FDP-Ständerat Thierry Burkart ist auf dem Sprung an die Spitze der Partei. Der 45-jährige Aargauer kandidiert als einziger Kandidat fürs FDP-Präsidium und dürfte demnach Anfang Oktober die Nachfolge der scheidenden Petra Gössi antreten. Mit Burkart übernimmt ein Mann das Zepter, der am rechten Flügel der Partei politisiert. Er stellte sich gegen das CO2-Gesetz und machte sich für einen Abbruch der Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU stark. Der Rechtsanwalt bezeichnet sich selbst als konsequent bürgerlich und nennt seine politischen Schwerpunkte die Wirtschafts- sowie Verkehrspolitik. Doch wie tickt der FDP-Mann privat?
Als ihn die Schweizer Illustrierte vor zwei Jahren besucht, wohnt Burkart noch in einer 200 Quadratmeter grossen Eigentumswohnung in Baden. Diese passte perfekt zum Klischee des geordneten Freisinnigen: helle Plattenböden, Ledersofas von Corbusier, ein Teegeschirr aus Porzellan und die Panorama-Terrasse mit Sicht von der Limmat bis in die Glarner Alpen. Vor drei Monaten ist der studierte Jurist mit seiner Partnerin nach Lengnau AG gezogen.
Eine ganz andere Welt eröffnete sich damals in seinem Kleiderschrank. Da liegt, akkurat gefaltet, ein dicker Stapel T-Shirts von Rock- und Heavy-Metal-Bands. Burkart zeigte ein Shirt von Metallica und sagt mit einem Grinsen: «Mit 15 waren das meine Götter.»
Damals habe er noch schulterlanges Haar getragen und in der Band am Gymnasium Immensee SZ den Bass gespielt. «Wir waren wohl die schlechteste Band der Welt.»
In der Politik gehört Burkart zu den Shootingstars. Bei den eidgenössischen Wahlen 2019 für den Kanton Aargau in den Ständerat gewählt, prägt er mit seinen Vorstössen die schwergewichtige Verkehrskommission. So setzte er sich erfolgreich fürs Rechtsvorbeifahren auf Autobahnen ein und fordert medienwirksam den Ausbau der A1 im Aargau auf sechs Spuren.
Selbst politische Gegner loben dessen Fähigkeiten: «Burkart ist für mich ein verlässlicher Politkontrahent», sagt SP-Nationalrat Matthias Aebischer, Präsident von Pro Velo Schweiz. Obschon Burkart Vizepräsident beim TCS sei, fände man zusammen immer wieder Lösungen. «Man weiss bei ihm, woran man ist», sagt auch Grünliberalen-Chef Jürg Grossen.
Burkart wächst mit seiner sechs Jahre älteren Schwester bei seiner Mutter, einer Heilpädagogin, in Obersiggenthal AG auf. Thierry ist drei Jahre alt, als sein Vater die Familie verlässt und zurück in seine Heimat Italien geht. Den fünf Jahre älteren Bruder nimmt er mit. «Ein Fall von Kindsentführung. Doch damals gab es das Haager Abkommen noch nicht», sagt Burkart, der auch als Wirtschaftsanwalt in Baden tätig ist.
An seinen Vater könne er sich kaum erinnern, er sei inzwischen verstorben. «Mir hat es aber an nichts gefehlt.» Zu seinem Bruder hat er heute ab und zu Kontakt – sie sprechen Englisch, da Burkart kein Italienisch kann. «Ich fühlte mich nie wirklich als Halbitaliener.»
Sein liebstes Fortbewegungsmittel versprüht aber durchaus Italianità: Eine Vespa aus dem Jahr 1963 in der Originalfarbe Mint. «Hätte ich gewusst, welche Wirkung die Vespa auf Frauen hat, hätte ich meine Harley schon viel früher verkauft», sagt er grinsend.
Politik war bei Burkarts zu Hause kein prägendes Thema. «Dass mein Urgrossvater in Zug mal Kantons- und Regierungs rat der Freisinnigen war, habe ich erst erfahren, als ich im Aargau das Jugendparlament gegründet habe.» Politisiert hat ihn die Abstimmung über die Armeeabschaffung 1989. «Ich war 14 und habe mit Freunden Flugblätter für die Erhaltung unserer Armee gedruckt und verteilt.»
Die Faszination fürs Militär ist auch durch ein Bild seiner Lieblingsserie «Band of Brothers – Wir waren Brüder». Die Geschichte der Elitetruppe von Fallschirmjägern während des Zweiten Weltkriegs fesselt den Offizier auch menschlich. «Die Einblicke in die Herzen und Köpfe der jungen Soldaten sind aussergewöhnlich.»
Obwohl Burkart zum rechten Flügel der FDP gehört – die SVP war für ihn nie eine Option. «Ich war schon im Gymi ein grosser Verfechter des Liberalismus.» Die Kritik, seine Partei habe sich just ein grünes Mäntelchen umgelegt, weist er zurück. «Die FDP hat immer schon Umweltpolitik gemacht, diese aber zu wenig gut gegen aussen verkauft.»
Für Adrian Fehr, 45, Burkarts «linkes Gewissen» und Freund aus Gymizeiten, war immer klar, dass Thierry in die Politik geht. «Wenn wir einen Vortrag hatten, übernahm er das Reden. Und es gab immer eine 6.» Dass er ehrgeizig ist, gibt Burkart unumwunden zu. Er könne sich über nichts so sehr ärgern wie über eigene Fehler.
«Thierry ist ein Tüpflischiisser – im positiven Sinne. Was er anfängt, zieht er durch», sagt Dano Dreyer, 42. Er hat früher mit Burkart hinter einer Bar in Baden gearbeitet und gehört heute zu seiner Wandertruppe.
Wandern und Schwingfeste bezeichnet Burkart, der nur selten nicht für Medien erreichbar ist, als seine «Wohlfühlinseln». Und wie passt da Heavy-Metal-Musik rein? «Gar nicht schlecht. Zudem: Ich höre heute mehr massentauglichen Rock wie Foo Fighters. Ich bin also schon etwas gebändigt.»