Zeit, um mit seinen Söhnen Maximilian (8) und Jonathan (3) Lego zu spielen, hat Philipp Matthias Bregy (46) zurzeit wenig. Ständig läutet zu Hause in Naters VS das Handy des Mitte-Fraktionschefs. «Papi, bauu, nit telefonieru», sagt der Zweitklässler, als Bregy kurz nach dem Mittagessen einen Anruf entgegennimmt und sich in den oberen Stock der lichtdurchfluteten Eigentumswohnung mit Blick auf das Glishorn zurückzieht. Am anderen Ende der Leitung ist der Walliser Staatsrat Christoph Darbellay (53) ein potenzieller Kandidat für die Nachfolge von Bundesrätin Viola Amherd (62). «Noch ist er unentschlossen», sagt Bregy. Vier Tage später ist klar: Darbellay tritt nicht an.
Dafür steigt kurz vor Ablauf der Meldefrist am Montagmittag der Zuger Regierungsrat Martin Pfister (61) ins Rennen. Ein «hingewürgtes Zweierticket», moniert der «Tages-Anzeiger». Bregy widerspricht: «Pfister ist ein zweiter exzellenter Kandidat.» Dass die achtköpfige Findungskommission, zu der auch Bregy gehört, keine Frau für das Amt motivieren konnte, relativiert er mit Blick in die Vergangenheit. «Wir haben damals bei der Wahl von Viola Amherd ein reines Frauenticket präsentiert, und mit Doris Leuthard und Ruth Metzler bewies die Mitte, dass sie Frauen nicht nur aufs Ticket, sondern auch in die Landesregierung bringt.» Stärker als Geschlecht, Herkunft oder den Beruf gewichtet Bregy die Führungsqualität und das «Brennen fürs Amt».
«Ich begleite Philipp gern, halte mich aber im Hintergrund», sagt Nathalie Bregy. Das Bild an der Wand stammt von Bregys Vater.
Kurt ReichenbachÜberrumpelt von Amherds Rücktritt
Gelassen nimmt der Fraktionschef auch den Wirbel um Bundesratskandidat und Bauernpräsident Markus Ritter (57) «Ich erwarte von beiden Kandidaten, dass sie ihre vorherige Rolle abstreifen.» Die Gefahr einer «Agrokratie» sieht er nicht. «Nur weil eine Bundesrätin Schwarznasenschafe hält, ist sie weder Walliserin noch Bäuerin. Und Winzer wie Guy Parmelin sind für mich vor allem Unternehmer.» Genauso übertrieben sei die Sorge, dass keine Juristen mehr in der Regierung sitzen. «Juristen gibts in der Verwaltung sowieso schon genug», sagt Bregy, seines Zeichens Rechtsanwalt und Partner einer Kanzlei, und lacht herzhaft.
Doch auch Bregy gibt zu: Der Druck auf die Mitte ist momentan gross. «Ich bin ein positiver Mensch. Aber die zwei wichtigsten Ämter unserer Partei auf einmal zu besetzen, ist ein Hosenlupf.» Während Bregy bei Parteichef Gerhard Pfister, mit dem er in Bern ein Büro teilt, zumindest «eine Ahnung hatte», erwischte ihn Amherds Rücktritt völlig überraschend. «Als Viola mich am Morgen vor ihrer Pressekonferenz anrief, betreute ich meinen kranken Sohn», erzählt er. «Ich hatte Fieber!», präzisiert Maximilian. Nachdem Bregy die Hiobsbotschaft seiner Frau Nathalie (44) mitgeteilt hatte, eilte diese mit Jonathan nach Hause. Bregy setzte sich in den Zug nach Bern. Es folgten turbulente Tage mit unzähligen Interviews und Besprechungen.
Früher selber Stürmer, steht Bregy heute meist an der Seitenlinie – dafür kickt Junior Maximilian beim FC Naters.
