Julie Derron, Triathlon: Das Rennen ihres Lebens
Es ist vorbei mit der Ruhe in dem kleinen Café direkt am Trocadéro. Julie Derron hat ihre Silbermedaille ausgepackt. Und die fällt auf. Servicepersonal, Sicherheitsleute, Touristen – alle wollen ein Selfie mit der Schweizer Triathletin. Die 27-jährige Zürcherin erfüllt geduldig und mit einem Lachen im Gesicht alle Fotowünsche.
Die Medaille ist – das darf man getrost so sagen – eine Überraschung. Auch für Julie Derron selbst. Auf der Velostrecke übernimmt sie die Führung und gibt sie bis kurz vor dem Ende der Laufstrecke nicht mehr ab. Erst auf den letzten Kilometern wird sie von der Französin Cassandre Beaugrand, die Olympiasiegerin wird, überholt.
Bewusster Verzicht auf Emotionen
«Ich bin einfach mein Tempo gelaufen», erzählt Julie Derron während der kurzen Verschnaufpause im Café. «Und ich war erstaunt, dass die anderen mich nicht überholt haben. Es war sehr ungewöhnlich für mich, an dieser Position zu rennen.»
Es ist das Rennen ihres Lebens. Julie Derron hat sich gut vorbereitet, sogar auf die Eröffnungsfeier verzichtet. «Für die Emotionen wäre diese sicher toll gewesen», meint sie. «Für den Wettbewerb dagegen weniger. Zumal es noch so geregnet hat.» Um vier Uhr morgens muss sie am Wettkampftag aus dem Bett, um die 1,5 Kilometer Schwimmen in der Seine, die 40 Kilometer auf dem Rennrad und die 10 Kilometer Laufen in Angriff zu nehmen. Keine leichte Strecke: Das Schwimmen findet in der Seine statt; es gilt, die halbe Strecke mit und die andere Hälfte gegen den Strom zu schwimmen. Auch die Velostrecke forderte ihren Tribut – vom Regen rutschig, wird sie mehreren Sportlerinnen zum Verhängnis. Julie Derron stürzt nicht und kurvt souverän durch Paris. Zusätzlich pushen sie die Jubelschreie entlang der Strecke. «Der Lärm war überwältigend», erinnert sie sich. «Die Fans haben alle angefeuert. Aber ich habe sehr viel französischen Jubel gehört. Das hat mich nur noch mehr angespornt.» Nach einer Stunde, 55 Minuten und einer Sekunde kommt sie ins Ziel – sechs Sekunden hinter der Gewinnerin. Für Derron dennoch ein Sieg. «Ich bin sehr happy über Silber und nicht traurig wegen des verpassten Goldes.»
Alle Schwestern Triathletinnen
Ihre Eltern und ihre älteren Schwestern Nina und Michelle unterstützen Julie in Paris. Alle drei Derron-Schwestern sind als Triathletinnen aktiv. Die Silbermedaille der jüngsten Tochter wird noch in der französischen Hauptstadt ausgiebig gefeiert. Es bleibt nur wenig Zeit für Erholung. Julie Derron läuft wenige Tage nach ihrem Silber-Coup noch in der Mixed-Staffel. Hier reicht es nicht mehr für das Podest, doch zur Silbermedaille gibts noch ein olympisches Diplom – Rang 7 für das Schweizer Team.
Roman Mityukov, Schwimmen: Lohn für harte Arbeit
Er wirkt überwältigt, hält kurz inne, als er die Maison Suisse betritt, wo ihm 500 Fans frenetisch zujubeln. Doch dann streckt Roman Mityukov die Hände in die Höhe. Kurz zuvor hat der 24-jährige Genfer Bronze geholt über 200 Meter Rückenschwimmen. «Es ist unglaublich, ich habe davon geträumt, und nun habe ich diese Medaille», erzählt er begeistert – und ein bisschen müde. Nur vier Stunden Schlaf hat er vor der Feier bekommen. «Ich werde noch viel Zeit haben zu schlafen, in den Sommerferien», meint er mit einem Lachen. So ganz realisiert hat er noch nicht, was passiert ist. «Ich brauche wohl noch ein paar Tage. Aber es ist toll, die Freude all der Leute hier zu spüren. Damit habe ich nicht gerechnet. Ich bin sehr stolz.» Seine 1:54,85 Minuten sind zugleich Schweizer Rekord – Mityukov ist zudem erst der vierte Schweizer überhaupt, der eine Medaille im Schwimmen holen kann. Der Genfer, der noch bei seinen Eltern wohnt, ist mit 1,80 Meter für einen Rückenschwimmer eher klein. Deshalb glaubt er, mehr trainieren zu müssen als andere. Und das hat er in den vergangenen zwei Jahren intensiv getan. Neben dem Schwimmen studiert der junge Mann mit russischen Wurzeln Rechtswissenschaften. Ebenso ehrgeizig. Geträumt hat er von Gold – geholt hat er Bronze. Doch in vier Jahren sind wieder Olympische Spiele.
