Dieses Kartenhaus stürzt ganz sicher nicht ein! Die Festbeiz im Kurpark ist wie alle Lokale von Statikern geprüft. Sie besteht aus alten Türen von zwei Abrisshäusern aus Bern und Basel. In Baden haben sie nun für die nächsten zehn Tage ein neues Leben gefunden – dank dem Römer-Quartierverein. Die Mitglieder haben sie aufgemöbelt und angemalt – mit Blumen und Insekten. «Die Arbeit an der Beiz verbindet uns alle hier im Quartier», erzählt Martina Nordin (48). Die gebürtige Deutsche zog vor zwölf Jahren in die Schweiz – kurz darauf erlebte sie ihre erste Badenfahrt. «Ich hatte ein Volksfest mit Festbänken und Zelten erwartet. Und war dann komplett überrascht von diesen kreativen und ausgefallenen Beizen.» Seither war sie bei jeder Badenfahrt dabei.
Das Motel Rex besteht aus einem einzigen Zimmer. Ausgestattet mit einem Bett und einem Nachttisch. Gemacht wird hier viel, aber nicht geschlafen! «Jeden Tag entsteht etwas anderes in diesem Raum», sagt Adrian Boller (35). Ein Tattoostudio, ein Coiffeursalon oder eine Demolierungs-Party. Alles ist möglich! Die Beiz an der Limmatpromenade soll im Gegensatz zu den luxuriösen Hotels im Bäderquartier stehen. «Wir sind die letzte trashige Absteige», sagt Lars Mallien, 31, und lacht. Die beiden Männer kennen sich wie die meisten Mitglieder des Vereins Leviathan von der Pfadi – inzwischen haben sie bereits zum dritten Mal eine Beiz für die Badenfahrt aufgebaut. «Dafür sind immer unsere gesamten Jahresferien draufgegangen», sagt Lars Mallien. Dieses Mal wenigstens inklusive Motel.
An der engen Kronengasse besteht zwischen Haus Nummer 16 und 14 eine Lücke. «Hier hätte anscheinend einmal eine Färberei gebaut werden sollen», sagt Désirée Ottiger (26) vom Verein Buntwösch aus dem Suhrental. Diese Lücke ist eine der grössten und beliebtesten Parzellen für eine Beiz an der Badenfahrt. «Die Geschichte mit der Färberei hat uns inspiriert.» Désirée Ottiger zeigt auf die sechs Meter hohe Wand, komplett aus 100 alten Waschmaschinen aufgebaut. Die Fassade ihrer Färbi ist ein Highlight des Fests. Nicht nur optisch! Eine Maschine funktioniert und ist angeschlossen. Andere sind als Leuchten ausgestattet, und die rote Waschmaschine dient als Essensausgabe. Insgesamt arbeiten 200 Menschen hier freiwillig während der Badenfahrt mit.
Es ist ein spannender Moment: Fünf Tage vor dem Startschuss des grossen Volksfests wird der grosse Ballon neben der Hochbrücke aufgeblasen. «Es ist so aufregend», sagt Lydia Bosoni (39) die Präsidentin des Vereins Wunder Baden. Mit dem 15 Meter hohen Ballon ist ihre «Arche Neo» eine der höchsten Bauten am Fest. Die Beiz erinnert an ein Luftschiff, das soeben in Baden gelandet ist. Und der Test klappt, der Ballon steht. Die Bar ist bereit für Höhenflüge.
«Einmal im Leben», dachte sich Manuela Ernst (38). «Einmal im Leben muss man eine Beiz an der Badenfahrt geführt haben.» Vor etwa zwei Jahren hat die Architektin aus Wettingen AG darum sechs Freunde und Bekannte zusammengetrommelt – und nun ist daraus ihre Vremde Welt entstanden. In diese Beiz soll man eintauchen können. Darum das Motto «Unterwasserwelt». An der Wand ist ein Graffiti einer Krake, und als Deko haben sie Korallen aus alten Büchsen gebastelt. Der grosse Gerüstbau, eingepackt in ein Baunetz, das jede Nacht in allen Farben leuchtet und in dem Elektro-DJs auflegen, ist der Tanzklub unter den Festbeizen. «Wir wollten, dass die Beiz hoch und laut wird», sagt Manuela Ernst. Ziel erreicht.
Jazz aus den 20er-Jahren, Rock ’n’ Roll aus den 50ern, Hits aus den 70ern und das Beste aus den 90ern: Jeden Abend spielt hier Musik aus einem anderen Jahrzehnt. Der Verein Ehrendingen – im Auftrag der Nachbargemeinde an der Badenfahrt – hat vor dem Stadtturm seine Zeitmaschine aufgebaut. «Wir sind immer etwas auffällig», sagt Präsidentin Nicole Hoffmann (56). Ihre 42 Meter hohe Raketenrampe war ein wortwörtlicher Höhepunkt an der letzten Badenfahrt. Die neue Beiz ist zwar nicht ganz so hoch, aber auch auffällig. Inspiriert ist der Bau aus alten Hochseecontainern vom Flimklassiker «The Time Machine». «Diese Container haben auch eine weite Reise hinter sich», sagt Nicole Hoffmann und lacht. «Eine Reise durch Raum – und Zeit!»
Sie gehören zu den Jüngsten an der Badenfahrt – die Mitglieder des Vereins Virtual Eclipse. Und zum ersten Mal sind sie mit einer Festbeiz dabei. «Ich bin selber sehr erstaunt, wie gut alles läuft», sagt Laura Velasquez (26) und lacht. Ihre Beiz Wöschbar schwebt über der Promenade und über der Limmat zwischen zwei riesigen 200-jährigen Platanen. Als Deko haben sie kaputte Waschmaschinen eingebaut, und die Wände sind aus Stoffresten von alten Segelschiffen. «Wir sind alle aus Baden und kennen uns von der Schule», sagt Stefan Krainer (26). «Wir sind mit der Badenfahrt aufgewachsen. Jetzt mal so dabei zu sein, ist mega cool.» Er und viele der anderen Mitglieder wohnen nicht mehr hier, sind jetzt aber wieder für einige Wochen zu Hause bei den Eltern eingezogen. «Sie haben wenig von uns, weil wir von morgens bis abends am Aufbauen sind.»