Kurt Aeschbacher, zum 70. haben Sie sich eine Ausstellung Ihrer Kunstsammlung geschenkt. Was schenken Sie sich zum 75.?
Die Liebe zu meinem Partner und die Freude am Leben. Es ist ein Geschenk, immer noch so gesund und neugierig durch die Welt zu gehen.
Ausserdem haben Sie vor fünf Jahren, exakt an Ihrem Geburtstag, eine Modeschau moderiert und auf der Bühne getanzt. Wie opulent haben Sie am 24. Oktober gefeiert?
Völlig bescheiden. Mein Partner und ich sind gemütlich essen gegangen. Ich habe bewusst kein Fest vorgesehen.
Sie sind ein Ästhet. Wie wichtig ist Ihnen Ihr Aussehen?
(Überlegt.) Im Sinne einer Korrektur der Physiognomie ist es mir nicht wichtig. Der Schwerkraft unterliegen wir alle. Wichtig ist mir jedoch, körperlich nicht zu verwahrlosen. Mich nicht gehen zu lassen. Das dünkt mich wesentlich. Dabei geht es nicht nur um Kleider. Ich will besonders meiner Gesundheit Sorge tragen.
Was ist das Angenehme im Alter?
Die Tatsache, dass man nicht mehr alles muss. Und immer mehr darf. Aber zum Alter gehört auch, dass man sich ein bisschen disziplinieren muss und nicht einfach nur auf dem Bänkli sitzt und in die Landschaft stiert. Dass man sich für Neues interessiert. Dass man Freundschaften pflegt, um nicht einsam zu werden. Wichtig sind Herausforderungen. Noch immer werde ich regelmässig jeden Monat für Moderationen gebucht. Dann schreibe ich für meine Zeitschrift «50plus». Oder ich produziere den Podcast «ZwägHochZwei» mit meiner Kollegin Nina Ruge (67, ehemalige deutsche Fernsehmoderatorin / Anm. d. Red).
Der kurze Podcast für ein langes, gesundes Leben. Wie sind Sie beide auf diese Idee gekommen?
Nina Ruge war einst bei mir in der Sendung «Aeschbacher». Danach haben wir uns aus den Augen verloren. Letztes Jahr habe ich sie per Zufall an einem Anlass in Luzern interviewt. Kurz darauf rief sie mich an und fragte: «Kurt, wäre es nicht interessant, über Fragen der Langlebigkeit etwas Gemeinsames zu machen Hättest du Lust?» Ja, hatte ich. Jetzt sind wir bereits bei der zweiten Staffel und hoffen, dass es weitergeht. Denn es gibt kaum ein wissenschaftliches Gebiet wie das der Langlebigkeit, über das momentan so viel geforscht wird.
Also Älterwerden um jeden Preis?
Nein. Es geht nicht darum, 120 zu werden. Das würde unser System auch gar nicht prästieren. Es geht darum, unser Gesundheitssystem zu entlasten und selbstverantwortlich möglichst lange so zu leben, dass man nicht jahrzehntelang chronisch krank ist. Natürlich kann man auch Pech haben durch genetisch bedingte Anlagen. Ich behaupte allerdings, es hat viel mit Eigenverantwortung zu tun, dass man gesund älter wird. Beispielsweise damit, dass man nicht übergewichtig ist, dass man nicht raucht wie ein Schlot, dass man nicht trinkt wie ein Loch und dass man schaut, was man isst. Alles kleine Dinge, die einen Beitrag zur eigenen Gesundheit leisten und auch eine Erleichterung für unser Gesundheitssystem sind.
Wie alt möchten Sie denn werden?
Ist mir egal. Ich möchte einfach nicht lang krank sein. Das ist mein Wunsch. Es wäre schon schade, wenn ich nächstes oder übernächstes Jahr sterben würde. Das fände ich ein bisschen doof.
Gar keine Laster?
Doch, natürlich. Ich trinke wahnsinnig gern Wein, aber ich saufe nicht. Ich bin auch kein Vegetarier, ich esse aber massiv weniger Fleisch als früher. Seit ich den Podcast mit Nina Ruge mache, lebe ich übrigens um einiges gesünder.
Kein Zipperlein, das Sie beschäftigt?
Nein. Ich kann nicht helfen. Tut mir leid (lacht).
«Der Schwerkraft unterliegen wir alle»
Kurt Aeschbacher
Wie halten Sie sich fit?
Da habe ich noch Nachholbedarf. Ich gehe mit Amélie, meiner Labradorhündin, gut eine Stunde am Tag spazieren. Aber das Fitnesstraining habe ich in letzter Zeit vernachlässigt. Da muss ich wieder disziplinierter werden.
Dabei haben Sie ein eigenes Fitnessstudio, das Ihr Partner führt …
Ja, eben! Das ist peinlich. Ich muss mehr Krafttraining machen. Der Körper verändert sich, wenn man älter wird. Man verliert pro Jahr etwa fünf Prozent seiner Muskeln. Dagegen hilft nur eine Kombi: trainieren und Proteine essen. Das weiss ich alles theoretisch. Trotzdem bin ich zu faul. Dabei sind es nur ein paar hundert Meter zu unserem Studio, wos auch medizinische Massagen gäbe. Ich ziehe mir selbst die Ohren lang (lacht).
