Es kommt nicht oft vor, dass Michi Angehrn, 31, seinen Mann auf der Bühne erlebt. «Warum auch?», meint der gelernte Koch und Foodscout achselzuckend. «Jonny kommt ja auch nicht mit mir zur Arbeit.»
Eine Ausnahme machen die beiden, wenn Jonny Fischer, 40, mit Divertimento in Arosa GR auftritt. Dann wird aus der «Geschäftsreise» ein gemeinsames Wochenende im Schnee. Und Michi sitzt im Publikum, wenn Jonny mit seinem Bühnenpartner Manu Burkart, 42, das chifelnde Musikerduo Thomas und Markus oder das flirtende Löwenpaar Leo und Lala gibt.
Mit dem aktuellen Programm «Sabbatical» haben Divertimento schier Unglaubliches geschafft: Sie knüpfen nach zwei Jahren Pause an den Erfolg der letzten Tour «Gate 10» an und toppen diesen mit 400 000 verkauften Tickets in fünf Tourjahren. Keine Frage: Das Duo ist endgültig auf dem Comedy-Olymp angekommen. Und in den Herzen der Schweizerinnen und Schweizer.
Das Herz seines Ehemannes hat Fischer vor sieben Jahren allerdings nicht wegen seines Jobs erobert. «Ich interessiere mich nicht so für Comedy. Ich hatte keine Ahnung, wer er ist», gesteht Michi Angehrn. «Und als er es wusste, wars ihm fast ein bisschen peinlich», sagt Jonny lachend. «Na ja – wer will schon einen Clown zum Mann?», flachst Michi.
Nun gewöhnt man sich bekanntlich an alles, wenn einem etwas – oder jemand – wichtig genug ist. Vor dreieinhalb Jahren gab sich das Paar das Jawort. Und schlitterte vor einem Jahr, zu Beginn des verflixten siebten Beziehungsjahres, in eine Krise. «Das klingt vielleicht ein bisschen paradox, aber ich liebe Michi so sehr, dass ich mich selbst fast ein bisschen verloren hatte», sagt Jonny. «Ich merkte, dass ich auch Dinge tun muss, die nur mir Spass machen, selbst wenn sie Michi nicht gefallen. Zum Beispiel Fussballschauen. Dass ich wieder mehr ich sein muss.»
«Ich belege das Bad definitiv länger als Jonny.»
Michi Angehrn
Jonny Fischer ist im Privatleben genau das abhandengekommen, was ihn auf der Bühne ausmacht: seine Authentizität. Egal, welche Figur er spielt – ob Ursula mit der feuchten Aussprache, «Extremsportler» Hans mit dem (vermeintlichen) Wortwitz oder den kiffenden Bündner Gianfranco – Jonny bleibt Jonny. Diese schauspielerisch eher lasche Interpretation ihrer Figuren machen Divertimento so unverwechselbar. Sie perfektionieren sozusagen das Unperfekte. Und erreichen damit eine Nähe zu ihrem Publikum, von der andere Comedians nur träumen können. Wie sehr die Fans Jonny lieben, bewiesen sie, als sie ihm vorletzte Woche den Publikumspreis Golden Glory der TV-Sendung «Glanz & Gloria» verliehen. «Was für ein Preis. Das berührt mich sehr», sagte Fischer in seiner Rede.
Aber es ist eben nicht immer alles Gold, was glänzt. Mit der Nähe geht auch eine gewisse Distanzlosigkeit einher. «Wenn Leute, die mir total unbekannt sind, bei einer Autogrammstunde oder auf Social Media zum Beispiel mein Aussehen kommentieren, irritiert mich das schon», gesteht Jonny. Zumal das Alter auch an ihm nicht spurlos vorbeigeht. Anfang Dezember ist er 40 geworden. Nicht, dass er damit ein Problem hätte. «Aber ich bemerke beim Blick in den Spiegel schon immer wieder die eine oder andere Falte mehr. Und Extrakilos auf den Rippen halten sich hartnäckiger als früher.»
Dabei ist Michi der Eitlere der beiden Männer. «Ich belege das Bad definitiv länger als Jonny», gesteht er. Wobei auch das ein bisschen beruflich bedingt ist. Jonny: «Wer sich regelmässig auf der Bühne zum Affen macht, ist mit Eitelkeit schlecht bedient.»
Egal sind ihm die körperlichen Veränderungen jedoch nicht. Darum werden sie im aktuellen Programm auch thematisiert. Genauso wie seine Homosexualität. «Ich habe weder sie noch meinen Partner Michi je versteckt», sagt Jonny Fischer. «Aber das Thema offensiv auf der Bühne anzusprechen, ist nochmals etwas anderes.»
Zumal das Paar schon Erfahrungen mit Homophobie gemacht hat. «Mein ehemaliger Partner wurde in meinem Beisein schon mal physisch angegriffen», erzählt Jonny Fischer. «Und als bekannt wurde, dass Michi und ich heiraten, bekamen wir sogar Morddrohungen.» Das seien Ausnahmefälle, betont er. Seit er vor Publikum offen mit seiner Homosexualität umgehe, sei er im Alltag viel entspannter, sagt Fischer. «Auch wenn ein händchenhaltendes Männerpaar in der Schweiz noch immer angestarrt wird.»
Das sei im südafrikanischen Kapstadt, wo das Ehepaar eine Wohnung besitzt, anders. «Die Leute dort sind extrem offen», sagt Michi Angehrn. Nicht nur deswegen haben sich die beiden in ihren ersten Ferien dort sofort in die Stadt verliebt. Jonny Fischer: «Es ist das Meer, das Essen, die Atmosphäre – einfach alles. Ich habe oft Tränen in den Augen, wenn ich nach dem Landen aus dem Flieger steige.»
So war auch die SRF-Dokumentation «Durch dick und dünn – Divertimento in Südafrika» eine wunderschöne Erfahrung für Jonny: «Ich konnte Manu nicht nur mein Traumland näherbringen, sondern ihm auch etwas zeigen, das ich mit Michi teile. Das war sehr wertvoll.»
Kürzlich haben sich Jonny und Michi eine weitere gemeinsame Wohnung zugetan. Die Bleibe in Zürich soll beiden die Möglichkeit geben, ein bisschen mehr Individualität zu leben. Jonny kann seine geliebten Fussballmatches schauen, ohne den Ton runterzudrehen. Und Michi, der in Zürich bei einem Start-up im Foodmarketing-Bereich arbeitet, kann auch mal mit Freunden in den Ausgang, ohne danach ins Zuhause des Paares nach Zug fahren zu müssen. «Wir probieren das jetzt mal aus», meint Jonny Fischer. «Wenn wir merken, dass es unserer Beziehung nicht guttut, machen wir es wieder rückgängig.»
Und noch etwas hat sich Jonny Fischer «zugetan»: einen neuen Job. Er ist bei einer Firma im Gesundheitssektor eingestiegen, die ein Programm anbietet, das Bewegung und Entspannung miteinander vereint. «Ich habe eine neue Website und eine App entworfen sowie ein Studio eröffnet. Darauf bin ich sehr stolz.» Es sei auch gut für ihn, ein Engagement abseits von Divertimento zu haben. Als Ausgleich – nicht als Alternative. Schliesslich wurde die «Sabbatical»-Tour wegen grosser Nachfrage gerade nochmals verlängert. Und vielleicht, aber nur vielleicht, sitzt Michi Angehrn dann wieder mal im Publikum.
Infos Die DVD zum aktuellen Divertimento-Programm «Sabbatical» gibts im Fachhandel. Tourdaten auf cabaret-divertimento.ch