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Matthias Steinmann

Doppelter Schlossherr, halber Landstreicher

Als Kind träumt er davon, reich zu werden und ein Château zu besitzen. Heute hat der 81-jährige Matthias Steinmann zig Millionen – und zwei Schlösser im Kanton Bern. Das Vermögen machte er als Herr der Quoten, die Demut lernte er als Pilger.

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Matthias Steimann

Matthias Steinmann mit Ehefrau Arom vor Ursellen. Sie ist mit dem thailändischen Königshaus befreundet.

Geri Born

Schon in jungen Jahren hat Matthias Steinmann nicht nur einen Traum, sondern viele Träume. Als Bub wünschte er sich sehnlichst eine elektrische Eisenbahn. «Aber mein Vater war masslos geizig», erinnert sich der 81-Jährige. Als Jugendlicher habe er nur 20 Franken Taschengeld im Monat erhalten. Wegen der Knausrigkeit des Vaters litt auch die Mutter zeitlebens unter Existenzängsten. Und so verspricht sich der kleine Steinmann: Wenn ich gross bin, werde ich richtig reich und kaufe mir ein eigenes Schloss!

Steinmann hat sich die Kindheitsträume erfüllt – und als «Herr der Quoten» (so der Titel eines Buches über ihn) mit seinen Firmen Radio- und Telecontrol, die jahrzehntelang Einschaltquoten für Radio und TV in Dutzenden Ländern rund um den Globus ermittelten, ein Millionenvermögen gemacht. Vor 43 Jahren kauft sich der Selfmade-Millionär sein erstes Château: Schloss Ursellen in Konolfingen BE, ein «Maison de Campagne», wie einst die Herrenhäuser im Raum der ehemaligen Stadt und Republik Bern hiessen. Allein das Grundstück misst 176'000 Quadratmeter, was 24 Fussballfeldern entspricht.

Matthias Steinmann Schlossbesitzer

Schriftsteller: Seine Bücher schreibt Steinmann von Hand. Das neuste, «Verirrt in Giessbach», erscheint am 21. September.

Geri Born

Die Wände des 1712 erbauten und von Steinmann restaurierten «Château Ursellen» zieren unter anderem Gemälde alter Meister: so das Bildnis einer italienischen Prinzessin, welches Peter Paul Rubens zugeschrieben wird, oder ein Damen-Bildnis des Rembrandt-Schülers Govart Flinck. Steinmann sagt, er habe die Werke «günstig» erworben. Sein Kniff: Er kauft Trouvaillen, die bei Auktionen keinen Käufer finden, den Besitzern direkt ab. «Die brauchen in der Regel Geld, sonst würden sie sich kaum von ihren Bildern trennen und sie in eine Auktion geben», sagt der Schlossherr listig schmunzelnd.

Matthias Steinmann Schlossbesitzer

Schloss Nr. 2: Hier im Wyl speiste Weihnachten 2013 sogar der Gesamtbundesrat. Für Steinmann ein «Ritterschlag».

Geri Born
«Ich bin ein Renaissance-Mensch»

Ein Schlitzohr sei er aber nicht, will er klargestellt wissen. «Das wäre eine Reduktion auf etwas, was nicht stimmt.» Wie er sich selber sieht? «Ich bin ein Renaissance-Mensch.» Dieses Etikett hat ihm sein alter Militärkumpel Peter Balsiger, 82, angeheftet. Der war einst «Blick»-Chef und weiss genau um die Wirkung so knackiger Schlagworte: Ein Mensch der Renaissance gilt als selbstbewusst, begreift sich als Künstler, als Schöpfer, als Herr der Künste, interessiert sich für die Kriegskunst. Als Major und Leiter psychologische Abwehr leistete Steinmann 1300 Tage freiwilligen Militärdienst. Und er schreibt Bücher. Früher als Professor für Medienwissenschaften Sachbücher, heute Belletristik, wie er betont. 17 Erzählungen mit Titeln wie «Emma und Noah in Italien» («ein modernes Märchen»), «DʼSalami wird schnittliwiis gässe» («Eine Sammlung von Maximen») oder «Der Gehenkte zu Schloss Wyl» («ein halbwahrer Geisterkrimi aus dem Leben eines Schlossherrn gegriffen»). Buch Nummer 18 erscheint am 21. September: «Verirrt in Giessbach» ist ein historischer Roman, in dem Steinmann seinem Grossvater, einem angesehenen Berner Chirurgen, eine Phobie andichtet. «Jedes Mal, wenn er zum Skalpell greift, fällt ihm das OP-Messer aus der Hand», umreisst er den Inhalt.