Steve Guerdat, Springreiten: «Zwei Medaillen sind selten»
Man hat den Eindruck, es ist ihm alles ein bisschen peinlich – der ganze Rummel, der um ihn gemacht wird. Doch Steve Guerdat lächelt. Zwölf Jahre nach seinem Olympiasieg in London holt der 42-Jährige in Paris Silber. Hinzu kommt eine Bronzemedaille mit der Mannschaft aus Peking 2008. «Zwei Einzelmedaillen sind in unserer Sportart sehr selten», sagt der Springreiter. «Dieses Silber hat deshalb den höheren Wert für mich als Gold aus London.» Unheimlich zufrieden sei er – und auch etwas stolz. Der Finalparcours im Schlossgarten von Versailles verlangt den Reitenden alles ab. Guerdat und seine Stute Dynamix de Belheme müssen ins Stechen. Beim Kampf gegen die Zeit fällt eine Stange. Platz 2 hinter dem Deutschen Christian Kukuk. Egal. Jetzt wird gefeiert. Mit Freunden, Frau und Tochter. «Sie stehen hinter mir, wenns nicht gut läuft. Ich bin froh, sind sie auch jetzt an meiner Seite.»
Zoé Claessens, BMX-Race: Die Sammlung wächst
Es ist eine historische Bronzemedaille. Die erste überhaupt für die Schweiz im BMX-Rennfahren. Und sie gehört der 23-jährigen Waadtländerin Zoé Claessens. «Als ich über die Ziellinie fuhr, dachte ich nicht sofort an die Medaille», erzählt sie nach ihrem Coup. «Ich war im Kopf noch ganz bei meiner Leistung, meinen kleinen Fehlern.» Als sie realisiert habe, dass sie eine Medaille geholt hat, sei sie sehr emotional geworden. «Es war einfach unglaublich.» Ihre Familie und viele Freunde fieberten mit – und feierten später mit Zoé. Claessens stammt aus einer BMX-verrückten Familie. Auch vier ihrer Geschwister sind auf dem Rad unterwegs. Ihr Vater gründete einst den BMX-Verein von Echichens VD. Nun gibt es in der Familie auch eine Olympiamedaille. Die hat auch schon einen Platz: In ihrem Zimmer sind alle bisherigen Medaillen von Claessens ausgestellt. Jetzt kommt eine neue dazu.
Andrin Gulich & Roman Röösli, Rudern: Fast so schön wie Gold
Drei Anläufe brauchte Roman Röösli, um sich endlich olympisches Edelmetall umhängen zu lassen. Nach Rio und Tokio hat es in Paris nun endlich geklappt – im «Zweier ohne» mit seinem Teamkollegen und Freund Andrin Gulich. Bronze für das luzernisch-zürcherische Doppel. Doch die beiden Ruderer müssen sich richtig ins Zeug legen, um den dritten Platz zu erkämpfen. «Ich habe sogar bei der Siegerehrung noch weisse Punkte gesehen», erzählt der 30-jährige Röösli lachend. Jetzt darf er sich entspannen, seine Freundin in die Arme schliessen. «Es war ein langer Wettkampf, und davor hatten wir noch ein Trainingslager.
Sie unterstützt mich sehr, es war ein schöner Moment, sie zu sehen.» Auch der 25-jährige Gulich freut sich über den Besuch von Familie und Freunden. «Jetzt können wir es einfach genies-sen. Wir waren zuständig fürs Rennen, sie für das Organisieren der Party. Mal schauen, ob sie auch eine Medaille bekommen.» Gulich ruderte mit Schmerzen im Unterarm. Er schaffte es, diese zu ignorieren. Belohnt wurde das Duo mit Bronze – das fast so schön glänzt wie Gold.