1. Home
  2. People
  3. Swiss Stars
  4. Flughafen-CEO Stephan Widrig: «Es wird kein Chaos geben»
Flughafen-CEO Stephan Widrig

«Es wird kein Chaos geben»

Swiss und Lufthansa streichen Flüge, die Angestellten der Bodenabfertigung Swissport künden den GAV, Medien befürchten ein Riesendurcheinander am Flughafen Zürich. CEO Stephan Widrig sagt, weshalb er trotzdem noch ruhig schläft.

Artikel teilen

Stephan Widrig, 2022

Das ist Stephan Widrig Der Vater von drei Töchtern wohnt in der Flughafenregion und fährt meist mit dem Velo zur Arbeit. Er liest gern. Zuletzt mit grossem Spass: «Eine Frage der Chemie» von Bonnie Garmus. Im Sommer fliegt er nach Sardinien.

David Biedert

Flughafen-CEO Stephan Widrig, 50, geht mit strahlenden Augen durch den Airport. Er ist Chef von 1700 Leuten – insgesamt arbeiten am Flughafen 27 000 Menschen bei 300 Partnerunternehmen am und um den Flughafen. Seit 23 Jahren ist er hier tätig. Widrig ist bestens gelaunt, er freut sich: «Jetzt läuft wieder was!» Er kennt da jemanden, grüsst dort einen Mitarbeitenden. «Wenn ich ihnen in die Augen schaue, entdecke ich bei allen ein Strahlen.» Froh ist er, dass unter den Passagieren wieder Ferienreisende sind. Während der Coronapandemie waren die Flughäfen verwaist, viele Firmen haben in den letzten zwei Jahren nicht nachrekrutiert, einige haben Personal entlassen. Dieses fehlt nun. Swiss und andere Fluggesellschaften streichen Flüge, das Bodenpersonal ist unzufrieden – auch in Zürich: Die Angestellten des Bodenabfertigers Swissport haben den Gesamtarbeitsvertrag (GAV) gekündigt, Medien schreiben von Streiks, Sit-ins oder Demo-Blockaden zum Ferienstart. Doch Widrig beschwichtigt: «Ich bin sicher, dass Schweizerinnen und Schweizer sich diesen Sommer freuen können, wenn sie über den Flughafen Zürich reisen!»

SI-Recherchen zeigen: Laut Swissport ist ein Streik gemäss dem jetzt auslaufenden Vertrag verboten, der Arbeitsfrieden muss gewahrt werden. Für eine Demonstration brauchen die Gewerkschaften eine Bewilligung des Flughafens und der Flughafenpolizei. In keinem Fall darf der Flugbetrieb gestört werden, und die Sicherheit von Passagieren, Mitarbeitenden und Demonstrierenden muss gewährleistet sein. Bis jetzt ist noch keine Anfrage eingegangen. Zu Spekulationen über allfällige Ereignisse wollen sich die Beteiligten nicht äussern.

Medien schreiben von einem drohenden Chaos am Flughafen Zürich. Stephan Widrig, haben Sie schlaflose Nächte?
Ich schlafe ruhig. Natürlich ist im Sommer am Flughafen viel los. Sicher müssen die Passagiere mit der einen oder andern Warteschlange rechnen. Doch sie werden keine Chaos-Situation erleben.

Weshalb so zuversichtlich?
Wir und unsere Partner haben genügend Personal für den Sommeransturm. Wir treffen uns regelmässig, besprechen den nächsten Tag, die nächste Woche und planen den Sommer. Wir spüren bei allen, dass sie die herausfordernde Situation beim Hinaufstarten gut managen.

Swissport kennt kein Mensch. Wenn die Angestellten streiken oder demonstrieren, fällt das auf den Flughafen zurück.
Stimmt. Wir tragen gemeinsam mit unseren Partnern eine grosse Verantwortung, dass es am Flughafen gut läuft.

Das heisst: Bei einem drohenden Streik oder Dienst nach Vorschrift haben Sie einen Plan B in Ihrer Schublade?
Ich spekuliere nicht. Wichtig ist, dass wir stabile Sozialpartnerschaften zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern am Flughafen Zürich haben. Und klar ist: Darauf versuchen wir hinzuwirken.

Stephan Widrig, 2022

«Wenn ich ihnen in die Augen schaue, entdecke ich bei allen ein Strahlen.» Stephan Widrig über die Mitarbeitenden am Flughafen Zürich.

David Biedert

Wahrnehmung und Wahrheit sind nicht das Gleiche. Ich bin mit dem Zug an den Flughafen gereist. Im Abteil hinter mir schnödete eine Gruppe über das Tohuwabohu in den Sommerferien. Es gibt keinen Grund, sich nicht auf die Sommerferien zu freuen.
Wir werden alles geben, damit die Reise am Flughafen gut startet. Und wir sind zuversichtlich, dass das mit gut vorbereiteten Passagieren auch gelingen wird.

Was können diese selber machen?
Alles, was sich im Voraus online erledigen lässt, bereits zu Hause machen. Sich erkundigen, welche Mass- nahmen im Zielland und bei der Airline gelten. Online die Boardingkarte ausdrucken und wenn möglich bei der Airline die erforderlichen Dokumente hochladen. All das nimmt dem Passagier den Stress am Flughafen weg und erleichtert den Prozess vor Ort.