Apropos Partner: Sie sind seit zehn Jahren mit Leonardo Reinau zusammen, leben in einer eingetragenen Partnerschaft. Ist Heiraten ein Thema?
Nein. Der Unterschied zwischen «eingetragener Partnerschaft» und «Heiraten» ist minimal. Wir haben auch nicht das Gefühl, dass wir ein Hochzeitsfest machen müssen. Leonardo ist jemand, der zurückgezogen lebt und so grosse Geschichten gar nicht mag. Wichtig ist uns, dass das Rechtliche geregelt ist.
Haben Sie eine glückliche Beziehung?
(Lacht.) Ja, ich wüsste nichts anderes!
Leonardo ist über 30 Jahre jünger als Sie. Ein Problem?
Nein, anscheinend war unser Altersunterschied immer nur ein Thema für andere. Für uns ist es keines. Zum Glück!
Sie wohnen zusammen. Wie würden Sie Ihren Wohnungsstil beschreiben?
Sehr eklektisch. Gefüllt mit 1000 Dingen, die ich sammle. Wirkt für viele sicher überladen. Manchmal sogar für mich. Ich bewundere Menschen, die in so cleanen Haushalten leben mit Wänden, die weiss und leer sind. Für mich muss sich eine Wohnung immer wieder der aktuellen Situation anpassen. Ich bin dauernd am Umstellen.
Wie wichtig ist Ihnen Wohnen?
Extrem wichtig. Die Wohnung ist eine Rückzugsmöglichkeit, ist aber auch ein Ort, wo man mit Freunden zusammen sein kann. Deshalb investiere ich einiges ins Wohnen. Nicht nur in Möbel und in die Behaglichkeit, sondern auch in die Gastfreundschaft. In diesen schwierigen Zeiten, wo viele Menschen ihre Häuser wegen der Kriege verlieren, fühle ich eine tiefe Dankbarkeit, dass ich hier diese Geborgenheit und Sicherheit so geniessen darf. Die Schweiz ist ein Geschenk.
«Wichtig ist Leonardo und mir, dass das Rechtliche geregelt ist»
Kurt Aeschbacher
Was kommt bei Ihnen nie in die Wohnung?
Ausgestopfte Tiger oder ausgestopfte Eisbären. Also keine toten Tiere.
Sie sind aber nach wie vor ein passionierter Kunstsammler?
Ich kaufe weniger als früher. Ich frage mich heute, ob es überhaupt noch Sinn macht, etwas zu kaufen, das dann in einem Lager verschwindet. Aber es gibt immer noch die eine oder andere Verführung. Es ist wie eine Sucht. Den Rank zum völligen Verzicht habe ich noch nicht gefunden, doch ich bessere mich.
Wann haben Sie eigentlich mit dem Sammeln von Kunst angefangen?
Mit 18, grad vor der Matura. Es gab da eine Galerie in Bern mit wunderbaren Grafiken von David Hockney. Ich kaufte eine, stotterte den Betrag mit der Hälfte meines Sackgelds – ich bekam damals 20 Franken im Monat – ziemlich lange ab.
Zu den weniger schönen Seiten des Lebens: Was macht Sie traurig?
Ich war kürzlich in Bangladesch für die Unicef. Wir waren eine Woche lang in den Slums. Da wurde mir wieder klar, wie viele Menschen unter den Folgen des Klimawandels leiden. Bangladesch liegt sehr tief. Höchstens ein paar Meter über dem Meeresspiegel. Da dieser steigt, steigt auch das Salzwasser in die Flüsse. Das verändert das Süsswasser und somit die Landwirtschaft. Auf der anderen Seite schmelzen die Gletscher des Himalaja –und es gibt mehr Taifune. Das Land wird überschwemmt. Die Menschen flüchten in die Stadt. In der Hoffnung, dort Arbeit zu finden. Mittlerweile leben in der Hauptstadt Dhaka von den über 21 Millionen Einwohnern rund 30 Prozent in Slums. Überall Fäkalien, kein sauberes Wasser, oft kein Dach über dem Kopf. Solche Bilder zerreissen mir fast das Herz.
Zum Schluss der Blick auf Ihr eigenes Leben – Glück gehabt?
Ja! In jeder Hinsicht. Ich sage immer, das Leben besteht nur aus Zufällen. Die Frage ist höchstens, was man aus diesen Zufällen macht. Ich glaube, ich habe Glück gehabt. Ich hatte wunderbare Eltern, bin behütet aufgewachsen. Und ich konnte immer das machen, was mich interessiert hat. Hauptsächlich dank dem Fernsehen, obwohl ich eigentlich nie Journalist werden wollte. Aber ich habe damals dieses Angebot bekommen. Es war eine glückliche Fügung. Trotzdem: Ich vermisse das Leben vor der Kamera kein bisschen.