Für das erste gemeinsame WG-Abendessen hat SVP-Nationalrat Mike Egger, 27, ein grosses Stück Fleisch mitgebracht. «Rindshuft, es gibt nichts Besseres! Natürlich aus der Schweiz», sagt der gelernte Metzger. «Sieht gut aus», meint seine neue Mitbewohnerin Franziska Ryser, 28.
Die Grünen-Nationalrätin ist im Gegensatz zu vielen Parteikollegen keine Vegetarierin. Sonst hätte das mit der Wohngemeinschaft vielleicht nicht geklappt. «Ich bin froh, dass meine neuen Mitbewohner kochen können», sagt der Dritte im Bund, FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt, 25, und lacht.
Seit Anfang Dezember wohnen die Jungpolitiker aus unterschiedlichen Lagern zusammen in einem Wohnblock im Berner Quartier Monbijou. Ein paar Tramminuten vom Bundeshaus entfernt. Die Idee dazu hatte Andri Silberschmidt. Der Zürcher Gemeinderat und Gastro-Unternehmer wohnt selber in einer WG. «Ich rechnete nicht damit, in den Nationalrat gewählt zu werden. Als es doch geschah, musste ich überlegen, wo ich wohnen will.»
Am Tag nach den Parlamentswahlen rief er Mike Egger an – den er nicht persönlich kannte. Und schlug ihm eine unheilige Allianz vor: eine Wohngemeinschaft von junger Überparteilichkeit. Egger sagte sofort zu.
Der Fleischfachmann arbeitet als Projektleiter bei Micarna und lebt mit seiner Freundin in Berneck SG. Vor einem Jahr rutschte er für SVP-Mann Toni Brunner in den Nationalrat nach – eine feste Bleibe in Bern hatte er aber noch keine. «Weil viele Hotels während der Session ausgebucht sind, schlief ich oft in Jugendherbergen. Im Massenschlag mit Touristen», sagt er. «Ich bin kein Komplizierter. Und dass ich ein nationaler Abgeordneter bin, habe ich in der Jugi nicht gross rumerzählt.»
Andri Silberschmidt klopfte auch bei der neu gewählten Nationalrätin Franziska Ryser an. «Ich fand die Idee cool, wollte zuerst aber einen Kaffee mit Andri trinken», sagt die ETH-Doktorandin, die mit Mutter und Bruder in St.Gallen lebt. «Ich merkte schnell: Das passt! Mike kannte ich schon vom Wahlkampf in unserem Heimatkanton. Politisch sind wir drei total unterschiedlich. Mir gefällt aber, dass die beiden so gradlinig sind wie ich.»
Silberschmidt, Egger und Ryser gehören zu den sieben Bundeshaus-Politikern, die noch nicht 30 sind. «Ich hätte gerne eine grössere WG gemacht. Darum fragte ich auch bei der SP nach. Doch niemand hatte Interesse», sagt Silberschmidt.
Für die Viereinhalbzimmerwohnung mit Klötzliparkett und renovierter Küche zahlen die Jungpolitiker 2100 Franken monatlich. Fast 60-mal pro Jahr schlafen sie in Bern, das gibt rund 150 Franken für eine Nacht. Ein Hotelzimmer oder ein Studio kosten in der Regel mehr.
Mike Egger hat die Rindshuft in der Pfanne scharf angebraten und in den Ofen geschoben. Franziska Ryser rührt die Orangen-Creme für das Dessert, und Andri Silberschmidt deckt den Tisch. In der Küche funktionieren die drei reibungslos. Wie sieht es auf dem politischen Parkett aus?
«Bei der ersten Abstimmung haben wir alle für ein transparentes Lobbying im Bundeshaus gestimmt», sagt Ryser. Silberschmidt lacht und ergänzt: «Na ja, bei mir hats leider nicht geklappt, ich hatte vergessen, den zweiten Knopf zu drücken.»
Bei vielen Themen sind sie sich nicht einig. «Über die Beschaffung von neuen Kampfflugzeugen diskutiere ich mit ihnen nicht am Küchentisch. Das hat keinen Sinn», sagt Ryser. Die Männer nicken stillschweigend. «Bei anderen Themen werden wir sicher zusammen Lösungen suchen. Etwa bei der AHV», sagt Silberschmidt. Das ist ein Thema, das uns Junge in Zukunft am meisten betreffen wird.»
Einen Putzplan für die WG gibt es nicht. Eine Putzkraft wollen sie nicht anstellen. «Der Aufwand fürs Putzen ist überschaubar. Wir gehen meistens früh raus und kommen spät heim, verbringen also gar nicht viel Zeit in der Wohnung», sagt Franziska Ryser.
Sie hat das grösste Schlafzimmer in der Polit-WG bekommen, Egger das kleinste. «Ich wollte das mit dem Einbauschrank», sagt er. «Aber im Schrank drin riechts unangenehm. Meinen Anzug muss ich woanders aufhängen.» Das grosse Badezimmer teilen sich die Männer, das kleine benutzt die Frau. «Wir haben
bewusst eine Wohnung mit zwei Badezimmern gesucht», sagt Ryser. «Ich wollte keinen Stau am Morgen früh.»
Noch ist die Einrichtung etwas spärlich. In den Zimmern steht je ein Bett. «Ich habe meins bei Ikea gekauft und für Mike eins mitbestellt», sagt Silberschmidt. Der grosse Holztisch und die zwölf Stühle in der Stube sind aus dem Brocki. Das Geschirr hat eine FDP-Sympathisantin gespendet. «Ein Sofa brauchen wir noch», sagt Silberschmidt. «Und einen Fernseher. FDP-Ständerat Andrea Caroni hat sich schon für einen Game-Abend eingeladen.»
Nicht bei allen älteren Parlamentariern kam die WG gut an. «Klar, es gab ein paar Sprüche», sagt Egger und lacht. «In der nächsten Session machen wir ein Einweihungsfest. Mal schauen, wer dann alles kommt», sagt Silberschmidt.
Auf dem Tisch brennen drei Teeliechtli, das Essen ist bereit. Zur Rindshuft gibt es Butterrüebli und Nüdeli mit Sauce béarnaise aus der Packung – wie es sich für eine WG gehört.