Auf den ersten Blick passt die 200 Quadratmeter grosse Eigentumswohnung von Thierry Burkart in Baden perfekt zum Klischee des geordneten Freisinnigen: helle Plattenböden, Ledersofas von Corbusier, ein Teegeschirr aus Porzellan und die Panorama-Terrasse mit Sicht von der Limmat bis in die Glarner Alpen.
Eine ganz andere Welt eröffnet sich in seinem Kleiderschrank. Da liegt, akkurat gefaltet, ein dicker Stapel T-Shirts von Rock- und Heavy-Metal-Bands. Burkart, 43, nimmt ein Shirt von Metallica hervor und grinst: «Mit 15 waren das meine Götter.»
Damals habe er noch schulterlanges Haar getragen und in der Band am Gymnasium Immensee SZ den Bass gespielt. «Wir waren wohl die schlechteste Band der Welt.»
In der Politik gehört Burkart zu den Shootingstars. Vor dreieinhalb Jahren in den Nationalrat gewählt, prägt er mit seinen Vorstössen die schwergewichtige Verkehrskommission. So setzte er sich erfolgreich fürs Rechtsvorbeifahren auf Autobahnen ein und fordert medienwirksam den Ausbau der A1 im Aargau auf sechs Spuren.
Seine Partei dankt es ihm und nominiert Burkart als Ständeratskandidaten für die Nachfolge von Ex-FDP-Chef Philipp Müller. Seine Chancen, im Herbst ins Stöckli einzuziehen, stehen gut – selbst der politische Gegner lobt dessen Fähigkeiten: «Burkart ist für mich ein verlässlicher Politkontrahent», sagt SP-Nationalrat Matthias Aebischer, Präsident von Pro Velo Schweiz. Obschon Burkart Vizepräsident beim TCS sei, fände man zusammen immer wieder Lösungen. «Man weiss bei ihm, woran man ist», sagt auch Grünliberalen-Chef Jürg Grossen.
Burkart wächst mit seiner sechs Jahre älteren Schwester bei seiner Mutter, einer Heilpädagogin, in Obersiggenthal AG auf. Thierry ist drei Jahre alt, als sein Vater die Familie verlässt und zurück in seine Heimat Italien geht. Den fünf Jahre älteren Bruder nimmt er mit. «Ein Fall von Kindsentführung. Doch damals gab es das Haager Abkommen noch nicht», sagt Burkart, der neben seinem Nationalratsmandat rund 40 Prozent als Wirtschaftsanwalt in Baden tätig ist.
An seinen Vater könne er sich kaum erinnern, er sei inzwischen verstorben. «Mir hat es aber an nichts gefehlt.» Zu seinem Bruder hat er heute ab und zu Kontakt – sie sprechen Englisch, da Burkart kein Italienisch kann. «Ich fühlte mich nie wirklich als Halbitaliener.»
Sein liebstes Fortbewegungsmittel versprüht aber durchaus Italianità: Eine Vespa aus dem Jahr 1963 in der Originalfarbe Mint. «Hätte ich gewusst, welche Wirkung die Vespa auf Frauen hat, hätte ich meine Harley schon viel früher verkauft», sagt er grinsend. Seit letztem Sommer ist Burkart, der Frauen ganz nach alter Schule die Tür aufhält und in den Mantel hilft, Single.
Er war einst mit SP-Frau Pascale Bruderer liiert, nach einer gemeinsamen Chile-Reise wurde ihm eine Beziehung mit SVP-Politikerin Natalie Rickli nachgesagt – was er dementiert. Als 43-jähriger Single müsse er sich öfter Sprüche anhören.
«Sogar Kollegen aus der Anwaltskanz lei werden angesprochen, ob ich denn jetzt eine Freundin habe.» Er wünsche sich durchaus eine Familie, sagt Burkart und zeigt stolz das Foto seines bald dreijährigen Göttibuben Damian. «Aber nur, wenn die Beziehung wirklich passt.»
Politik war bei Burkarts zu Hause kein prägendes Thema. «Dass mein Urgrossvater in Zug mal Kantons- und Regierungs rat der Freisinnigen war, habe ich erst erfahren, als ich im Aargau das Jugendparlament gegründet habe.» Politisiert hat ihn die Abstimmung über die Armeeabschaffung 1989. «Ich war 14 und habe mit Freunden Flugblätter für die Erhaltung unserer Armee gedruckt und verteilt.»
Die Faszination fürs Militär ist auch im Flur seiner Wohnung sichtbar. Dort hängt ein Bild seiner Lieblingsserie «Band of Brothers – Wir waren Brüder». Die Geschichte der Elitetruppe von Fallschirmjägern während des Zweiten Weltkriegs fesselt den Offizier auch menschlich. «Die Einblicke in die Herzen und Köpfe der jungen Soldaten sind aussergewöhnlich.»
Obwohl Burkart zum rechten Flügel der FDP gehört – die SVP war für ihn nie eine Option. «Ich war schon im Gymi ein grosser Verfechter des Liberalismus.» Die Kritik, seine Partei habe sich just ein grünes Mäntelchen umgelegt, weist er zurück. «Die FDP hat immer schon Umweltpolitik gemacht, diese aber zu wenig gut gegen aussen verkauft.»
Für Adrian Fehr, 45, Burkarts «linkes Gewissen» und Freund aus Gymizeiten, war immer klar, dass Thierry in die Politik geht. «Wenn wir einen Vortrag hatten, übernahm er das Reden. Und es gab immer eine 6.» Dass er ehrgeizig ist, gibt Burkart unumwunden zu. Er könne sich über nichts so sehr ärgern wie über eigene Fehler.
«Thierry ist ein Tüpflischiisser – im positiven Sinne. Was er anfängt, zieht er durch», sagt Dano Dreyer, 42. Er hat früher mit Burkart hinter einer Bar in Baden gearbeitet und gehört heute zu seiner Wandertruppe.
Wandern und Schwingfeste bezeichnet Burkart, der nur selten nicht für Medien erreichbar ist, als seine «Wohlfühlinseln». Und wie passt da Heavy-Metal-Musik rein? «Gar nicht schlecht. Zudem: Ich höre heute mehr massentauglichen Rock wie Foo Fighters. Ich bin also schon etwas gebändigt.»