Seit der Film «Die göttliche Ordnung» auch in Amerika zu sehen ist, im originalen Ostschweizer Dialekt mit englischen Untertiteln, werde ich öfter mal darauf angesprochen. Von den Bitten, schweizerdeutsche Ausdrücke nachzusprechen, was ich mir mit meiner Zürischnurre nicht erlauben würde, über Fragen nach den veraltet scheinenden Modediktaten bis hin zum eigentlichen Thema des Films, dem Kampf um das Frauenstimmrecht und die erschwerende Tatsache, dass es nicht von Politikern, sondern von den stimmberechtigten Männern genehmigt werden musste.
«Jetzt versteh ich endlich, warum du da wegwolltest», sagt eine Freundin. Das können nämlich die wenigsten Amerikaner nachvollziehen. Ausser denen, die selbst eine Zeit lang in der Schweiz lebten. Die beklagen sich vor allem über die festgefahrenen Geschlechterrollen. «Dass Mütter arbeiten, ist wohl nicht vorgesehen, was?»
Die ausgebildete Buchhändlerin landet 1991 mit «Die Putzfraueninsel» ihren ersten Bestseller. Seit 2015 lebt die 57-jährige Zürcherin in den USA, wo sie im Mai 2020 den mexikanischen Künstler Victor-Mario Zaballa geheiratet hat. Ihre jüngste Publikation: «Das schöne Leben der Toten» mit Illustrationen ihres Lebensgefährten. In Amerika vermisst Milena Moser: ihre zwei Söhne, ihre Freundinnen, Laugenbrötli und Chäschüechli.
Nicht wirklich. Immer noch nicht. Ich weiss nicht, wie oft ich in Interviews gefragt wurde, wer sich denn um meine Kinder kümmere, wenn ich schreibe, und was mein Mann dazu meine. Meine innere Ermüdung hat bestimmt manchmal zu patzigen Antworten geführt. «Können wir über meine Arbeit reden? Nein?»
Nun, die Zeit hat diese Fragen ausgewischt. Und das ist nicht der Grund. Im Gegenteil, dieser Film, den ich mir aufgrund der vielen Kommentare aus meinem Umfeld gleich noch zweimal angeschaut habe, erinnert mich daran, was ich an der Schweiz liebe und am meisten vermisse. Die Frauen. Meine Freundinnen.
Ja, da ist die gnadenlose soziale Kontrolle, das selbstgerechte Urteilen über andere, diese so eng gesteckte Vorstellung, wie ein Leben gelebt werden soll. Darunter habe ich in der Schweiz durchaus gelitten, und zwar in der Zürcher Medienszene noch mehr als auf dem Dorf. Doch da ist auch das knurrige Einlenken, das Über-den-eigenen-Schatten-Springen, das Überwinden von Vorurteilen und Feindbildern. Da ist die helfend ausgestreckte Hand in der Not. Da ist der wortkarge, aber unverbrüchliche Zusammenhalt unter den Frauen. Ihre Freundschaft muss man sich verdienen, aber sie hält. Ein Leben lang.