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SRF-Sparhammer

Sendeschluss? Nicht mit uns!

68 Millionen Franken will das Schweizer Radio und Fernsehen bis 2022 sparen – und kippt Sendungen aus dem Programm. Betroffene aus Literatur, Volksmusik und Religion werden laut – damit sie nicht leise verschwinden.

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SRF Leistungsabbau, Sepp Truetsch, 2020

Volksmusiklegende Sepp Trütsch sieht zwar ein, dass gewisse Sparmassnahmen Sinn machen. Den «ständigen Abbau» im Folklorebereich empfindet er aber als Affront gegenüber der Schweizer Kultur.

Geri Born

Komplett streicht SRF im TV die Sendungen Viva Volksmusik, Einstein Spezial, Sternstunde Musik und Arena/Reporter. Statt zwei gibts 2021 nur eine heimische Tatort-Folge. Fernsehfilme werden keine neuen produziert. Auslaufen wird die Dokureihe Netz Natur mit Biologe Andreas Moser, der 2021 pensioniert wird. Die Dokusoap Mini Schwiiz, dini Schwiiz gibts auch nur noch bis kommenden Sommer, sie soll dann durch ähnliche Formate ersetzt werden. Aussteigen wird das SRF zudem bei Übertragungen von Events wie Basel Tattoo, Zirkusfestival Monte Carlo und Art on Ice.

Nicht mehr ins Programm zurück kehrt Sportaktuell; die tägliche Sendung war Corona- bedingt bereits ausgesetzt. Ganz gekippt wird das Magazin ECO zugunsten eines wöchentlichen Talks zu Wirtschaftsthemen. Auch beim Radio verzichtet SRF auf eine Reihe von Sendungen. Dazu gehören Zwischenhalt und Blickpunkt Religion sowie Morgengeschichte und 52 beste Bücher.

Das sagen Ruth Schweikert, Sepp Trütsch, Rita Famos und Linard Bardill zum SRF-Sparhammer:

Ruth Schweikert, 55 – Schriftstellerin

SRF Leistungsabbau, Ruth Schweikert, 2020

Im Haushalt von Schriftstellerin Ruth Schweikert gibts viele Bücher. Und ein oldschool Radio.

Geri Born
«Wir verstehen. Aber warum bezieht man uns nicht ein?»

«Aha, okay. Aber was denn jetzt? Der Entscheid, das Format ‹52 beste Bücher› auf Radio SRF 2 Kultur zu streichen, fordert mich heraus. Ich will wissen: Wo sind eure Ideen? Wie gebt ihr Anspruchsvolles, Komplexes wie Literatur in Zukunft weiter?

So wie ich haben sich zahlreiche Kulturschaffende vor nicht allzu langer Zeit gegen die No-Billag-Initiative starkgemacht. Vor zwei Jahren haben sich viele vor SRF gestellt. Und zwar mit unentgeltlichem Engagement. Auch deshalb fühlte sich der eine oder die andere durch den neuen Beschluss schon etwas desavouiert.

Doch der offene Brief, den wir – einige Schriftstellerinnen und Schriftsteller – wegen der Kürzungen an Direktorin Nathalie Wappler gerichtet haben, ist kein Wutbrief. Wir verstehen. Natürlich muss man sich an die sich verändernden Hörgewohnheiten anpassen. Wie wäre es aber, wenn man uns einbezieht, bevor man ganze Formate streicht? Nicht weil man davon ausgeht, dass man unser Ego pflegen muss. Sondern, weil wir Ideen haben. Ihr wollt mehr Junge gewinnen? Da schreit jede Autorin und jeder Autor sofort Ja!

Aber dieses Kurzfutter, diese Vereinfachung in der medialen Berichterstattung, ist zwiespältig. Dieses permanente Jetzt, Jetzt, Jetzt – jetzt und immer wissen zu wollen, was gerade in der Welt passiert, um es fünf Minuten später wieder zu vergessen. Wir merken doch alle, dass uns das nicht befriedigt. Die Alten nicht und die Jungen genauso wenig.»

Sepp Trütsch, 71 – Volksmusik-Moderationslegende

SRF Leistungsabbau, Sepp Truetsch, 2020

Sepp Trütsch daheim in Schwyz. Er arbeitete 22 Jahre für SF DRS unter anderem als Ressortleiter Folklore.

Geri Born
«Swissness und Volksmusik haben keine Lobby mehr»

«Früher setzte ich mich mit Kurt Felix höchstpersönlich beim Bundesrat dafür ein, dass DRS mehr Swissness zeigt – mit Erfolg. Heute gibt es leider keine starke Lobby mehr dafür, weder im Parlament noch in der Regierung.