Apropos Schloss Wyl: Die Domäne im benachbarten Schlosswil befindet sich seit 2011 als weitere Perle im Portfolio des doppelten Schlossherrn. Steinmann wäre mit Ursellen zufrieden gewesen, doch sowohl der Gemeindepräsident von Konolfingen als auch der Regierungsstatthalter sind mit dem Wunsch an ihn gelangt, er möge das Schloss doch kaufen. Rund zehn Millionen Franken pumpte er bis heute in die alten Mauern. «Das ist auch für mich ein Betrag, den ich nicht einfach aus der Portokasse nehme.» Steinmann gründete eine Stiftung, erhält das Schloss so für die Öffentlichkeit. Paare können dort heiraten, Manager Seminare veranstalten – sogar der Gesamtbundesrat dinierte schon in dem Herrschaftsschloss.

Matthias Steinmann Schlossbesitzer

Genussmensch: Zum Zmittag gönnt sich das Paar ein Glas «2015 Château Palmer Margaux» für rund 400 Franken pro Flasche.

Geri Born

Neben den zwei Schlössern besitzt Steinmann eine Wohnung in Samedan GR, direkt gegenüber dem Internat, in das er als Halbwüchsiger nach der Scheidung seiner Eltern verfrachtet wurde. Ausserdem hat er mit seiner Frau zwei Häuser in Bangkok sowie ein grosses Anwesen am Meer in Thailand. Seine dritte Ehefrau Arom (54) stammt von dort, seit 14 Jahren sei er mit «Schatzili» verheiratet («Rekord»); sie ist mit der thailändischen Königsfamilie befreundet. Dass er drei Mal heiratete, kommentiert er lapidar: «Privat war ich nicht so erfolgreich wie geschäftlich.» Da klingt Wehmut mit. «Ich war allerdings auch nie ein Kind von Traurigkeit», gibt er augenzwinkernd zu. Aus seiner zweiten Ehe hat er eine Tochter, Sophie, 31.

Steinmann

Flieger: Seit 48 Jahren hat er eine Berufspilotenlizenz, die Piper Cheyenne, eins der anspruchsvollsten Flugzeuge, gehört ihm.

Geri Born
Zwischen Himmel und Erde unterwegs

Zwei grosse Leidenschaften pflegt Matthias Steinmann bis heute. Seit 48 Jahren pilotiert er Flugzeuge, besitzt als ältester Schweizer eine Berufspilotenlizenz, sitzt regelmässig am Steuer seiner Piper PA-42 Cheyenne. Die zweimotorige Turboprop gilt als sehr anspruchsvoller Flieger. Wenn Steinmann zusammenrechnet, wie viel Zeit seines Lebens er in der Luft verbracht hat, kommt er auf 582 Tage à acht Stunden. Nonstop gerechnet sind das fast sechseinhalb Monate.

Matthias Steinmann Schlossbesitzer

Nomade: Mit 60 beginnt Steinmann zu wandern, legt seither 14 000 Kilometer zu Fuss zurück, läuft dreimal den berühmten Jakobsweg.

Geri Born

Mit dem Laufen begonnen hat Steinmann hingegen erst mit 60. Dreimal ist er den Jakobsweg gegangen, sechsmal spazierten er und seine Frau von Ursellen nach Samedan; er wanderte nach Berlin und Rom, legte rund 14'000 Kilometer per pedes zurück. Ihn als «halben Landstreicher» zu bezeichnen, nimmt er als Kompliment. Seit Monaten aber schmerzt jeder Schritt. «Meine Knie sind kaputt.» Er könnte sie operieren lassen, würde dann jedoch seine Pilotenlizenz verlieren. Ob er den Traum hegt, noch einmal wie in jüngeren Jahren laufen zu können? «Falsche Fragestellung», sagt er lächelnd. «Sie müsste vielmehr lauten: Haben Sie noch Träume?»

Ein Traum ist Matthias Steinmann nicht genug.

Von René Haenig am 11. Juni 2023 - 12:00 Uhr