«Landung bestätigt», heisst es am 18. Februar aus dem Kontrollturm der US-Raumfahrtbehörde Nasa im kalifornischen Pasadena – die Ingenieure und Wissenschaftler klatschen und jubeln. Mittendrin: Thomas Zurbuchen, 53, aufgewachsen in Heiligenschwendi BE oberhalb des Thunersees.
Seit viereinhalb Jahren ist der Schweizer Forschungsdirektor der Nasa. Er entscheidet über ein jährliches Budget von sechs Milliarden Dollar. Seine Agenda organisieren an die 20 Mitarbeitende. «Ein Hauptproblem in meinem Leben ist die Zeit», sagte er vor drei Jahren bei einem Treffen mit der Schweizer Illustrierten in Bern.
Ein Problem, das nicht kleiner wird: Zurbuchen höchstpersönlich hat die Mission des Mars-Rovers Perseverance zu verantworten. Ein historischer Meilenstein auf dem Weg zur bemannten Reise zum Mars. Auch US-Präsident Joe Biden gratuliert: «Mit der Kraft der Wissenschaft ist nichts unmöglich.»
Am 30. Juli 2020 ist das bislang leistungsstärkste Raumfahrzeug der Nasa von Cape Canaveral in Florida gestartet. Erklärtes Ziel: die Suche nach Leben auf dem Roten Planeten. «Mit der Landung der Perseverance ging für mich ein Traum in Erfüllung», sagt Zurbuchen per Skype. Er sitzt in seinem Büro in Washington, in der Hand eine Tasse Kaffee, bei ihm ist es 7.15 Uhr morgens.
Thomas Zurbuchen, wie oft haben Sie das Video der Marslandung schon angeschaut?
(Lacht) … bestimmt zwanzig Mal! Und jedes Mal bekomme ich wieder Herzklopfen.
Weil es um alles oder nichts ging?
Absolut! Entweder die Landung funktioniert. Oder man wird weltbekannt für den Fehlschlag. Ich habe nicht viel geschlafen in den vergangenen Tagen. Zuerst weil ich mir Sorgen machte, was alles schiefgehen könnte. Danach weil ich voller Adrenalin war.
Nach der erfolgreichen Landung der Perseverance haben Sie vor laufender Kamera den Notfallplan zerrissen. Was fühlten Sie in diesem Moment?
Eine unglaubliche Erleichterung! Und natürlich Stolz, besonders auf mein Team. Tausende von Leuten haben perfekt zusammengearbeitet – wie ein Schweizer Uhrwerk.
«Der Rover hat einen Arm, mit dem er greifen und bohren kann. Er sammelt Gesteins- und Bodenproben»
Wie ist das, wenn man im Kontrollturm sitzt und nicht eingreifen kann?
Es gab diesen Moment, als ich unten auf der Erde sass und wusste: Jetzt ist der Rover gelandet – oder eben nicht. Bis Funksignale vom Mars die Erde erreichen, dauert es etwa elf Minuten. Aber diese Zeitverzögerung hat auch etwas Tröstliches. Man weiss: Die Sache ist gelaufen, wir können nichts mehr tun. Das Landevehikel mit dem angedockten Mars-Rover war ganz auf sich allein gestellt.
Die Nasa spricht von den letzten «sieben Minuten des Terrors».
Weil kurz vor der Landung Hunderte Dinge genau richtig laufen müssen. Wir wissen nicht: Hat der Hitzeschild standgehalten? Ist der Fallschirm rechtzeitig aufgegangen? Konnte der Hitzeschild abgestossen werden? Funktionierten die Bremsraketen? Wurde der Rover sanft genug abgesetzt? Und vor allem: Ist die Perseverance heil geblieben? Hinzu kommt, dass der Jezero-Krater, wo wir gelandet sind, nicht flach ist.
Sondern?
Voller Geröll, Krater und Abgründe, vergleichbar mit der Wüste Nevadas. Darum haben wir die Raumsonde mit künstlicher Intelligenz ausgestattet. Dank Radar, Kameras und abgespeicherten Mars-Karten konnte der Rover noch während der Landung auf das Gelände reagieren und einen sicheren Landeplatz finden.
Was macht den Jezero-Krater so interessant?
Vor drei Milliarden Jahren gab es dort einen See mit einem Flussdelta. Wir hoffen, in den Sedimenten Beweise von Leben zu finden, das damals existiert hat.
Wie geht der Rover vor?
Das funktioniert fast wie im Film: Der Rover hat einen Arm, mit dem er greifen und bohren kann. Er sammelt Gesteins- und Bodenproben und deponiert diese auf der Mars-Oberfläche. In einigen Jahren wollen wir die Proben zusammen mit der europäischen Weltraumagentur ESA auf die Erde holen, mit einer neuen Mission. Das hat es bisher noch nie gegeben!
Und wozu dient die Drohne, die der Rover mit auf den Mars brachte?
Wir wollen klären, ob und wie das Fliegen in der dünnen Atmosphäre und der deutlich geringeren Schwerkraft des Mars möglich ist. Ausserdem kann uns ein solcher Helikopter in der Zukunft vielleicht Bilder von Orten liefern, zu denen der Rover nicht kommt.
Was nützen uns die Ergebnisse auf der Erde?
Haben Sie heute schon die Wettervorhersagen gelesen? Nun: Ein Drittel der Daten stammt von Nasa-Satelliten. Bei der Raumfahrt geht es immer auch darum, das Leben auf der Erde zu verbessern, um zuverlässige Voraussagen von Erdbeben, Wirbelstürmen oder Tsunami. Oder denken Sie an die ausgeklügelte Technologie des Mars-Rovers. Ich bin sicher, dass wir diese künstliche Intelligenz künftig auch bei der Herstellung von intelligenten Autos nutzen können.
Wie lange müssen wir noch warten, bis die ersten Menschen zum Mars fliegen?
Ich rechne damit frühestens in den 2030er-Jahren, aber es gibt bei uns immer Überraschungen. Der wichtigste Schritt ist jetzt für uns, wieder auf den Mond zu gelangen. Denn der Weg zum Mars führt über den Mond.