Der Ausspruch «Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen – wohl aber aus allen Wolken» passt zu Chäser Michael Spycher (53) aus Fritzenhaus BE im Emmental wie Fonduekäse ins Caquelon. Denn der vierfache Familienvater ist seit vergangenem März vierfacher Käseweltmeister. Beim World Championship Cheese Contest, dem renommiertesten Käsewettbewerb der Welt, holt er sich in Madison, der Hauptstadt des US-Bundesstaats Wisconsin, zum vierten Mal den WM-Titel. «Bisher hat es noch niemand geschafft, den Titel auch nur zweimal zu holen. Dass ich jetzt vierfacher Käseweltmeister bin, ist einfach nur verrückt», freut sich der Käser.
Mit seinem halb harten Hornbacher setzt er sich gegen mehr als 3000 verschiedene Käsesorten aus aller Welt durch. Eine internationale Jury bewertet beim Wettbewerb Geschmack, Aussehen und Konsistenz. Obwohl er kein Geheimrezept für seinen weltmeisterlichen Käse habe, wie Spycher versichert, sieht der Käser einen Schlüssel zum Erfolg im «richtigen Gschpüri.» Dieses hat er sich in vier Jahrzehnten Berufserfahrung angeeignet.
Michael Spycher wächst mit drei Brüdern «in einer Chäsi in Bleiebach» bei Langenthal BE im Oberaargau auf. Sein Vater produziert dort Emmentaler. Michael selbst beginnt mit 16 eine Ausbildung zum Käser, verbringt das erste Lehrjahr im Welschland. «Ausser Fluchen habe ich aber nicht viel gelernt», erzählt er lachend. Vier Sommer lang geht er «z Alp» – angefangen von der Innerschweiz übers Berner Oberland bis ins Bündnerland. «Dort wars am schönsten!» Nicht nur, weil er da Ehefrau Monika (52) kennenlernt. «Käsemachen ist auf der Alp herausfordernder.» Im Winter jobbt er in Käsereien und auf dem Bau, für einen Schreinerbetrieb oder als Maurer.
Mit 25 macht er seine Meisterprüfung, übernimmt 2001 die Bergkäserei Fritzenhaus bei Wasen im Emmental und produziert dort unter anderen seinen Hornbacher, den er über die Gourmino AG, einen Zusammenschluss von Käsern, auch international vertreibt. «Das Gschpüri» für den Käse erarbeitet sich Spycher hart; sieben Tage in der Woche steht er jeweils frühmorgens ab fünf Uhr in der Käserei. Dann liefern 13 Bauern aus der Umgebung ihre Milch in der Bergkäserei Fritzenhaus an. Die prüft der Käser, ehe er sie in die zwei jeweils rund 2700 Liter fassenden Kessi pumpt, wo sie unter Rühren langsam erwärmt wird.
Wie der Vater so die Tochter
Punkt 7.30 Uhr versammeln sich Michael, Monika und Anita (25) zum gemeinsamen Zmorge. «Natürlich steht da Käse auf dem Tisch, aber nicht nur!» Anita, ältestes der vier Spycher-Kinder und ebenfalls gelernte Käserin, arbeitet seit einem Jahr im elterlichen Betrieb. «Sie lernt jetzt noch die Finessen», sagt Spycher. Dass seine Tochter mit ihm zusammen «chrampft», macht ihn durchaus stolz. Anfangs mussten sich Vater und Tochter zusammenraufen, jetzt sei es «einfach nur schön».
Zurück in der Käserei sind die nächsten Arbeitsschritte zeitlich straff durchgetaktet. Nach der Zugabe von Milchsäurebakterien und Lab beginnt die Milch zu gerinnen. Nachdem Anita die Käseharfe am Kessi montiert hat, zerschneidet diese die Gallerte, wobei der sogenannte Käsebruch entsteht. Die Käsekörner werden weiter gerührt und erwärmt, und so wird der Käsebruch immer härter und fester. Anschliessend wird die Masse in eine Form abgefüllt, wobei die Molke durch Löcher am Boden der Formen abfliesst. Im nächsten Schritt erfolgt das Salzbad, ehe der Käse im Reifekeller landet.
3300 Liter
Milch liefern 13 Bauern täglich an. Der Käser verarbeitet diese zu rund 30 Käselaiben, vor allem Hornbacher und Gruyère.
11000 Käselaibe
Im 2013 neu gebauten Lager ist Platz genug. Durchs Fenster können Besucher dort dem «Schmierfink» bei der Arbeit zuschauen.
1847 Gründungsjahr
Noch ehe die Schweiz zum Bundesstaat wird, baut die Käsereigenossenschaft Fritzenhaus die erste Käserei. 2001 übernimmt sie Michael Spycher.
Bescheiden trotz vier WM-Titeln
Der Reifekeller von Michael Spycher ist eine beeindruckende Lagerhalle. Bis zu 11'000 Käselaibe kann er dort stapeln, derzeit liegen rund 8000 in den Regalen, der älteste reift seit zwei Jahren. Regelmässig schreitet Spycher durch sein Lager, klopft mit dem Käsebohrer jeden einzelnen Laib ab, um herauszuhören, ob sich sein Käse weiter gut entwickelt. Wobei der Käser betont: «Das Entscheidende beim Käsemachen passiert rund ums Kessi. Im Lager kann dann ein guter Käse aber noch zu einem sehr guten reifen.»
Ein allererstes Mal Käseweltmeister wird Spycher 2008 – mit einem Gruyère. Zehn Jahre später holt er 2018 WM-Bronze, 2020 und 2022 wieder WM-Gold. Den jüngsten Titel erringt er erstmals mit seinem eigenen Hornbacher Käse. Was ihm diese Auszeichnung bedeutet? Der vierfache Käseweltmeister Michael Spycher lässt, ehe er antwortet, seinen Blick über den Hof der Bergkäserei Fritzenhaus wandern. Dann sagt er bescheiden: «Es ist eine Bestätigung für meine Arbeit, die ich mit viel Herzblut mache – und es ist auch eine Bestätigung dafür, dass ich das wohl nicht ganz falsch mache.»