Endlich etwas Zeit zu zweit. Nach seinem Wettkampf hat Simon Ehammer zusammen mit seiner Verlobten Tatjana Meklau (24) ein paar Tage, um Paris zu erkunden. Das Paar schlendert Hand in Hand durch die Strassen der französischen Hauptstadt. Simon Ehammer lächelt, wirkt gelöst. Er hat akzeptiert, dass es an diesen Olympischen Spielen, seinen ersten, nicht ganz für eine Medaille gereicht hat. Rang 4 im Weitsprung mit einem Satz auf 8,20 Meter, eine sensationelle Leistung. Seit über 30 Jahren war kein Schweizer Leichtathlet so gut klassiert bei Olympia wie der 24-jährige Appenzeller. Ehammer weiss das. Trotzdem. «Der vierte Platz wird immer eine grossartige Leistung sein. Es wird aber auch immer etwas Ärger dabei sein. Auch in zwei Jahren. Oder in vier.»
«Ich konnte alles zeigen»
Nach dem Wettkampf ist Simon Ehammer mit seiner Verlobten in ein Hotel umgezogen – offeriert von einem Partner. Im mit Pflanzen reich dekorierten Innenhof bestellt er sich einen Amaretto Sour – seinen Lieblingsdrink. Tatjana ordert einen weissen Martini. Die Arbeit ist vorerst getan. «Drei sind eben besser gewesen als ich», resümiert er. «Ich bin in einer Position, in der ich enttäuscht bin mit einem erfreulichen Resultat. Viele gehen heim und konnten nicht zeigen, was sie können. Ich konnte alles zeigen.» Und: «Das Podest wäre möglich gewesen.»
Nach seinem Einsatz wurde Ehammer vom Athleten zum Fan. Beachvolleyball würde er gern schauen – «vor allem wegen der grossartigen Kulisse». Ein paar Sponsorentermine stehen auf der Agenda. «Aber vor allem wollen wir uns keinen Druck machen. Wir tun, wozu wir Lust haben.» Mit seinem Wettkampf ist Simon Ehammer zufrieden. «Ich hatte schon die ganze Saison eine gute Konstanz, Sprünge auf 8,20 Meter waren üblich. In Paris habe ich es mir mit Kleinigkeiten verspielt, habe den Balken schlecht getroffen.» Fast 15 Zentimeter verschenkte Ehammer beim Absprung. Wäre er perfekt abgesprungen, wären die fast 8,35 Meter wohl die Medaille gewesen.
Seinen Entscheid, im Weitsprung anzutreten und auf den Zehnkampf zu verzichten, sei gut gewesen, bilanziert der Appenzeller. «Mir fehlte es nach meiner Schulteroperation an Training im Wurfbereich.» Trotzdem sei es richtig gewesen, die Schulter zu operieren – so bestand zumindest Hoffnung, dass es für den Zehnkampf reichen könnte. «Ohne Operation hätte ich wohl unter Schmerzen aufgeben müssen.» Den olympischen Zehnkampf hat Ehammer mitverfolgt. Und fleissig Punkte gezählt ... Hätte es gereicht? Wäre es möglich gewesen? «Vielleicht. Mit einer Bestleistung im Zehnkampf wäre auch hier eine Medaille dringelegen.» Er verwirft den Gedanken, es bringt nichts, darüber nachzudenken. «Ich habe momentan nicht die Substanz für einen Zehnkampf.»
Alle sind da: ein gutes Gefühl
Im Stadion unterstützt hat ihn seine Verlobte Tatjana Meklau. Sie erholt sich aktuell von einer Knieoperation, befindet sich in der Rehabilitation. Frühestens im Januar wird die Skicrosserin wieder auf dem Schnee trainieren können, zwar noch eine Saison verpassen. «Ich bin aber froh, dass die Medizin es mir ermöglicht, weiterhin meine Träume zu leben», sagt sie. Doch nicht nur Tatjana war live dabei. Auch ihre Schwester war vor Ort, ebenso Simons Geschwister, seine Eltern mit ihren jeweiligen Partnern und ein guter Freund, der mit seinem Vater angereist war. «Es war cool, dass sie da waren.» Leider habe die Gruppe aufgrund der Ticketvergabe nicht beieinandersitzen können. «Es waren alle irgendwo verteilt. So konnte ich sie nicht so richtig wahrnehmen», meint der Athlet. «Sonst kann ich einfach zu ihnen hochschauen. Das war hier nicht möglich. Aber es war gut zu wissen, sie sind da.»
Die Saison ist für Simon Ehammer noch nicht vorbei. Es warten unter anderem die Athletissima in Lausanne, Weltklasse Zürich, allenfalls der Diamond-League-Final in Brüssel. Er will weiterhin als Zehnkämpfer und als Weitspringer an den Start gehen und auf diese beiden Disziplinen bauen. Das grosse private Highlight jedoch findet Ende September statt. Dann heiratet Simon Ehammer im kleinen Kreis in Österreich seine grosse Liebe Tatjana. Die Ringe dafür haben beide bereits ausgesucht. Olympische Ringe sind in vier Jahren wieder ein Thema. 2028 finden die Spiele in Los Angeles statt. Dann sind es 40 Jahre seit der letzten Schweizer Leichtathletik-Medaille an Olympia – 1988 holte Werner Günthör in Seoul Bronze im Kugelstossen. «Ich denke, das war der Grund, warum es jetzt nicht geklappt hat», meint Ehammer mit einem Lächeln und nippt an seinem Drink. «Ich werde die Medaille in vier Jahren holen – 40 Jahre nach der letzten. Das tönt viel besser als 36 Jahre.»