Ffft! Ffft! Ffft! Der kleine, weisse Ball zischt von Jeremy Freiburghaus’ Schläger weg und fliegt 50, 100, 150 Meter weit über die tief verschneite Driving Range des Golfclubs Domat/Ems. Der 27-Jährige trainiert in einer Golfbox mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks. Zu diesem Schluss kommt die Datenauswertung des portablen Launch-Monitors TrackMan. Das Tool ist mit modernster Radartechnologie ausgerüstet, misst und analysiert die Schlägerbewegungen respektive den Ballflug in Echtzeit. Neben Jeremy Freiburghaus steht sein Vater Philippe (59) der verantwortliche Trainer des Profigolfers aus Bonaduz GR.
Freiburghaus senior greift seinem Sohn an die Schirmmütze. «So kann ich seine Körperspannung kontrollieren», erklärt der gebürtige Genfer. Dann legt er zwei Ausrichtungsstäbe auf die Abschlagmatte. «Damit kann Jeremy die korrekte Ausholbewegung im Golfschwung üben.» Philippe Freiburghaus arbeitet seit mehr als 25 Jahren im Club als professioneller Golflehrer. Er charakterisiert seinen Sohn als «zielstrebig, fleissig und bodenständig». Vater und Sohn durchleuchten gemeinsam die zu Ende gegangene Saison auf der DP World Tour, vormals PGA European Tour. Sie hat für Freiburghaus mit dem Abstieg eine Stufe tiefer in die Challenge Tour enttäuschend geendet und gezeigt: Der Weg an den finanziellen Futtertrog im Golfsport ist steinig. Als erstem Schweizer Golfprofi seit zwanzig Jahren war es dem Bündner Sportler 2022 gelungen, sich eine volle Spielberechtigung auf der bedeutendsten europäischen Tour zu sichern.
Einsamer Wolf in Europas Top-Liga
Grund zur Freude haben derweil Freiburghaus’ langjährige Weggefährten Joel Girrbach und Benjamin Rusch. Die beiden Thurgauer werden heuer auf der DP World Tour um attraktive Preisgelder kämpfen. Auf höchster Stufe gab es bisher einen einzigen Schweizer Sieg: 1995 gewann André Bossert in Cannes.
Jeremy Freiburghaus führt seinen Abstieg auf gesundheitliche Probleme und ein verändertes Umfeld zurück. «Aufgrund einer Fehlbelastung der Rückenmuskulatur hätte ich mir Anfang 2023 eine Pause gönnen müssen. Die Rückenprobleme hatten einen negativen Einfluss auf meinen Golfschwung», sagt der gelernte Informatiker. Und ergänzt: «Ich hatte Mühe, auf der Tour als einziger Schweizer unterwegs zu sein. Ich musste mich durchbeissen, weil mir der Austausch mit erfahrenen Spielern fehlte. Mich allein zu beschäftigen, raubt mir mehr Energie, als mit Freunden etwas zu unternehmen.»
Auf der Challenge Tour 2024 wird Jeremy Freiburghaus nicht mehr als Solitär unterwegs sein: «Ich bilde mit dem Waadtländer Robert Foley sowie den Zürchern Marco Iten und Ronan Kleu ein Schweizer Team. Mein Ziel ist klar: Ich will 2025 wieder auf der DP World Tour spielen. Dafür muss ich auf der Challenge Tour angreifen und einen Top-20-Schlussrang erreichen.»
Auf dieser Challenge Tour wurde Freiburghaus vor einem Jahr Gesamt-Zweiter. Sein Preisgeld: 157'756 Euro. Das danach für die DP World Tour erhöhte Budget wird er 2024 auf der Challenge Tour wieder reduzieren. Statt 150'000 wendet er «nur» noch 100'000 Franken auf. Einen eigenen fixen Caddie hat er nicht mehr, und die Reisekosten fallen günstiger aus. Das trotzdem immer noch stattliche Budget deckt er über Beiträge von Sponsoren und Swiss Golf. Weiterhin zusammenarbeiten wird er mit Mentaltrainer Andreas Schwaller. Der Olympia-Dritte 2002 und Europameister 2006 im Curling steht ihm per Video, Facetime oder am Telefon mit Ratschlägen zur Seite. Auch Fitnesscoach und Physiotherapeut sind wieder dabei.
Mitte Januar fliegt Freiburghaus für zwei Wochen ins Trainingslager nach Dubai. Die Challenge Tour beginnt dann im Februar in Südafrika.
Nach dem Training fährt Freiburghaus nach Hause. Er lebt mit seinen Jugendfreunden Eric Ott, 26, und David Hemmi, 26, in einer WG in Chur. «Jeremy ist ein Energiebündel, das Leben in die Bude bringt. Er sieht sich gerne in der Rolle des Komikers. Ich kann aber nicht behaupten, dass er den Haushalt schmeisst», sagt Projektleiter Ott und lacht. Marketingmanager und DJ Hemmi ergänzt: «Jeremy bringt mit seiner positiven Art Menschen zusammen. Wir schauen abends oft Fussball oder spielen Playstation.»
Die gesunden Rezepte der Mutter
In der Küche schneidet Single Freiburghaus Peperoni, Broccoli und Kartoffeln. Der 1,85 Meter grosse und 90 Kilogramm schwere Athlet legt Wert auf eine gesunde Ernährung; seine Mutter Andrea, 53, hat ihm entsprechende Rezepte aufgeschrieben. Die gebürtige Österreicherin ist Ernährungsberaterin.
Energie tankt Freiburghaus im sommerlichen Crestasee, auf dem Snowboard im Skigebiet Flims Laax Falera oder beim Spielen auf seiner E-Gitarre. Der Gastgeber verabschiedet das SI-Team mit einem Klassiker von AC/DC: «You Shook Me All Night Long». Auf der Rückfahrt hören die Besucher den Song «Tougher Than The Rest» von Bruce Springsteen. «Stärker als der Rest.» Wenn das kein gutes Omen ist für Freiburghaus’ Golferzukunft!