hat der Reggae- Musiker denn auch genug. Sein Traum, mit einem zu einem Studio umgebauten Container via Schiffsweg bis nach Südafrika zu fahren, wurde von der Pandemie durchkreuzt. Es entsteht die Ersatzidee, auf die Schweizer Pässe zu reisen. Gedacht und einigen Kritikern zum Trotz getan. Dreieinhalb Monate verbrachte Dodo im Herbst 2020 in seinem korallenfarbigen «Ministry of Good Vibes» auf Grimsel-, Furka- und Oberalppass. Täglich badete er in Brunnen, der Rheinquelle oder in Gletscherseen und schrieb die Lieder zu seinem soeben erschienenen Album «Pass». «Wenn ich einen neuen Song geschrieben habe, friert es mich, und ich bekomme Gänsehaut – Eisbaden hin oder her.»
Dodo entsteigt dem Türlersee. Zehn Minuten hat er mit den Enten gebadet. «Bei Kälte zieht der Körper als Erstes die Wärme aus den Extremitäten.» Dodo zittert, wirft sich den Surfer- Hoodie über, trinkt eine Tasse Tee. «Jetzt kommts! Das Blut fliesst zu- rück in Hände und Füsse, das gibt mir einen Rush!» Mit dem Blut kommt auch das Erfolgserlebnis. Wieder hat er die Herausforderung geschafft, ist bereit für alles, was der Tag noch zu bieten hat.