Ständig etwas hinterherzurennen, ist kein gutes Gefühl. Egal, wie imposant ein Palmarès ist, die Fragen nach noch mehr sind nicht weit: Wann gibts denn endlich WM-Gold? Wann den Olympiasieg? Und bitte, ein Slalomtriumph nach 29 Podesten müsste doch möglich sein? Dieses Mal aber lösen die Gold- bzw. zwei Bronzemedaillen, von Lara Gut-Behrami im Super-G und Riesenslalom und Wendy Holdener im Slalom, in Peking bloss Strahlen aus. Auch bei ihnen.
Krankheiten und Sturz bremsen Gut-Behrami
Grund dafür sind die Umstände. «Monatelang gab es eine Hürde nach der anderen, bin ich hinterhergerannt», sagt Lara Gut-Behrami. Nicht hinter Gold, sondern schlicht dem fitten, gesunden Ich, ihrer Gesundheit. Nach dem genialen vergangenen Winter zählte die 30-Jährige zu den grossen Favoritinnen dieser Saison. Dann ist sie im November wochenlang stark erkältet. Stürzt im Dezember schwer. Und muss schliesslich wegen einer Covid-19-Infektion vier Wochen aussetzen, verliert zwei Kilogramm Muskelmasse. Doch die Tessinerin hat in ihrer 15-jährigen Karriere gelernt: Sie muss auf sich hören. Sie bleibt zu Hause in Italien bei ihrem Mann Valon und schiebt einen Konditionsblock ein, reist später als das Team nach Peking. Und freut sich nun über ihre Gold- und zweite Bronzemedaille an Olympia.
Auch Wendy Holdener muss Rennen auslassen. Im Oktober bricht sie sich Knochen im Handgelenk – links und rechts! Ihre Saison nach der Genesung ist nicht schwach, bloss nicht so konstant wie gewohnt für die 28-Jährige. Dennoch: Wenns um die Medaillen geht, ist sie da. Ebenso wie Lara Gut-Behrami. 16 Medaillen an WM und Olympia haben die zwei zusammengezählt bereits abgeräumt, zweimal Teamgold von Holdener nicht mitgerechnet. Das ist einfach nur grosse Klasse. «Wendy ist immer auf den Punkt parat, es ist beeindruckend», sagt Teamkollegin Michelle Gisin, Sekunden nachdem sie ihre eigenen Tränen der Enttäuschung aus dem Gesicht gewischt hat. «Sie macht das so gut! Und ich beobachte das schon lange.»
Gut-Behrami und Holdener sind früh in den Weltcup gekommen, mit 16 respektive 17 Jahren. Sie hatten ihre grossen Triumphe und bitteren Niederlagen. Haben sich nun ein Umfeld geschaffen, in dem sie sich wohlfühlen, Energie tanken und sich auf ihre Leistung konzentrieren können.
2014 war Gut-Behrami enttäuscht, als sie in Sotschi Bronze gewann – zu sehr trauerte sie der Gelegenheit nach, Gold zu holen. Acht Jahre später sagt sie immer wieder, wie viel Energie sie die ganzen Reisen kosten. Gut möglich, dass es ihre letzten Olympischen Spiele sind. Super-G, Abfahrt und Kombination folgen noch in Peking. «Ich freue mich auf die nächsten Rennen», sagt sie.
Und wann kommt der erste Olympiasieg?
Die zwei lassen sich nicht unter Druck setzen, doch die Zeichen stehen gut. Sie fühlen sich befreit, und durch die beiden Bronzemedaillen ist auf jeden Fall das Selbstvertrauen da. Das Momentum. Und die Lust, eine weitere Frage von der ewigen Liste der Unersättlichen zu streichen.