Dabei lautet der Auftrag von SRF eindeutig: das Publikum befriedigen – und nicht die Fernsehdirektorin! Grundsätzlich finde ich es falsch, Seniorinnen und Senioren beiseitezulassen. Sie gehören zum zahlungskräftigen Publikum. Schon zu meiner Zeit schauten 20-Jährige abends nicht fern. Dieser Jugendwahn ist einfach nicht realistisch.

Ich sehe ein, dass gewisse Sparmassnahmen Sinn ergeben und dass man Synergien schafft. Aber dieser ständige Abbau im Folklore-Bereich ist ein Affront für ältere Leute und die Schweizer Kultur. Es schmerzt mich, das zu sehen. Hat die SRF-Chefetage etwa vergessen, dass ein Millionenpublikum unseren Volksmusik-Sendungen zusah? Ich mag Nicolas Senn, der seine ersten grossen Auftritte als Bub in meinen Sendungen hatte. Wenn sein ‹Viva Volksmusik› einmal abgesetzt ist, weiss ich nicht mehr, was ich schauen soll – und dann werde ich mich erst recht über das Sparprogramm ärgern.»

Rita Famos, 54 – Pfarrerin und ehemalige Sprecherin beim «Wort zum Sonntag»

SRF Leistungsabbau, Rita Famos, 2020

Rita Famos schaut und hört daheim regelmässig SRF. Auf die «Arena» könnte sie verzichten.

Geri Born
«SRF und Kirche haben ein Monopol verloren»

«Mit ‹Blickpunkt Religion› und ‹Zwischenhalt› auf Radio SRF 1 werden gleich zwei Sendungen mit Substanz gestrichen. Zwei Sendungen zum Thema Religion mit intensiven Hintergrundrecherchen. Ob man sich da als Vertreterin dieses Bereichs irrelevant vorkommt? Ob man da wütend ist? Auch. Aber nicht nur.

Ich habe einerseits grosses Verständnis. Dem SRF geht es schliesslich wie der Kirche. Wir haben ein Monopol verloren. Wir müssen umdenken. Wir müssen den Rotstift ansetzen, sparen und gleichzeitig neue Kanäle entwickeln, um neue, grössere Zielgruppen anzusprechen.

Andererseits mache ich mir Sorgen. ‹Blickpunkt Religion› und ‹Zwischenhalt› haben in-formiert. Auch über die Gefahren. Wir haben Probleme mit radikalen Religionen. Mit solchen, die Glauben in einem ungesunden Sinn fördern. Und die Jugendlichen sind auf der Suche. Deshalb sind Spiritualität oder die verschiedenen Religionsgemeinschaften so unglaublich wichtige Themen. Und Service public bedeutet, solche Themenschwerpunkte zu bedienen, zu informieren und aufzuklären. Solche Formate müssen wieder entwickelt werden. Doch ich bin geduldig. SRF ist in Bewegung und auf der Suche.»

Linard Bardill, 64 – Liedermacher und Schriftsteller

SRF Leistungsabbau, Linard Bardill, 2020

Linard Bardill gehört zu den Autoren, deren Morgengeschichten regelmässig im Radio SRF 1 zu hören sind.

Geri Born
«Ich empfinde es als massiven Verrat»

«Die Streichung von ‹Morgengeschichte› auf Radio SRF 1 betrifft mich als Autor direkt. Geschichten sind ein Urbedürfnis des Menschen, das spürte ich besonders im Lockdown. Noch nie erhielt ich so viele Rückmeldungen! Vor allem Seniorinnen und Senioren hören zu, sie leben von Erinnerungen. Jetzt nimmt man ihnen ihr Lebenselixier weg. Junge würden kaum zuhören, begründet SRF sein Sparprogramm. Da wäre ich mir nicht so sicher. Und wenn doch: Weshalb sollten ältere Zuhörerinnen und Zuhörer nicht eine Sendung für sich haben? Man straft eine Hörergruppe, die notabene immer grösser wird, ungerechtfertigt ab. Ich finde das diskriminierend.

Bei der Digitalisierung wird SRF starken Gegenwind spüren. Die Konkurrenz gibt längst schon Gas. Doch zurückholen können wir eingesparte Sendungen dann nicht mehr.

Immerhin finden Hörspiele weiterhin auf SRF statt. Ich wünsche mir aber mehr seriöse Auseinandersetzung mit Kultur im Radio. Ein reiches Land mit so hohen TV- und Radio-Gebühren muss sich das leisten können. Ich hätte mich als Kulturschaffender nicht dermassen gegen die No-Billag-Initiative eingesetzt, wenn ich gewusst hätte, dass man unseren Bereich dereinst wegspart. Das empfinde ich als massiven Verrat.»

Von Onur Ogul und Rahel Zingg am 17. Oktober 2020 - 18:09 Uhr