Was hat eine Politkarriere mit einem Orientierungslauf durch den Wald gemeinsam? «Man kann nicht alles im Voraus planen, und am Ende geht es darum, einen guten Weg zu finden», sagt Evi Allemann. Die 45-jährige Bernerin war in ihrer Jugend begeisterte OL-Läuferin, nun ist sie unterwegs durch das politische Dickicht in Richtung Bundesrat. Es ist ihr zweiter Anlauf. «Ich bin parat!», sagt Allemann.
Erstens: Einnorden
So nennt man das Ausrichten des eigenen Kompasses. Der Nordstern von Evi Allemann ist die Stadt Bern. Hier lebt sie mit ihren Kindern Eliot, 13, und Julia, 8. Deren Vater wohnt 150 Meter nebenan. Hier sass sie 15 Jahre lang im Nationalrat, hier ist sie jetzt Regierungsrätin – und hier geht sie samstags gern auf den Markt beim Münsterplatz. «Komm, wir nehmen den Vieux Berger», sagt Evi Allemann zu ihrem Partner, Stefan Berger (54). Allemann hat ein Säckli dabei, und so wandelt der blaue Roquefort doppelt verpackt in ihre Handtasche.
«Wir kochen beide sehr gern», sagt sie. Überhaupt gilt bei Allemann und Berger seit 2019: «Gleich und Gleich gesellt sich gern.» Beide sind bei der SP, beide sind Exekutivpolitiker – sie als Berner Regierungsrätin, er als Stadtpräsident von Burgdorf BE –, beide sind keine linken Hardliner, sondern «Pragmatiker», beide sagen: «Politik ist unser Leben» – und beide waren früher OL-Läufer. «Im Wald haben sich unsere Wege bestimmt mal gekreuzt», sagt Stefan Berger, «aber gekannt haben wir uns damals noch nicht.»
Als einzige Frau hat Evi Allemann gute Chancen, bei der SP aufs Ticket für die Bundesratswahl zu kommen. Sie war eine politische Frühstarterin, wurde zwischen ihrer mündlichen und schriftlichen Maturaprüfung in den Berner Grossrat gewählt und zog mit 25 in den Nationalrat ein. Mittlerweile engagiert sich ihre Tochter im Schülerrat, und ihr Sohn verfolgte den letzten Wahlsonntag gebannt am Fernseher. Die früher oft ein wenig «zu junge» Evi Allemann ist jetzt 45. Stimmt das Timing dieses Mal?
«Weder das Alter noch das Geschlecht sollten bei dieser Wahl alleine den Ausschlag geben», sagt sie. Aber, ja klar, sie stehe für einen «Generationenwechsel» im Bundesrat und auch für eine «starke Frauenvertretung». «Ich wollte schon immer mitgestalten», sagt sie. «Im Bundesrat möchte ich meine Ideen einbringen und zu guten Lösungen für eine soziale Schweiz beitragen.»
Zweitens: Starten
Mit so viel Erfahrung und der Tatsache, dass sie als Regierungsrätin bereits ein Exekutivamt ausübt, «hat sie das Rüstzeug zur Bundesrätin», sagt ihr Partner Stefan Berger. «Ausserdem hat sie Visionen und Gestaltungswillen.» Was er sonst noch an ihr mag? «Alles!» Evi Allemann lacht – und gibt die Blumen zurück: «Ich mag Stefans unverkrampfte Art. Ich werde schnell ungeduldig. Er bleibt gelassen, wenns mal brenzlig wird.»
Als Regierungsrätin übt Allemann teilweise die Aufsicht über die Berner Gemeinden aus – und damit auch über Burgdorf, wo ihr Freund Stadtpräsident ist. Doch zwischen ihr und ihrem Partner stehen auch noch die Regierungsstatthalter, betonen beide.
Im Familienalltag arbeiten die beiden aber sehr wohl zusammen. «Ich übernehme auch Verantwortung und bin Teil der Familie», sagt Berger. In den Ferien entwirft Allemann jeweils einen Wochenplan, der genau festlegt, wer wann für die Kinder zuständig ist. «Wir sind drei Erwachsene, die sich um sie kümmern, das ist doch super», sagt Allemann. Ihre eigenen Eltern sind heute nur noch selten eingespannt, dafür manchmal die Nachbarn oder der nahe Freundeskreis.
«Stefan und ich sind uns wirklich sehr ähnlich»
Evi Allemann
Drittens: Vom Weg abweichen
Beim Aufwärmen in der «Lesbar» (beide trinken erst Latte macchiato, dann Espresso) erzählt Allemann, dass sie sich in all den Jahren als Politikerin so einiges abgeschaut habe. «Natürlich habe ich beobachtet, wie andere Sitzungen leiten oder Konflikte lösen.» Ein Vorbild habe sie nicht, aber Simonetta Sommaruga sei eine langjährige Weggefährtin. «Es war ein Glück, sie beobachten und begleiten zu können. Ich profitiere von den Erfahrungen der Frauen vor mir.»
Sie sei eine Linke, aber keine Ideologin, sagen Bürgerliche über Allemann. «Unaufgeregte Politik», nennt sie es selbst. Sie verbucht es als Erfolg, dass der Gripen-Kampfjet abgelehnt wurde. Sagt aber auch: «Ich finde es richtig, dass es eine Luftpolizei gibt.» Sie war Präsidentin des VCS, der sich für umweltfreundliche Verkehrspolitik einsetzt. Sagt aber auch: «Ich bin froh, dass das Verhältnis zwischen den Verkehrsteilnehmern heute nicht mehr so aufgeladen ist wie früher.»
FDP-Parteipräsident Thierry Burkart war mit ihr in der Verkehrskommission: «Ich habe Evi Allemann als angenehme Kollegin erlebt, die immer offen war für konstruktive Lösungen über die Parteigrenzen hinweg.» Hat die Konsenspolitikerin auch Kanten?
«Ich kann tough sein und traue mir auch harte Verhandlungen, etwa mit Brüssel, zu», sagt sie. Schliesslich gelte in der Politik genau so wie beim Orientierungslauf: «Der einfachste Weg ist nicht immer der beste.»