Versprochen, dass Passagiere so schlank durchkommen?
Zum Ferienstart am Samstag wird es sicher die eine oder andere Warteschlange geben. Vielleicht sind die Restaurants besetzt, und man muss sich an einem Take-away bedienen. Aber wir sind zuversichtlich, dass wir auch im Sommer die Qualität halten können, die man von Zürich kennt.

SVP-Nationalrat Thomas Hurter, spricht wahrend einer Medienkonferenz zu Staus, Schikanen und hoeheren Abgaben im Strassenverkehr, am Freitag, 3. Mai 2019 im Medienzentrum Bundeshaus in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)

Das sagt Thomas Hurter, 58 Nationalrat, Präsident Aerosuisse «Stephan Widrig hat Drive, ist hartnäckig und gefällt sicher nicht immer allen. Doch der Flughafen Zürich – das sage ich auch als Pilot – gehört im Gesamtpaket zu den besten der Welt.»

Keystone

Wie lange vor dem Start müssen sich Reisende am Flughafen einfinden?
Am besten kommen Passagiere für Langstreckenflüge drei Stunden vorher und solche mit Europaflügen mindestens zwei Stunden vorher.

Dann gibts keine Wartezeit über 30 Minuten?
Vielleicht steht man in Ausnahmefällen auch mal 40 Minuten lang Schlange. Aber die Passagiere werden keine Chaos-Situationen erleben.

Swiss streicht im Sommer weitere 700 Flüge, die Lufthansa entschuldigt sich. Können Passagiere zwar problemlos in Zürich abfliegen, aber am Zielflughafen oder bei der Rückreise in ein Chaos geraten?
Ja, es bestehen auch Abhängigkeiten zum europäischen Netzwerk. So gibt es Flughäfen und Flugsicherungen im Ausland, die Schwierigkeiten haben, genügend Personal zu rekrutieren, um die sehr rasch steigende Nachfrage nach Flugverbindungen im Sommer bewältigen zu können. Um eben ein Chaos zu verhindern, werden frühzeitig Flüge aus dem Programm genommen und die Passagiere umgebucht.

Sind Ihre eigenen Leute nach zwei Jahren Pandemiepause überhaupt fit für das harte Sommerferiengeschäft?
Wir konnten schon an Pfingsten sehr hohe Volumen gut abfertigen. Wir sind diesen Sommer etwa bei 75 Prozent gegenüber der Zeit vor Corona. Aber in Spitzenstunden sind wir bereits wieder auf den Niveaus von früher. Wir spüren bei unseren Mitarbeitenden ein sehr hohes Engagement. Sie freuen sich riesig, dass der Flughafen wieder lebt. Alle geben alles, um einen guten Betrieb sicherzustellen. Das hängt auch damit zusammen, dass wir während der Pandemie eine sehr solidarische Arbeitgeberin waren.

«Am besten kommen Passagiere für Langstrecken- drei, für Europaflüge mindestens zwei Stunden vorher»

Stephan Widrig

Thema Umwelt: Der Kantonsrat von Zürich will kein rascheres Netto-Null-Ziel für den Flughafen.
Man muss zwischen Boden und Luft unterscheiden. Wenn wir ein neues Gebäude erstellen, ist klar, dass es klimaneutral sein muss. Der Circle benötigt im Betrieb keine fossilen Energien. Das Dock A, das wir neu bauen werden, besteht sogar grösstenteils aus Holz und ist somit auch bei den Baumaterialien klimaneutral. Darüber hinaus sorgt das Material Holz für mehr Annehmlichkeit und Wärme bei den Passagieren und steht für Swissness am Schweizer Tor zur Welt. Zudem nutzt es bestmöglich Erdwärme und Fotovoltaik – Letztere generiert bereits zwei Drittel des Strombedarfs für das Dock.

In der Luft sieht es anders aus.
Das Problem ist der fossile Energieträger im Flugzeug. Es ist ganz klar: Wie jeder andere Verkehrsträger und Verbraucher muss auch die Luftfahrt wegkommen von fossiler Energie. Mit einem synthetischen Kraftstoff wird über die nächsten Jahre und Jahrzehnte ein klimaneutrales Fliegen möglich.

Sind Sie ein Geizhals?
Gar nicht.

Die Konsumentenzeitschrift «Saldo» kritisierte in einem internationalen Vergleich die horrenden Wasserpreise und fehlenden Wasserstationen.
Das ist nicht korrekt. Am Flughafen Zürich gibt es in jedem Dock Trinkbrunnen. Bei uns gibt es auch auf den Toiletten Trinkwasser, um Flaschen gratis aufzufüllen. Nach der Sicherheitskontrolle verkaufen wir ausserdem Mineralwasser zu einem reduzierten Preis von 2.50 Franken pro halben Liter – davon gehen pro Flasche 50 Rappen an eine gemeinnützige Organisation. Dieses Jahr erhält die Stiftung Kinderhilfe Sternschnuppe rund 500 000 Franken.

Von Max Fischer am 3. Juli 2022 - 12:03 Uhr