Kurt Reichenbach«Will mit meinen Kinder Zmorge essen»
Genau in solchen Momenten läuft Bregy, der von sich sagt, dass er «d Menschu gäru het», zur Höchstform auf. In der Politik hält es der ehemalige Walliser Junioren-Fussballmeister nämlich wie im Sport: «Bälle nur hin- und herzuspielen, finde ich langweilig. Spass habe ich in der Offensive, wenn ich etwas bewegen kann.» Seine Frau Nathalie nickt. «Philipp macht Politik aus Leidenschaft, seine offene Art hilft ihm dabei.» Er und die Pharmaassistentin sind seit 27 Jahren ein Paar. «Gefunkt hat es an der Fasnacht», erzählt sie. Bereits in jungen Jahren jonglierte der Sohn einer Kauffrau und eines SBB-Mitarbeiters viele Bällen gleichzeitig. Er leitete eine Guggenmusik, ein Musikfest, einen Schwinganlass und als Vize den Touring Club Wallis – mit 20 wurde er Generalsekretär der Jungen CVP. «Damals war er ein Sprenzel, wog 54 Kilo und hatte lange Haare», sagt Nathalie Bregy und fährt ihm über seine Kurzhaarfrisur.
Heute gehört Bregy, der sich auf seiner Homepage selbstironisch als «so links wie schlank» beschreibt, in Bern zu den politischen Schwergewichten. Seit rund vier Jahren präsidiert er die Mitte-Fraktion und sitzt in der einflussreichen Wirtschaftskommission. «Bei Philipp ist immer klar, wo er steht, man kann ihm vertrauen. Das macht die Zusammenarbeit sehr einfach», sagt die Fraktionschefin der Grünen, Aline Trede.
Kein Wunder also, wurde Bregy von links bis rechts für die Bundesratskandidatur umgarnt. Selbst der Schuldirektor von Maximilian hat den ehemaligen Walliser Grossrat aufgefordert, es zu probieren. Doch Bregy winkte ab. «Der Bundesrat ist ein Alles-oder-nichts-Job. Ich möchte mit meinen Kindern weiterhin hin und wieder hier Zmorge oder Zabund essen», sagt er und fährt mit der Hand über den massiven Holztisch. «Wir hätten wohl nach Bern umziehen müssen», ergänzt seine Frau. Gerade bei Maximilian, der mit Schule und Fussballverein in Naters stark verwurzelt sei, hätte sie Bedenken gehabt. «Dafür wäre vielleicht das FBI zu uns in die Schule gekommen», sagt Maximilian. Die Eltern lachen.
Die Dachwohnung in Naters haben die Bregys 2018 gekauft. Den Hometrainer nutzt er selten. «Ich muss aber abspecken!» – «Weniger Sandwiches in Bern», sagt seine Frau.
Kurt Reichenbach«Parteipräsident wäre möglicher nächster Schritt»
Auch andere Top-Kandidaten führten bei ihrer Absage private Gründe ins Feld. Gerhard Pfister «wäre nicht glücklich als Bundesrat», Martin Candinas «fehlt das innere Feuer», Isabelle Chassot «hat keine Lust, Lust zu haben». Bregy zeigt dafür Verständnis: «Schon heute sind viele politische Ämter 150-Prozent-Jobs.» Er etwa erhalte bis 20 Einladungen pro Wochenende, ist viel unterwegs – das Pensum als Anwalt musste er stark reduzieren. «Im Gegensatz zu einem Bundesrat kann ich aber flexibler entscheiden und so Zeit für die Familie freischaufeln.»
Auf dem Rasen vor dem Wohnhaus zeigt Bregy seinem älteren Sohn, wie ein richtiges Tackling funktioniert, «agriffu, aber fair». Nach dem Rücktritt von Pfister ist das Feld Ende Juni für Bregy als Parteipräsident frei. «Es wäre ein möglicher nächster Schritt», sagt er selber. Entgegen käme Bregy, dass Die Mitte nach der Namensänderung und der Fusion nun keine so straffe Führung wie unter Pfister mehr braucht. «Ich bin einer, der gern den Konsens sucht.» Doch darüber macht sich Bregy erst vertieft Gedanken, wenn die Bundesratswahl vorbei ist. Dann hat er auch wieder mehr Zeit, um mit den Jungs mit Lego zu bauen.