Die Geschichte könnte aus Hollywood sein: Zwei junge Rapper stehen in der Jugend vor dem Abgrund, kämpfen sich durch die Musik zurück ins Leben und erreichen Platin. Es ist die Geschichte der Rapper L Loko und Drini, die eigentlich Rafael Luna und Valdrin Hasani heissen.
Während die beiden durch ihre Heimat Zürich Wiedikon schlendern, verbinden sie mit jeder Ecke eine Erinnerung. «Weisst du noch, diesen Hang sind wir früher hinuntergeschlittelt», sagt L Loko (30) zu Drini (30) und lässt sich auf eine Parkbank plumpsen. Auf dem Spielplatz nebenan lachen die Kids. «Genau das hat uns zu unserem neuen Song inspiriert», erzählt Drini und deutet auf die Kinder. Am 13. Oktober brachten die beiden ihre neuste Single «Chinder si» raus. An der Seite von Sänger Marius Bear rappen sie über eine unbeschwerte Zeit. So war ihr Leben allerdings nicht immer.
Die beiden wachsen unter schwierigen Bedingungen auf. L Lokos Mutter zieht ihn allein auf, arbeitet viel. Ähnlich bei Drini: Er sieht sich als kleiner Bub mit der Inhaftierung seines Vaters konfrontiert. Die beiden Freunde verbringen viel Zeit auf der Strasse, rutschen ab. Auf die Frage, ob sie mit den falschen Leuten unterwegs waren, antwortet Drini nachdenklich: «Weisst du, wir waren selber die falschen Leute.»
Die Strasse wird ihr Zuhause
Nach der Schulzeit das nächste Problem: Beide finden keine Lehrstelle. «Wir heissen eben nicht Markus Müller. Ich habe über 200 Bewerbungen geschrieben, niemand hat mir eine Chance gegeben», erzählt Drini, der kosovarische Wurzeln hat. Und L Loko, der aus der Dominikanischen Republik stammt, fügt an: «Ich wollte meiner Familie finanziell helfen, fand aber keinen Job. Auch andere legale Wege boten sich nicht an, worauf jener in die Kriminalität folgte.» Der Alltag war geprägt von Drogenhandel und Diebstahl, die Strasse und ihre Bewohner wurden zur Ersatzfamilie. «Diese Leute haben uns verstanden, wir haben den Schmerz geteilt.»
Der Teufelskreis wird enger, als L Loko mehrmals in Untersuchungshaft sitzt. Als Resozialisierungsmassnahme muss er eine Ausbildung zum Schreiner machen. Nach deren Abschluss sagt seine Bewährungshelferin zu ihm: «Jetzt musst du etwas ändern. Sonst kommst du wirklich ins Gefängnis.» Für ihn gibt es nur eine Option: mit Drini Musik zu machen. «Es war eh schon alles Scheisse – wir hatten nichts zu verlieren und sind das Risiko eingegangen.» Die beiden verbringen Tage und Nächte damit, Texte zu schreiben, arbeiten als DJs. Zufällig bittet ein Produzent L Loko, ihm einen Studiotisch zu schreinern. Anstelle einer Bezahlung darf er mit Drini zusammen einen Song aufnehmen.
Erste Erfolge in Klubs
Dann geht alles Schlag auf Schlag. Sie veröffentlichen ein paar Songs, und diese finden im Zürcher Underground Anklang. Die beiden haben kleinere Auftritte in Klubs, jeder Rappen wird gespart, sieben Tage die Woche gearbeitet. 2020 erfüllen sie sich einen Traum und bauen im alten Tresorraum einer Bank ein Musikstudio. Sie gründen ihr Label Sektion Züri.
2022 bekommen sie einen Plattenvertrag mit Major Label Sony. «Die Musik hat uns von der Strasse geholt. Wir durften uns endlich ausdrücken, haben unseren Weg gefunden.» Ihre Vergangenheit verheimlichen die Musiker keineswegs – sie singen ehrlich über die Geschehnisse. «Unsere Musik widerspiegelt das wahre Leben. Wir wollen anderen Mut machen, ihnen zeigen: Hey! Macht es besser als wir. Es gibt einen Weg. Sucht ihn!» L Loko fügt an: «Einmal hat mir jemand geschrieben, er habe an Suizid gedacht, aber unsere Lieder hätten ihm wieder Motivation gegeben. Genau darum gehts uns.»
Auch ihre Kinder wollen sie inspirieren. L Loko hat eine sechsjährige Tochter, Drini wurde im März Vater eines Sohnes. «Wir wollen unseren Kindern das geben, was wir nie hatten – Zeit und Luxus.» Obwohl der Schweizer Rap-Markt klein ist, können die zwei gut von der Musik leben. Mit ihrem urbanen Stil begeistern sie die Fans. Die beiden jüngsten Alben landen in den Top 5 der Schweizer Hitparade. Sie treten an Mega-Events wie dem Openair Frauenfeld oder dem Energy Air auf.
Im Mai der Höhepunkt ihrer bisherigen Karriere: Sie gewinnen den Swiss Music Award «Best Hit» für den Song «Will nomeh». Im Rekordtempo erreicht dieser erst Gold und nur zwei Monate später Platin. Und sie wollen noch mehr: «Anfang 2024 kommt das nächste Album. Das soll auf der Eins landen. Wir wollen den Schweizer Markt mit unserer Musik revolutionieren», sagen die beiden grinsend. Grosse Visionen soll man haben – wie in Hollywood eben.