Er überreichte Königinnen Blumensträusse, konnte galant Feuer geben, Zigaretten rauchen, sprechen, den Verkehr regeln, er begeisterte Menschenmassen und war auf dem Cover berühmter Zeitschriften: Sabor – einer der ersten Roboter der Welt – war eine Sensation.
Wir schreiben das Jahr 1923. Der 12-jährige August Huber, Sohn eines Weberei-Besitzers, baut in seinem Elternhaus in Niederteufen die erste Version eines Roboters – Sabor I. Der Prototyp erinnert ein bisschen an E.T., ist aus Holz gezimmert und mit Stoff bespannt. Sein Innenleben ist allerdings schon mit einem Radiosender und -empfänger ausgestattet.
Sabor II, natürlich wiederum aus Hubers geschickter Hand, entsteht 1930. Er kann sich bereits setzen, wieder aufstehen und trommeln. August Huber verkauft ihn nach Deutschland, wo sich die Spur verliert. Sabor III ist fehlerhaft und wird demontiert, bevor er die Werkstatt verlassen kann.
Doch dann kommt Sabor IV: Mit ihm erobert August Huber die Welt. «Ich weiss zwar nicht, wie mein Vater auf die Idee kam, Roboter zu bauen, aber ich weiss, dass mein Vater ein begnadeter Tüftler war», erzählt sein Sohn Remo Huber (71). «Er hatte es einfach im Blut.» Und ergänzt: «Von seinem Vater hat er damals 10'000 Franken bekommen, um Sabor IV zu bauen. Diesen Betrag konnte mein Vater nach den vielen Auftritten von Sabor bald zurückzahlen.»
Ferngesteuerter Maschinenmensch
Sabor IV ist ein mechanisches Wunderwerk: Er kann gehen, Platz nehmen, winken, beim Sprechen die Lippen bewegen, die Augen verdrehen und mithilfe eines Blasbalgs gar rauchen. Er ist 2,37 Meter gross, ungefähr 270 Kilogramm schwer, aus Kupfer, Aluminium und Leder gefertigt. Und trägt Schuhgrösse 104. In seinem Bauch befinden sich 500 Meter Kabel zwischen 68 Relais und 92 Kontrolllampen. Zum Laufen bringen ihn acht Motoren. Sabors Apparatur arbeitete im Ultrakurzwellenbereich: Die Impulse wurden über ein Mikrofon und eine Telefonwählscheibe (mitten auf Sabors Bauch) übertragen – die Nummer 23 beispielsweise war der Befehl fürs Rauchen.
Die Fernsteuerung – ein damaliges Novum – funktionierte bereits über grosse Distanzen. Für einen gelungenen Auftritt von Sabor brauchte es zwei Personen. Der Conferencier erklärte die Funktionen des Roboters und interagierte mit ihm, gut sichtbar fürs Publikum. Der Steuermann befand sich mit der Basisstation an einem versteckten Ort. Dank der Funkverbindung hörte er die Anweisungen auf der Bühne, die er über die Wählscheibe ausführte.
Coverboy
Sein erstes Cover bekommt Sabor am 9. Dezember 1938 in der Zeitschrift «Zürcher Illustrierte». Dann geht es Schlag auf Schlag: Sabor reist nach London, hat 1938 einen Auftritt in der Royal Albert Hall. Der Andrang ist so gross, dass der Verkehr zusammenbricht. «Das Publikum konnte damals kaum glauben, dass sich im Innern von Sabor kein Mensch versteckte», erzählt Remo Huber. «Alle wollten mit eigenen Augen die revolutionäre Maschinenfigur sehen.» Im gleichen Jahr ist Sabor der Star an der Landi in Zürich. Nach dem Zweiten Weltkrieg tritt er in weiteren europäischen Ländern auf. Eine schwedische Zeitschrift titelt über Sabors Bild «Das vierte Geschlecht». Die Dänen nennen ihn «den mechanischen Assistenten».
1951 die Wende: Der Visionär August Huber verkauft Sabor an seinen Freund und Mitarbeiter Peter Steuer. «Die beiden haben schon länger zusammengearbeitet. Mein Vater war für das Mechanische zuständig, Peter Steuer fürs Elektrische», erzählt Remo Huber. «Als mein Vater die Weberei von seinem Vater übernehmen musste, entschloss er sich, Sabor zu veräussern.»
Königin Juliana und Frank Sinatra
Peter Steuer, ETH-Ingenieur und ebenfalls Tüftler, stattet den Riesen mit neuer Technik aus und tourt mit ihm weiter um die Welt. 80'000 Menschen bewundern Sabor 1952 im Berliner Olympiastadion. Bei Sabors Österreichtournee sperrt Innsbruck für dessen Auftritt die Innenstadt. Am 2. Juli 1955 überreicht der Appenzeller Roboter der niederländischen Königin Juliana Blumen. Und 1961 gehts über den grossen Teich: Sabor tritt in den USA als Gast in der «Ed Sullivan»-TV-Show auf, sollte danach sogar Weltstar Frank Sinatra treffen. «Leider klappte das nicht. Denn Sabors Füsse waren zu gross, und er konnte die Treppe hinunter zum Jazzkeller nicht meistern», berichtet Remo Huber schmunzelnd. 1969 bekommt Sabor – dem damaligen Zeitgeist entsprechend – einen Astronautenlook verpasst. Im Jahr darauf stirbt August Huber im Alter von 59 Jahren.
Vergessen und wiederentdeckt
Doch in den 1970er-Jahren ist die Welt eine andere. Das Computerzeitalter beginnt – Sabors mechanische Attraktivität verblasst. 1976 ein letzter Auftritt in einem Altersheim, danach wird Sabor in einer Garage verstaut. 1990, nach dem Tod von Peter Steuer, findet Sabor einen Platz im heutigen Primeo Energie Kosmos. Nun ist der vergessene Roboter zurück in seiner Heimat. Und erzählt seine faszinierende Geschichte in einer grossen Ausstellung im Zeughaus Teufen (bis 9. Februar 2025). Auch dank Remo Huber, der das Vermächtnis seines Vaters akribisch dokumentiert und aufbewahrt hat.