Aneinandergekuschelt sitzen Beat Jans (60) und seine Frau Tracy (52) am Sonntag in der Münsterfähri. Mit dem Holzboot, das an einem langen Drahtseil befestigt ist, fahren die beiden von Kleinbasel, wo sie mit ihren Töchtern Zoe (19) und Mia (16) leben, zum Weihnachtsmarkt nach Grossbasel. «Sali zämme», grüsst der junge Fährimaa – in Basel ist man mit dem Bundesrat per Du. Was ebenfalls auffällt: ein Bodyguard ist keiner dabei. «Die begleiten uns nur an offizielle Anlässe», sagt Jans. «Ganz diskret», ergänzt Tracy Jans augenzwinkernd.
Die jubelnde Tracy auf der Zuschauertribüne des Nationalratsaals und das Strahlen im Gesicht des frisch gewählten SP-Bundesrats, als er seine Familie entdeckte – die Bilder bewegten im Dezember vor einem Jahr die Schweiz. «Es gibt nichts Schöneres, als von eurer Liebe getragen zu werden», sagte Jans damals in seiner ersten Ansprache.
Im Juni feierten er und die gebürtige Amerikanerin, die er beim Wandern auf Hawaii kennengelernt hat, ihre Porzellanhochzeit. «Vor 20 Jahren sass ich im weissen Hochzeitskleid in dieser Fähri. Beat wartete oben auf der Münsterterrasse, und ich hoffte, dass mein Kleid beim Treppensteigen nicht dreckig wird», erzählt sie.
Kurz nachdem die beiden am Weihnachtsmarkt auf dem Münsterplatz mit Glühwein anstossen, suchen die ersten Passantinnen das Gespräch. «Finden Sie Bern nicht etwas schläfrig», fragt eine Frau, die sich als Genossin aus Schaffhausen vorstellt. «Überhaupt nicht!», entgegnet Jans und erzählt ihr, wie er zusammen mit seiner Frau in diesem Jahr die Altstadt entdeckte.
«Vor 20 Jahren sass ich im Hochzeitskleid in dieser Fähri»
Tracy Jans
Wie alle seine Kolleginnen und Kollegen hat auch der Justizminister eine Wohnung in der Bundesstadt. Ursprünglich war vorgesehen, dass Tracy Jans ihn jeden Donnerstag besuchen kommt und die beiden freitags zusammen zurück nach Basel fahren. Doch dieser Plan ging nicht ganz auf. «Mit Job, Kindern und Hund müssen wir flexibler sein», sagt die Biostatistikerin, die am Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut in Basel arbeitet. Rund sechsmal pro Jahr reist sie für Studien um die Welt, gerade ist sie aus Südafrika zurückgekommen. «Wir haben grossen Respekt für die Arbeit des anderen», sagt sie. Wichtig sei, trotzdem Zeit füreinander zu finden. «Wir haben nun Date-Nights in Bern», schwärmt Jans. Das sei wunderbar für die Beziehung. «Es knistert», sagt er. Auch die Töchter kommen gern nach Bern. «Am liebsten am Wochenende, wenn ich gar nicht da bin», scherzt er. Zoe ist im letzten Gymijahr, Mia reist 2025 für ein Austauschsemester ins Ausland.
Syrien als neue Belastungsprobe
Vom Weihnachtsmarkt gehts für einen kurzen Abstecher ins Naturhistorische Museum. Als Regierungspräsident von Basel stand Jans bis vor einem Jahr den Museen vor. «Die Kultur war mir immer wichtig», sagt er, bevor er im Treppenhaus auf einen riesigen Kopf eines T-Rex-Dinosauriers trifft.
In Bern ist der grösste Gegner des Justizministers die SVP. Nachdem die Partei ihn Anfang Jahr noch für seine angekündigten Asylpläne – Ausbau des 24-Stunden-Verfahrens, schärferes Vorgehen gegen kriminelle Asylbewerber, Gesuchsstopp am Wochenende – gelobt hatte, verriss sie ihn Ende Juli in einer extra einberufenen Pressekonferenz. «Beat Jans hat den Leuten Sand in die Augen gestreut», so der Vorwurf von SVP-Parteichef Marcel Dettling.
«Ich habe keine zu grossen Versprechungen gemacht», erwidert Jans den Vorwurf gelassen. Er habe auch nie gesagt, dass die Asylbewerber nach 24 Stunden weg sind, sondern dass die wichtigsten Verfahrensschritte 24 Stunden dauern sollen. «Wir setzen die Prioritäten richtig.» Dank den Bemühungen der Asylzentren habe etwa die Zahl der Asylsuchenden aus dem Maghreb stark abgenommen, und auch die Kriminalität sei zurückgegangen.
«In der Natur steckt etwas, das stärker ist als das tägliche politische Geschäft»
Beat Jans
Nun ist der Justizminister erneut gefordert. Nach dem Sturz des syrischen Machthabers Bashar al-Assad verlangt die SVP von Jans, die in die Schweiz geflüchteten Syrerinnen und Syrer möglichst rasch in ihre Heimat zurückzuführen. Das Staatssekretariat für Migration, welches Jans unterstellt ist, entschied am Montag, die Asylverfahren zu sistieren. «Für Rückführungen ist es aber viel zu früh. Wir wissen nicht genau, was im Moment in Syrien passiert. Die Lage ist sehr unübersichtlich», sagt Jans und ergänzt: «Grundsätzlich ist mir wichtig, dass wir unsere humanitäre Tradition einhalten.»
