Ein paar extra Squads mit einer 16-Kilo-Hantel? «Kein Problem!» Nochmals eine Extrarunde mit den Seilen? «Mach ich dir!» Muskelkater nach dem Training? «Kannst du vergessen!» Beatrice Egli, 33, lacht laut. «Ich habe hart trainiert! Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich ein Sixpack, bin so trainiert wie nie», sagt sie. «Es ist ein schönes Gefühl, das zu spüren.» Seit gut einem Jahr bereitet sich die Schlagersängerin aus Pfäffikon SZ nahe ihrer Heimatgemeinde mit ihrer Personal Trainerin Nikki Stalder, 52, auf ihre bisher grösste Herausforderung vor: die Besteigung des Matterhorns.
Vor ein paar Jahren war Beatrice Egli in Zermatt, schaute auf das Matterhorn und dachte: «Ach, da möchte ich auch mal hoch.» Als sie im Sommer 2020 auf einer Glacier-Express-Reise von St. Moritz nach Zermatt war, erinnerte sie sich an ihr Vorhaben – schliesslich waren wegen Corona alle ihre Konzerte abgesagt worden. Egli informierte ihr Team und kam mit Schweiz Tourismus in Kontakt. Nun, Ende Juli, steht im Rahmen der «100% Women Peak Challenge» von Schweiz Tourismus die Erklimmung des ehrwürdigen Horu an. «Schneller, als gedacht», sagt Egli. «Die Idee entstand aus einem Floh, den ich mir ins Ohr setzte. Das ist öfters in meinem Leben so: Ich will etwas machen, überlege aber nicht, was es heisst.» In diesem Fall bedeutet es vor allem viel Schweiss. «Ganz ehrlich, ich war immer etwas sportlich, aber ich bin keine Bergsteigerin, sondern eine Geniesserin und hoffe einfach für mich, dass ich es auch geniessen kann.»
Alles zu Beatrice Egli
Beatrice Egli, wovon träumen Sie aktuell in der Nacht?
Ich träume, dass ich verschlafen habe und sie ohne mich aufs Matterhorn loslaufen. Dabei weiss ich, dass meine Bergführerin Suzanne nie ohne mich gehen würde! Statt um halb vier laufe ich dann erst um sechs Uhr los, und zwar völlig verwirrt. Und wenn ich intensive Trainings hatte, träume ich davon, dass ich weitertrainiere.
Wachen Sie schweissgebadet auf?
Tatsächlich träumte ich lieber vom Strand. Aber gleichzeitig ist es wichtig fürs Unterbewusstsein, sich so mental vorzubereiten. Es «schaffed» in mir, der Körper und die Seele bereiten sich vor. Solche Träume habe ich auch vor Tourneen.
«Mental muss man Beatrice nichts beibringen», sagt Nikki Stalder. «Wenn nichts mehr geht, gibt ihr Kopf den Takt vor, und es läuft.» Seit acht Jahren bereitet Stalder Egli auf ihre Tourneen oder Teilnahmen an TV-Shows wie «Ninja Warrior» vor. «Als ich Beatrice zum ersten Mal traf, war ihre Kondition ehrlich gesagt nicht sehr gut. Dass wir nun so viel Vorbereitungszeit hatten, ist toll.» Ausdauer, Rumpfmuskulatur, Kraft, Balance bis hin zu Atemübungen – seit September 2020 trainieren die zwei dreimal wöchentlich zusammen, entweder in Nikkis Studio oder per Videocall. «Als ich Nikki von meinem Matterhorn-Projekt erzählte und sie meinte, dass wirs schaffen, war die Entscheidung für mich klar», sagt Egli, die bereits bei ihrer Musikkarriere viel Durchhaltewillen bewies. Mit 14 Jahren stand sie zwar schon auf der Bühne, doch erst mit ihrem Sieg bei «Deutschland sucht den Superstar» schaffte die heutige mehrfache Gold/Platin-Alben-Preisträgerin 2013 den Durchbruch – fulminant und gleich international!
Was haben Sie über Ihren Körper gelernt?
Dass ich wahnsinnig gut Muskeln aufbauen kann, sehr explosiv bin und Power hab. Und ich habe gelernt, dass ich zu schnell reingehe. Meine Kurz- und Schnellkraft sind super, aber die Ausdauer war schlecht. Daran zu arbeiten, erfordert viel Geduld, die ich eigentlich nicht habe. Wenn ich mal Geduld besitze, dann bin ich ein anderer Mensch! (Lacht.) Und ich habe gelernt, dass Ruhephasen guttun und manchmal mehr bringen, als zu trainieren.
