Am vereinbarten Treffpunkt in der Bootswerft BLS Thun erscheinen alle fünf Familienmitglieder von Oesch’s die Dritten aus verschiedenen Richtungen, aber gemeinsam – und zwar zu früh. Melanie Oesch, 34, ihre Brüder Mike, 33, und Kevin, 31, sowie die Eltern Annemarie, 59, und Hansueli, 64, sind gespannt. Zum 25-Jahr-Jubiläum ihrer Volksmusikgruppe, das sie mit einer Tour und dem Album «25 Jahre – Es Fescht» zelebrieren, haben sie für ein Modeshooting mit der Schweizer Illustrierten auf dem Schiff «Beatus» auf dem Thunersee zugesagt. «Wir probieren gern Neues aus. Ich bin sogar ein Modefreak», sagt Mutter Annemarie. Zusammen mit ihrer Tochter bestimmt sie, was die Band auf der Bühne trägt, um optisch zu harmonieren. Zu den Trachten werden gern weisse Sneakers kombiniert.
Trend und Tradition. Mit Volksmusik und Jodel fing 1997 bei Oesch’s die Dritten alles an. 2007 gings mit dem Sieg des Stadlsterns des «Silvesterstadl» richtig los, und so soll es nun – trotz Abstecher in die Country- und Blueswelt – weitergehen. Oesch’s die Dritten haben ihre musikalischen Wurzeln nie vergessen. «Früher fandens alle toll, dass wir Kids Volksmusik machten. Nun fragen viele, ob wir nicht mal etwas anderes tun wollen. Aber wieso?», fragt Melanie. «Jodeln ist meine Herzenssprache. I ghöre da here!» Zudem hat die Truppe schon viele Trends miterlebt, ist zuletzt durch die TV- Sendung «Sing Meinen Song – Das Schweizer Tauschkonzert» schon fast Kult geworden. Mit Jodeln und Löffeln haben sie nicht nur Musikkollegen wie Stress oder Dabu Fantastic fasziniert, sondern neue Fans gewonnen. Der Spagat zwischen Tradition und Moderne sorgt aber auch für Zündstoff. «Vätu und ich hängen an unseren älteren Liedern», sagt der Jüngste, Kevin. «Die anderen wollen Neues spielen.» In solchen Fällen entscheiden sie demokratisch. «Mein Schwergewicht zählt nicht», witzelt Vätu.
«Wir sind ein kunterbunter Haufen. Jeder bringt seine Farbe rein, darf so sein, wie er oder sie ist»
Sängerin Melanie Oesch
Annemarie und Hansueli. Seit 35 Jahren sind sie ein Ehepaar. Dass sie einmal heiraten, wusste Annemarie schon mit 15, als die frühere Chorsängerin den Schwyzerörgeli-Spieler Üelu auf einem Plattencover sah. Gefunkt hats zwischen der ausgebildeten Pflegefachfrau und dem Landwirt schliesslich «z Tanz». Dass ihre Kinder ebenfalls zur Musik fanden, ergab sich wie natürlich. Wenn Vätu im Bauernhaus mit Kollegen probte, kamen die Kids gern dazu. «Zuerst, damit sie nicht ins Bett müssen. Später, weil sie alles lernen wollten», erinnert er sich. So entstanden Oesch’s die Dritten. Auf der Bühne ist aber noch immer «Vätu» die Rampensau. «Daneben hingegen ist er unser Ruhepol», sind sich seine Kinder einig. «Fälschlicherweise wird mir das gern auch als Bequemlichkeit ausgelegt.» Seine Frau lacht: «Wenns langsam gehen muss, ist Üelu ‹in charge›. Und wenns schnell gehen muss, dann ich!» Sie sei auch «ein bisschen eine Trendsetterin», weiss stets über Ernährungs-, Sport- oder Technologietrends Bescheid. «Annemarie hat immer das neuste Smartphone, und ich erbe ihr altes, das auch noch neu ist», sagt er.
Volksmusikgruppe und Familie. So gut wie möglich versuchen sie, die zwei Welten zu trennen, «aber man merkt, dass wir eine Familie sind», sagt Mike. Ist daheim bei Oeschs jeder ebenbürtig, gibts in der Band eine klare Aufgabenteilung? «Wir haben die Stärken rausgekitzelt und die Schwächen ausgelagert», sagt Melanie und neckt: «Und doch wollen manche mitreden, wo es nicht ihr Gärtli ist.» Auch bei ihnen werde «über alles gestritten!», wie sie unisono zugeben. «Bei Streitereien vor einem Auftritt wirkt die Bühne wie ein Pflaster», verrät Hansueli. «Danach ist alles vergessen», sagt Kevin. Denn einen grossen Vorteil hat es, Familien- und Bandmitglied zu sein: «Wir kennen uns in- und auswendig, spüren einander auf der Bühne», erklärt Annemarie. «Aber ja, unser Berndütsch wirkt privat ein bisschen grob und rau. Aber das mags ‹liide›.»
«Wir sind mit der Musik aufgewachsen. Es war nie ein Müssen, das hätte gar nicht funktioniert»
Bassist Mike Oesch
Für Mike und Kevin ist es kein Problem, dass ihre Schwester als Frontfrau mit dem berühmten Zungenschlag im Fokus der Öffentlichkeit steht. «Ihr fällt das Reden leicht, ich hätte Mühe», gesteht Kevin. Für Melanie ist diese Rolle zweischneidig. «Einerseits mache ich es gern, mag es, durch unsere Konzerte zu führen.» Andererseits spüre sie auch Druck – ohne sie gehe weniger als ohne die anderen. «Und ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn die Menschen nur meinen Namen kennen. Das ist mir nicht recht.»
«Dass Melanie im Mittelpunkt steht, ist kein Problem. Mir ist wohl an meinem Platz»
Gitarrist Kevin Oesch
Vorurteile und Realität. Eine Familie aus Schwarzenegg BE, die Volksmusik macht und positive Lieder singt. «Unser Bereich ist mit vielen Klischees behaftet», sagt Melanie. Wie alle anderen hätten sie auch Alltagsprobleme, nur würden sie nicht darüber singen, meint Mike. Aber was sei falsch an heile Welt, fragt Mutter Annemarie. «Wir wohnen an einem tollen Ort, schätzen, eine solche Familie zu haben, und machen das, was wir lieben. Das ist doch gut!» Oesch’s die Dritten sind sich ihres Glücks bewusst, geniessen es, und dabei fliessen manchmal bei allen auf der Bühne sogar Freudentränen.