Rund 15 Asylzentren hat er dieses Jahr besucht und sprach mit Behörden und Geflüchteten. «Die Begegnungen sind manchmal sehr berührend.» Etwa jene im Berner Asylzentrum mit einem vom Krieg in der Ukraine gezeichneten Paar, das mit zwei Töchtern aus dem Land flüchtete.
Im oberen Stockwerk des Museums besuchen Jans und seine Frau die Ausstellung der Naturfotografie des Jahres. «In der Natur steckt etwas, das stärker ist als das tägliche politische Geschäft», sagt Jans, der 15 Jahre bei Pro Natura gearbeitet hat. Kraft für sein nicht immer einfaches Amt findet er zudem bei seiner Familie und in der Musik. Noch immer spielt er in einer Band mit Freunden Schlagzeug.
«Tracy schaut zudem, dass ich gesund bleibe», sagt er. So motiviere sie ihn zum Joggen (zweimal frühmorgens in Bern, am Wochenende mit dem Hund in Basel) und gehe mit ihm ins Pilates. «Das tut mir gut.»
«Seit Beat im Bundesrat sitzt, unterstützen wir einander noch mehr»
Tracy Jans
Klar sei er als Chef des EJPD exponiert, vor allem als Asylminister. Aber die Arbeit als Bundesrat sei ein Privileg, er könne etwas für die Bevölkerung bewirken. «Und mit der Migration, der Justiz und der Polizei habe ich Themen, die nah bei den Leuten sind. Das ist sehr spannend.» Im Bundesrat sei es ihm wohl. «Wir diskutieren kontrovers und lösungsorientiert.» Nur mit den Indiskretionen musste er lernen umzugehen. So sickerte an die Öffentlichkeit, dass Jans mit 25 mehrheitlich sozialen Massnahmen als Gegenprojekt zur 10-Millionen-Schweiz-Initiative der SVP im Bundesrat aufgelaufen ist. «Das war ein Auftrag, den ich erfüllte.»
Erfolg mit Italien
Im Alltag erlebe er viel Positives wie etwa das Treffen Ende November mit dem italienischen Innenminister Matteo Piantedosi. «Er hatte im Vorfeld erfahren, dass ich nach dem verheerenden Erdbeben in Süditalien im Jahr 1980 zwei Sommer lang beim Wiederaufbau geholfen hatte – das gab sofort eine Verbindung zwischen uns.» Danach signalisierte Italien Bereitschaft, über die Rücknahme von Flüchtlingen (Dublin-Fälle) zu verhandeln. Ein Erfolg für Jans. «Wenn man eine gemeinsame persönliche Erfahrung mit dem Gegenüber hat, kann das Türen öffnen», sagt er.
«Seit Beat im Bundesrat sitzt, unterstützen wir einander noch mehr», sagt Tracy Jans, die ihren Mann wann immer möglich begleitet. Die Kritik, die er erlebe, sei für sie nicht immer einfach. «Ich sehe, wie hart er arbeitet, um Lösungen zu finden.» Sie sei sich sicher, dass die Bevölkerung diesen Effort schätze.
Auf dem Weihnachtsmarkt kauft Tracy Jans ihrem Mann eine blaue Wollmütze. «Mein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk», witzelt sie. Gefeiert wird Weihnachten bei Jans’ nach Schweizer und nach amerikanischer Tradition. «Der Tannenbaum wird typisch amerikanisch schon Anfang Dezember geschmückt», sagt er. Am 24. Dezember komme der Santa Clause, am 25. das Christkind. «Nächste Woche besucht uns meine 80-jährige Mutter aus New York. Darauf freue ich mich riesig. Meine Familie ist sehr stolz auf Beat.»
Zuversichtlich ins 2025
Die Wahl von Donald Trump kommentiert Jans’ «First Lady» bei einer heissen Schoggi diplomatisch, aber klar: «Als Frau ist es besonders schwierig. Ich bin gar nicht überzeugt von der Situation.» Ihrem Mann macht die internationale Entwicklung allgemein Sorgen. «Die Mentalität, jeder ist besser als der andere, und alleine ist man stärker, ist völlig falsch.» Auf die Frage, ob der Bundesrat noch vor Weihnachten die Verhandlungen mit der EU zu den Bilateralen abschliessen kann, sagt Jans zuversichtlich: «Es gibt keine Anzeichen dafür, warum es nicht klappen sollte.» Doch damit seien noch nicht alle Nägel eingeschlagen. «Die letzten Nägel sind bekanntlich die grössten.»
Als Justizminister beschäftigen ihn 2025 mit der 10-Millionen-Initiative und der zum Grenzschutz gleich zwei Anliegen, die das Verhältnis mit der EU infrage stellen. «Ich finde es gut und wichtig, wenn sich die Bevölkerung mit dem Thema auseinandersetzt.»
Auch privat schauen er und Tracy mit Zuversicht vorwärts. «Ich bin stolz darauf, wie wir dein erstes Jahr als Bundesrat gemeistert haben, 2025 können wir es hoffentlich noch mehr geniessen», sagt sie. Er nickt. Dann laufen sie zurück zur Fähri – Hand in Hand.