Traumtag in Kalifornien: Der glitzernde Strand liegt vor ihm, die Schneeberge sind greifbar nahe im Rücken. Aber Seya Hug, 24, träumt derzeit weder vom Wellenreiten noch vom Skifahren, sondern von einer Schauspielkarriere – so wie einst sein Vater, Kampfsportler Andy Hug,†35, der 2000 an Leukämie starb und sich den Wunsch leider nicht erfüllen konnte. Seya wuchs in Horw LU auf, aber Los Angeles ist nicht erst seit sechs Jahren seine zweite Heimat: «Zum ersten Mal lebte ich hier als Dreijähriger. Während meine Mutter in Santa Monica Kunst und Design studierte, ging ich in den Vorkindergarten», erzählt er beim Kaffeeschwatz in seiner Dreizimmerwohnung in der Nähe des Jachthafens von Marina del Rey.
Mama Ilona Hug, 54, die in der Schweiz eine Immobilien- und Designfirma leitet, ist zurzeit gerade auf Besuch. Die Tür ist immer offen für sie und das Gästezimmer bereit. Die beiden haben eine sehr enge Verbindung, zusammengeschweisst durch das gemeinsame Schicksal. «Meine Mutter gab mir immer alles, was ich brauchte», so Seya. «Sie hat mich emotional stets unterstützt und mir gezeigt, dass sie für mich da ist. Sie ist mit Abstand mein grösstes Vorbild.»
Inzwischen gibt es aber eine weitere wichtige Frau in Seyas Leben: seine Ehefrau Taylor, 23. Die Schwiegermutter steht voll hinter ihr: «Sie und mein Bruder haben uns ja verkuppelt!», schmunzelt die Texanerin. Ilona erklärt: «Bevor Seya hier einzog, hatte ich Kontakt mit dem Gebäudeverwalter. Wir wurden Freunde, und er erzählte, er hätte in Texas eine Schwester in Seyas Alter.» Bilder wurden ausgetauscht. Ein gemeinsames Abendessen vereinbart. Es hat gleich gefunkt.
Im Herbst 2016 haben die beiden in einem Haus von Freunden über den Klippen von Malibu geheiratet. Er war knapp 22, sie 21. Nicht zu jung, finden alle drei. «Meine Eltern haben auch mit 21 geheiratet, das ist in Texas nicht unüblich», sagt die Innendekorateurin. Ilona wäre es auch recht, wenn es schon bald Nachwuchs gäbe. Aber damit eilt es dem jungen Paar dann doch noch nicht. Erst wollen sie sich beruflich etablieren. «Und wir haben ja diese beiden Verrückten hier», meint Seya und holt Cookie, eine seiner beiden langbeinigen sprungkräftigen Oci-Katzen, vom Gitter an der Balkontür herunter.
Beruflich gehts vorwärts: Im Mixed-Martial-Arts-Film «Shiner» hat Seya, der in Zug in die International School ging und daher akzentfrei Englisch spricht, bereits seine erste Hauptrolle gespielt. Der Film handelt von einem Neuling, der sich als Kämpfer etablieren will und in die Underground-Szene der Kampfwelt gerät. «Es war ganz toll», schwärmt Seya Hug vom ersten Drehtag des Films, der von seiner Mutter mitproduziert wurde. «Ich war sehr nervös, aber nach dem ersten Take fiel mir eine Last von den Schultern. Mir wurde klar: Das möchte ich machen bis an mein Lebensende.»
Seya Hug hat als Achtjähriger mit Taekwondo angefangen. Für Fussball kann er sich nie wirklich begeistern, obwohl der Freund seiner Mutter Trainer bei Sion war: «Der Kampfsport ist offenbar in meiner DNA.» Er boxt täglich im Fitnessraum seiner Siedlung oder geht ins Jiu-Jitsu-Training. Kampfsport soll ihm einen Vorteil für Actionfilme geben. Seya und Ilona Hug haben trotz Rückschlägen nach wie vor im Sinn, das Leben von Andy Hug zu verfilmen. «Ich glaube, es ist vorbestimmt, dass ich den Schauspieltraum von uns beiden erfülle», so Seya Hug, der sich nie von der Erblast eines berühmten Vaters distanzieren wollte. «Ich denke jeden Tag an ihn und will ihn stolz machen. Das tue ich, indem ich meiner Leidenschaft folge und mich um Mom kümmere, so wie er es immer getan hat.»
Nach zwei Jahren Film- und Wirtschaftsstudium an der Uni konzentriert sich der Fan von Tom Hardy und Daniel Day-Lewis nun ganz auf die Schauspielerei. Wenn es nicht vorwärtsgeht, wird Seya, dessen Name «heiliger Pfeil» bedeutet, manchmal ungeduldig und will alles aufgeben: «Da habe ich zum Glück Taylor und mein Mami, die mich beruhigen und mir den Kopf wieder zurechtrücken.» Heute ist er die Ruhe selbst. Er meditiert, seit er in jüngeren Jahren von Panikattacken geplagt wurde. «Wohl auch weil er seinen Vater so früh verloren hat», schätzt Ilona.
Andy Hug ist sehr präsent in Seyas Leben. Nebst Ilonas Designkunst ziert Andys Samurai-Schwert das Wohnzimmer. Ein Foto von Vater und Sohn ist gut sichtbar neben dem Fernseher platziert und dient als Hintergrundbild seines iPhones. Jedes Mal, wenn er einen Vater mit seinem Sohn zusammen am Strand spazieren gehen sieht, hat er vor Augen, was er in seinem Leben verpasst. Ein Grund mehr, den gemeinsamen Traum weiterzuverfolgen.
Es ist Abend geworden. Wie wärs mit einem Drink? Seya ist Teilhaber einer Cocktail-Bar in West Hollywood, und zum Ausgleich steht er manchmal selber hinter dem Tresen und mixt Drinks für die Gäste: «Kommt vorbei, ich mache einen hervorragenden Negroni!»