Zum «Guetsle» daheim in der Küche haben Natascha Beller, 38, und Patrick «Karpi» Karpiczenko, 34, das Weihnachts-Tenue angezogen. Das wärs dann aber mit der traditionellen Festlichkeit. Denn beim Paar, das die Late-Night-Show «Deville» miterfand, geht das gemeinsame Backen in Zürich Wiedikon nicht traditionell vonstatten. Hier hantiert die Frau mit dem Wallholz wie mit einer Waffe, und «Guetsli-Männli» tragen eine Axt. Der Mann klatscht für den «Special-Schnee-Effect» die Hände mit Mehl zusammen, und aus einer von Natascha selbst gehäkelten Spieluhr erklingt «Dancing Queen» von Abba – «hat Karpi ausgewählt». Ab und an steuert die zehn Wochen alte Tochter eine Musik- und Duftnote bei.
15 Monate sind vergangen, seit die Schweizer Illustrierte das erste Mal Gast in der satirischen Comedy-Küche des Paars war. Damals lebten die beiden in einer Einzimmerwohnung. Karpi war als Sidekick von Dominic Deville am Bildschirm präsent, Beller wiederum präsentierte ihren ersten Kinofilm – «Die fruchtbaren Jahre sind vorbei» – am Filmfestival Locarno.
Ein Kind gebe es bei ihnen erst ab 100 000 Besuchern, sagten sie damals. Als Werbeartikel verteilte die Regisseurin Kondome, die, so kann man es Monate und 15 000 Kinobesucher später sagen, bei ihr selber wohl nicht zum Einsatz gekommen sind. «Zwei Schauspielerinnen bekamen ebenfalls Nachwuchs», sagt sie lachend. Der Film erscheint in diesen Tagen auf DVD. «Unsere Tochter ist eigentlich eine Marketing-Massnahme», sagt Karpi.
Aktuell bewirbt Natascha Beller ihre erste TV-Serie «Advent, Advent» – eine weihnächtliche Krimiparodie. «Die Serie ist für alle, die sich im ‹Tatort› mehr Samichläuse und an Weihnachten mehr Tote wünschen», sagt Karpi, der Co-Regie führte. Auf den ersten Blick lässt sie eine Festtags-Aversion bei der Drehbuchautorin vermuten. Auf den zweiten Blick ist sie eine Hommage – auch an Filme wie «Kevin – Allein zu Haus», «Twin Peaks» oder «Fargo». «Die Weihnachtszeit habe ich gern. Glühwein trinken, mit der Familie sein und einen Weihnachtsbaum haben», sagt Beller. Zudem besitzt sie ein Mailänderli-Familienrezept. «Meine Urgrosseltern väterlicherseits besassen hier im Kreis 4 die Bäckerei Beller.»
Aus dieser Zeit hat sie Förmchen geerbt, die nun dem Logo von «Advent, Advent», dem «Männli» mit Axt, weichen mussten. Karpi hat es mit seinem 3-D-Drucker kreiert. «Parallel zu unserer Backaktion in der Küche läuft unten im Keller die ‹Förmli›-Produktion», sagt er. Das Ausstechen geht jedoch nicht so flott wie mit den professionellen Förmchen. Oder liegts am Fertigteig, der mangels Zeit zum Einsatz kommt?
«Nach ‹Die fruchtbaren Jahre sind vorbei› hat sich Hollywood gemeldet»
Natascha Beller
Von Kondomen zur «Guetsli»-Form – das Leben von Natascha Beller und Patrick Karpiczenko hat sich in wenigen Monaten verändert. Von der Einzimmerwohnung im Parterre sind sie in eine Wohnung mit fünf Zimmern im ersten Stock gezogen. Aus dem kinderlosen Paar ist eine Familie geworden. Aus den zwei Arbeitstieren «Workaholics auf Entzug», wie Karpi sagt – und gemäss «Sonntags-Zeitung» das «Power-Couple des Schweizer Humors».
Am letzten Tag vor dem Lockdown schlossen sie – Natascha hielt die Schwangerschaft geheim – die Drehs ab. Kurz vor der Geburt wurde sie mit Schnitt und Vertonung fertig. Zudem starb Nataschas Vater, Unternehmer Walter Beller, im Frühjahr unerwartet. «Er fehlt an jedem Geburtstag, an jedem Familienfest. Ich bin gespannt, wie die ersten Weihnachten ohne ihn, dafür mit unserer Tochter für mich werden.» – «Wir haben dieses Jahr wohl jede Emotion erlebt», fasst Karpi zusammen.
Dank der Corona-Pandemie und dem Baby haben die beiden nach dem Arbeits- und Gefühlsstress nun ein bisschen Elternpause. «Wobei sie nicht erholsam ist», sagt Beller. Karpi: «Wir sind jetzt einfach wegen etwas anderem müde.» – «So schön es mit Baby ist, die Kreativität der Arbeit fehlt mir», sagt sie. Deshalb wird gehäkelt, in 3-D gedruckt oder im Fall von Karpi eifrig Social Media genutzt. «Die Ideen müssen irgendwie raus.» Im Frühjahr verliess er nach «fünf langen, langen Jahren» die «Deville»-Show. «Mein Abgang war sehr publik und hat mehr ausgelöst, als ich wollte und beabsichtigte.»
Sein Rücktritt als Miterfinder und Sidekick hatte einen angenehmen Nebeneffekt: «Seit ich nicht mehr bei ‹Deville› bin, wurde mir wohl jeder Job in der Branche angeboten. Meine Abwesenheit ist bessere Werbung für mich als meine Anwesenheit.» Selbst Deutschland, genauer der scharfzüngige Satiriker Jan Böhmermann hat bei ihm angeklopft. Bei Natascha Beller wiederum hat sich Hollywood gemeldet. Annapurna Pictures, welche die mehrfach Oscar-nominierten Werke «Her» und «American Hustle» verantworten, haben ihr Debüt gesehen und Interesse an ihrer Arbeit gezeigt. «Jedes Angebot schmeichelt mir. Ich gewöhne mich sicher nie daran.»
Früher hätten die Workaholics bei manchem sofort zugesagt. Als frischgebackene Eltern sei es gerade nicht der richtige Zeitpunkt. «Es heisst doch, dass Mütter durchs Stillen chaotisch werden. Und ich bin definitiv nicht so konzentriert wie früher.» Und auch Karpi geniesst die Zeit mit der Familie und wird beim Babymassage-Kurs nur schon wegen seiner Anwesenheit und dem «zufriedensten und schönsten Baby als Super-Daddy» gefeiert. «Karpi macht als Vater einfach noch mehr Seich als vorher, was unsere Tochter unterhält.» Natascha ihrerseits sei immer organisiert gewesen und jetzt «als Mutter einfach megaorganisiert». Aber betreffend Arbeit, so sagen sie, «machen wir momentan gerade nichts – wobei im Januar noch was kommt». Was, das ist geheim.
Die Mörder-«Guetsli» sind fertig, «aber nicht so fein wie dein Familienrezept». Ob sie wieder wie in den Jahren davor mit ihren beiden Familien mit Filet im Teig und Kartoffelstock feiern, ist ungewiss. Nur etwas ist im Hause Beller/Karpiczenko jetzt schon klar: «Ein zweites Baby gibt es erst, wenn ‹Advent, Advent› auch auf Netflix läuft.»