Hat sich Ihr Körperbewusstsein verändert?
Ich habe noch mehr gelernt, auf mich zu bauen, auf das, was da ist. Mir zu vertrauen. Mit Nikki habe ich viele Atemübungen gemacht. Das bewusste Atmen macht etwas mit mir, ich bin mehr im Leben. Und jeder Schritt hat mir wieder mehr Boden unter den Füssen gegeben. Corona und der Lockdown, die Tatsache, dass ich nicht wie gewohnt arbeiten konnte, zogen mir den Boden unter den Füssen weg. Beim vielen Gehen habe ich wieder den Stand gefunden. Ich bin sicher: Als ich intuitiv entschied, aufs Matterhorn zu gehen, hat mein Körper gewusst, dass er dieses Ziel und das Erden braucht. Dieses Gefühl, dass alles wieder gut kommt – und zwar Schritt für Schritt. Nur, was es genau bedeutet, habe ich mir nicht vorher überlegt – wie immer. Aber ich habe 33 Jahre gelernt, mit mir zu leben (lacht).
«Es ‹schaffed› in mir, Körper und Seele bereiten sich vor»
Beatrice Egli
Das Matterhorn gilt auch als Todesberg. Seit der Erstbesteigung 1865 sind mehr als 500 Menschen ums Leben gekommen. Mit der Historie hat sich Egli zu Beginn konfrontiert. In der Familie wurde zudem intensiv besprochen, dass es für sie jederzeit möglich sein soll zu sagen, dass es nicht geht. «Die Sicherheit steht an erster Stelle, auch wenn es mir sicher schwerfallen würde.» Dass ihre erfahrene Bergführerin Suzanne Hüsser ihr gesagt hat: «Ich nehme dich mit auf den Berg», gibt ihr Vertrauen. «Das war mir wichtig zu hören – von einer Person, die meine Verfassung von aussen einschätzen kann.» Auch die Geschichte der ersten Frau auf dem Matterhorn, Lucy Walker, gibt ihr Kraft. Vor 150 Jahren erklomm Walker «als Frau aus gutem Hause und im Rock» den Gipfel. «Sie ist ein Vorbild. Wenn sie es damals schaffte, dann muss es heute für mich auch möglich sein.»
Werden Sie einen Glücksbringer mitnehmen?
Eine Muttergottes habe ich bei wichtigen Events stets dabei. Und im Trainingscamp auf dem Riffelhorn habe ich einen Nagel von einem alten Schuh gefunden. Ich habe mir in den Kopf gesetzt, dass dieser von Lucy ist, und ihn in meinen Rucksack gepackt.
Begleitet Sie auch die Musik, oder ist die für einmal fehl am Platz?
Musik ist sehr wichtig. Die ganze Erfahrung hat mich zu vielen Liedern inspiriert, die jetzt noch mir gehören und erst am 27. August veröffentlicht werden. Zwei, drei höre ich in Dauerschleife, wenn ich nicht mehr mag. Eines heisst «Alles, was du brauchst» und ist meine neue Single wie auch der Albumtitel. Es geht darum, dass ich selbst alles bin, was ich brauche.
Spüren Sie einen Druck von aussen?
Extrem. Ich rufe öfters mit Panik mein Team an und sage, dass ichs nicht schaffe. Dass ich mich selber verrückt mache, hat System und brauche ich wohl. Es wäre komisch, wenn ich total entspannt wäre.
Hat Sie das Ganze zu etwas näher gebracht?
Aktuell bin ich ganz nah an meinen Grenzen und lerne sie kennen. Ich merke, dass mal der Kopf Stopp sagt und der Körper weiterhilft oder umgekehrt – oder beide sagen Stopp. Ängste spüre ich beim Abseilen, kann schwer loslassen. Auch die benötigte Ausdauer und die Länge der Expedition geben mir zu denken. Eines ist klar: Ich bin keine Maschine, sondern ein Mensch mit Ängsten und Zweifeln. Um diese zu überwinden, mache ich das alles auch. Aber ja, ich bin etwas crazy, dass ich solche neuen, extremen Projekte suche.